KOF-Leiter Jan-Egbert Sturm warnt
«Stürzen die USA und Europa in eine Rezession, dann kommt auch die Schweiz nicht ungeschoren davon»

Am letzten Donnerstag hat die Nationalbank mit der Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte alle überrascht und geschockt. Die steigenden Zinsen dämpfen aber das Wirtschaftswachstum in der Schweiz nur gering, sagt die Konjunkturforschungsstelle KOF.
Publiziert: 22.06.2022 um 09:09 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2022 um 13:55 Uhr
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Die Schweizer Wirtschaft läuft in diesem Jahr weiterhin rund.
Foto: Keystone
Christian Kolbe

Die Schweizer Wirtschaft soll in diesem Jahr um 2,7 Prozent wachsen. Das sagt die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH voraus. Das überrascht: Denn steigende Zinsen haben das Potenzial, die Wirtschaft zu bremsen, im schlimmsten Fall sogar abzuwürgen. Die KOF-Ökonomen gehen aber trotz Krieg und Inflation noch immer von einem für Schweizer Verhältnisse hohen Wachstum aus.

Im Gespräch mit Blick ordnet KOF-Leiter Jan-Egbert Sturm (52) die Zinswende ein: «Das Zinsniveau ist immer noch sehr niedrig. Die Zinsen werden nicht so schnell auf ein hohes Niveau wie vor der Finanzkrise kommen. Diese Zinserhöhung ist keine Vollbremsung der Wirtschaft.»

Ende der Normalisierungseffekte

Im nächsten Jahr dürfte der Dämpfer dann spürbarer sein: 2023 soll die Wirtschaft nur noch um 1,6 Prozent wachsen. «Die Normalisierungseffekte nach Corona sind in diesem Jahr noch spürbar, laufen erst 2023 aus», erklärt Sturm. Das heisst, Branchen wie die Gastronomie, der Konsum oder auch der Tourismus sind dabei, nach den Coronadämpfern kräftig aufzuholen. Das treibt die Wirtschaft an.

Die wichtigste Stütze der Konjunktur bleibt der inländische Konsum. Zum einen habe sich das Lohnwachstum überraschend positiv entwickelt, was zusätzliche Konsumanreize setze; zum anderen hätten die Haushalte nach dem coronabedingten «Zwangssparen» noch immer Geld auf der hohen Kante, das nun ausgegeben wird.

Die KOF begründet die tiefere Prognose mit einer weltweiten konjunkturellen Eintrübung wegen der Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs. «Darin spiegelt sich auch die grosse Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Energie- und vor allem die Gaspreise wider. Gerade Gas ist für die Industrie sehr wichtig», so der Konjunkturexperte. Dazu käme Frage, wie stark die Teuerung noch ansteigen werde. Die KOF hat jedenfalls ihre Inflationsprognosen deutlich nach oben korrigiert.

Im Extremfall gar eine Rezession

Die insgesamt positive Vorhersage für die Gesamtwirtschaft wird mit einem grossen Aber versehen. Sollte die Inflation in den USA und Europa in diesem Jahr in «unakzeptable Höhen» steigen und «schnelle und starke» Zinsschritte der Notenbanken im Winter erfordern, sehe es deutlich düsterer aus, so die KOF in ihrer Prognose. «Stürzen die USA und Europa in eine Rezession, dann kommt auch die Schweiz nicht ungeschoren davon», sagt Sturm. Dies sei zwar nicht das wahrscheinlichste Szenario, aber realistischerweise müsse man es in Betracht ziehen.

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