Was braucht es zum Wohnen? Man muss Wohnhäuser bauen, unterhalten und die Liegenschaften verwalten. Zählen wir zusammen: Die jährlichen Ausgaben für den Wohnungsneu- und umbau belaufen sich auf 30 Milliarden Franken. Dazu kommen noch etwa 4,5 Milliarden für die Architekten, Statiker und dergleichen. Und 2,7 Milliarden Franken Unterhaltsarbeiten.
Die Kosten für Verwaltung plus Steuern lagen gemäss Kostenstatistik der Zürcher Baugenossenschaften bei 1050 Franken pro Wohnung und Jahr. Wenn wir diesen Betrag grosszügig auf 2000 Franken runden und mit den schweizweit 4,7 Millionen Wohnungen multiplizieren, kommen wir auf 9,4 Milliarden bzw. auf ein Gesamttotal von 46,6 Milliarden oder etwa 7 Prozent des BIP.
10'000 Franken der Quadratmeter
Soweit die – relativ bescheidenen – volkswirtschaftlichen Kosten. Dazu kommt nun noch ein Element der Umverteilung – die Abgaben, welche die Bodenbesitzer für die temporäre Nutzung ihres Grundes einfordern können. Sie sind schuld daran, dass die Schweizer Haushalte im Jahr 2020 nicht 46,6 Milliarden, sondern 80 Milliarden Franken für das Wohnen (ohne Energie) ausgegeben haben.
Dazu kommen noch die Summen, welche die Wohnungssuchenden bei einem Kauf entrichten müssen. In der Stadt Zürich kostet der Quadratmeter Bauland im Schnitt etwa 10'000 Franken. Bisher hat es noch keine offizielle Stelle gewagt, die jährliche Bodenrente genau zu beziffern. Grob geschätzt dürfte sie sich auf gut 50 Milliarden Franken belaufen, rund das Doppelte der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer.
Weniger kaufkräftige Mieter vertreiben
Doch das ist noch nicht alles: Die Bodenbesitzer können nur deshalb so hohe Preise durchsetzen, weil ihnen erstens die globalen Arbeitsmärkte und unsere Standortpolitik einen stetigen Zustrom von finanzkräftigen Mietern und Käufern beschert. Zweitens, weil es ihnen das Mietrecht erlaubt, die weniger kaufkräftigen Mieter zu vertreiben. Doch, was den Bodenbesitzern nützt, schadet der Demokratie.
Diese braucht Bürger, die sich für die lokalen Belange einsetzten und verantwortlich fühlen. Das setzt ein gewisses Mass an Sesshaftigkeit voraus und ein Quäntchen Heimatliebe schadet auch nicht. Jetzt macht die Bodenspekulation die einen zu heimatlosen Standortoptimierern, und die anderen zu Vertriebenen. Flugsand allenthalben. Schwere Zeiten für die Demokratie.
Einsamkeit ist grösstes gesundheitliches Risiko
Doch die von der Bodenspekulation erzwungene Mobilität schadet nicht nur der Demokratie, sondern unterminiert auch den Wohlstand. Auch heute wird der Löwenanteil der Arbeit (geldlos) in der Familie und Nachbarschaft geleistet. Doch die Produktionskraft dieser informellen Netzwerke hängt von der Sesshaftigkeit ab.
Wer vom angestammten Wohnort vertrieben wird, verliert wichtige Teile des sozialen Kapitals und seiner/ihrer Produktionskraft. Je öfter und je später im Leben man den Wohnort wechseln muss, desto grösser wird die Gefahr der Vereinsamung. Wie wir wissen, ist Einsamkeit noch vor Rauchen, Alkoholismus und Übergewicht das grösste gesundheitliche Risiko. Umso entscheidender ist die Produktion von Gemeinsamkeit in den lokalen Netzwerken.
Unterminiert die Demokratie
Fazit: Die Bodenspekulation schadet dreifach: Sie schwächt unseren wichtigen Produktionsfaktor, das soziale Kapital. Sie unterminiert die Demokratie und sie bewirkt drittens, dass die Einkommen und Vermögen immer noch ungleicher verteilt werden. Was jetzt zu tun wäre, hat die Stadtforscherin Hanna Hildbrandt von der ETH im «Tagesanzeiger» kürzlich wie folgt formuliert: «Wir müssen viel radikaler über Eigentumsverhältnisse und über die Besteuerung von Bodenpreissteigerungen nachdenken, also über die sogenannten leistungslosen Gewinne.»