Was das Jahr 2022 bringt?
Zehn Dinge, die Anleger überraschen könnten

Die Corona-Pandemie brachte die Börsen im letzten Jahr nur kurzzeitig von ihrem steilen Weg nach oben ab. Viele deutet darauf hin, dass die Rekordfahrt weitergeht. Anlage-Experte Burkhard Varnholt illustriert die wichtigsten Prognosen seiner Grossbank.
Publiziert: 01.01.2022 um 20:27 Uhr
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Aktualisiert: 01.01.2022 um 22:22 Uhr
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Burkhard Varnholt ist Anlagechef der Swiss Universal Bank und Vize-Chef des Global Investment Committee der Credit Suisse. Was 2022 bringt? Zehn Dinge, die Anleger überraschen könnten.
Foto: Philippe Rossier
Ulrich Rotzinger

Aus der Vogelperspektive sieht vieles anders aus als in den Niederungen des (Corona-) Alltags. «Vieles, was uns gegen Ende eines Jahres umtreibt, entpuppt sich – von einer höheren Warte aus betrachtet – vielleicht als Ballast, der uns unnötig die Aussicht auf das Kommende verstellt», schreibt Burkhard Varnholt, Anlagechef der Swiss Universal Bank und Vize-Chef des Global Investment Committee der Credit Suisse, in einem Kommentar.

Er wage nun einen «gedanklichen Ausflug» auf Basis des aktuellen Investment Outlooks seiner Bank ins angelaufene Jahr 2022, heisst es in seinem Standpunkt zum Börsenrekordjahr weiter.

Experte Varnholt: «Manches ist durchaus überraschend – und für Anleger als Denkanstoss gedacht.» Blick fasst seine zehn Punkte mit Überraschungspotenzial für Anleger zusammen.

1. Von der Pandemie zur Endemie

Neue Normalität: Social Distancing, Furcht vor der nächsten Pandemie, fortschreitende Digitalisierung, Arbeiten im Homeoffice, neues Verständnis von «Work-Live-Balance». Das seien Dinge, an die man sich gewöhnen müsse. «Gleichzeitig nehmen wir 2022 wieder alte Gewohnheiten auf und frönen unseren Vorlieben», so Varnholt. «Pandemien verschwinden in der Regel, wie sie gekommen sind. Schleichend.» Grund für seinen Optimismus: Neue Medikamente, verbesserte Impfstoffe. «Aber auch eine Anpassung unseres Lebensstils wird dazu beitragen, dass sich die Corona-Pandemie in diesem Jahr zur Endemie zurückentwickelt.» Das heisst, von einer weltweit verbreiteten Seuche zu einer regional begrenzten – «mit dem Virus als dauerhaftem Begleiter». (Lesen Sie dazu auch hier)

2. Investieren statt Spekulieren

Hier zitiert der Experte augenzwinkernd den Schriftsteller Mark Twain (1835–1910): «Für Börsenspekulationen wird der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Oktober.» Investieren schlage Spekulieren.

3. Das Jahr der Arbeitnehmer

Trotz Digitalisierung und Automatisierung braucht es qualifizierte Mitarbeitende. Varnholt sieht die meisten Arbeitnehmer bei Lohnverhandlungen in einer besseren Position als ihre Arbeitgeber. «Löhne und Gewinne bilden bis auf Weiteres eine überraschende Symbiose.» Grund: Produktionsgewinne können steigende Lohnkosten vielerorts kompensieren. Gleichzeitig wachsen Privateinkommen, ein mittelfristiger Stimulus für den Konsum.

4. Sinkende Inflation

Hier als Basis die Inflationsprognose der Credit Suisse für das laufende Jahr: 4,5 Prozent in den USA, 2,8 Prozent in der Eurozone und 0,5 Prozent in der Schweiz. Die Teuerung sinke auf diese Werte, weil sich Entspannung auf zahlreichen Güter- und Strommärkten abzeichne, das Angebot grösser werde und die «kompetitiven Hamsterkäufe» ein Ende fänden. Varnholt: «Die aktuelle Lohn- und Preisentwicklung dürfte ihren Zenit überschreiten.»

5. Europäische CO2-Preise erstmals über 100 Euro pro Tonne?

Im 2022 wird das europäische Emissionshandels-System (ETS), dem auch die Schweiz assoziiert ist, «unübersehbar im Rampenlicht stehen». Bis zu 65 Prozent der europäischen Klimaemissionen sollen künftig in Europa Zertifikate benötigen. «Gut möglich, dass es vermehrt auch Anleger anziehen wird», so der Experte. Das könnte für spekulative Preisbewegungen sorgen.

6. Global erstmals mehr über- als untergewichtige Kinder

Eine Prognose, die die englische Gesundheitszeitschrift «The Lancet» erstmals 2017 machte, dürfte sich 2022 bestätigen, so der Finanzexperte. Während viele Kinder im globalen Süden in der Armutsfalle stecken, setze sich in den reichen Ländern ein anderer Negativtrend fort: Ungesunde Ernährungs- und Lebensgewohnheiten fördern auch bei Kindern Übergewicht, Diabetes und andere chronische Leiden.

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7. Mehr Inder als Chinesen

Anleger sollten diese Entwicklung im Auge behalten. Mit 1,4 Milliarden Einwohnern holt Indien 2022 das demografisch alternde China auf. Gerade die junge und in Ballungszentren gut ausgebildete Bevölkerung Indiens profitiere von der rasch wachsenden Elektrifizierung des Landes.

8. Künstliche Intelligenz überall

In diesem Jahr werde die Politik die grossen Technologie-Unternehmen zunehmende regulieren – zum Schutz von Konsumenten, kompetitiven Märkten und auch des Fiskus, ist Varnholt überzeugt. Cybercrime etwa werde einen Schatten über den Siegeszug von Künstlicher Intelligenz, Datenbanken und extrem günstigen Sensoren werfen.

9. Immer mehr Konflikte ums Wasser

Auseinandersetzungen um die Wasserversorgung drohen immer mehr zu eskalieren. Gründe: Jahrelange Vernachlässigung der Wasserinfrastruktur, wachsende Bevölkerung, ineffiziente Verwaltung und Landwirtschaft. Besonders betroffen: Iran, Irak, Ägypten, Jordanien und Palästina, aber auch Südafrika, Zentral- und Südostasien.

10. Wachsende Wirtschaft und Innovations-Superzyklus

Varnholt: «Den vielen Herausforderungen und Rückschlägen zum Trotz werden die meisten Menschen Ende 2022 eine positive Bilanz ziehen.» Ein Innovations-Superzyklus werde viele Hoffnungen beflügeln. Die Weltwirtschaft wächst. «Ebenso nehmen Lebensqualität, Lebenserwartung und Wohlstand vielerorts zu.» Geopolitische Spannungen blieben mehrheitlich kalte Konflikte. Der Schweizer Immo-Markt zeigt sich robust. «Erstmals steigen die meisten Kapitalmarktrenditen wieder auf ein positives Niveau – sogar in der Schweiz.»

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