Virologe Drosten korrigiert seine Prognose
«Pandemie ist Ende Jahr doch nicht vorbei»

Er gehört zu einer Minderheit, die noch keine Corona-Infektion hatte: Virologe Christian Drosten. In einem Interview spricht er über den Corona-Herbst, Selbstinfektion und seine korrigierten Prognosen.
Publiziert: 24.06.2022 um 19:22 Uhr
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Professor Christian Drosten befürchtet im Herbst wieder sehr hohe Corona-Fallzahlen.
Foto: imago images/IPON

Ab September, fürchtet er, werde es wieder «sehr hohe Fallzahlen» geben, sagt Christian Drosten (50) zum bevorstehenden Corona-Herbst. Die BA.5-Variante sei einfach sehr schnell übertragbar, und die Menschen verlören gleichzeitig ihren Übertragungsschutz aus der letzten Impfung. «Wenn die Entscheidungsträger nichts tun, wird es sehr viele krankheitsbedingte Ausfälle am Arbeitsplatz geben», sagt Drosten im Interview mit dem «Spiegel». Immerhin: Insgesamt würden viel weniger Menschen schwer erkranken und sterben als noch 2021.

«Totaler Nonsens» sei, sich absichtlich im Sommer mit Corona zu infizieren, wie die Empfehlung derzeit auf Twitter die Runde macht. «Die Sommerinfektionen hatten keinerlei vorbereitenden Effekt für den Winter», so Drosten. «Auf gar keinen Fall sollte man sich absichtlich infizieren! Man sollte das weiterhin so gut es geht vermeiden, auch wegen des Risikos von Long Covid.»

Schlimmstenfalls noch einige Winter

Über ein baldiges Ende der Pandemie, den Übergang in den endemischen Zustand, wo das Virus seine Bedeutung verliert, wollte er sich nicht auslassen. «Es könnte schlimmstenfalls noch einige Winter dauern.»

Warum man sich trotz Impfung häufiger mit Omikron infiziert, erklärt Drosten damit, dass sich Omikron nicht mehr so stark in der Lunge vermehrt wie frühere Varianten, sondern meist in den oberen Atemwegen bleibt, wie er im «Spiegel» erklärt. «Infektionen in der Lunge führen zu einer stärkeren Immunreaktion und später zu einer ausgeprägteren Immunität», so Drosten.

Wichtig sei, dass man die Mittel und Massnahmen, die man heute schon gegen das Virus habe, noch viel besser nutze. «Vor allem natürlich die klassische Impfung. Dass alte Menschen am besten viermal geimpft sein sollten, versteht sich von selbst», so Drosten.

Drosten bislang nicht infiziert

Er selbst gehört zu einer Minderheit, die noch nie eine Sars-CoV-2-Infektion hatte. Es sei schwer zu sagen, wie er das geschafft habe. «Bislang hatte ich wohl einfach Glück.» Er begebe sich selten in riskante Situationen, ohne übermässig vorsichtig zu sein. «Wenn ich in einer grösseren Gruppe stehe, in der keiner eine Maske trägt, dann ziehe ich auch keine an.» Aber wenn im Bäcker eine Kundin eine Maske trage, ziehe er auch eine auf, sie könnte ja Risikopatientin sein.

In einem Punkt möchte er sich korrigieren, wie er dem «Spiegel» sagt. Kaum jemand habe mit so schnellen Veränderungen des Virus gerechnet. Das Aufkommen der Alpha-Variante sei für ihn sehr überraschend gewesen. Bei Delta sei er erst mal skeptisch gewesen, bei Omikron gabs dann eine Neuorientierung und seit Januar 2022 gibt es die Untervarianten von Omikron.

«Deshalb würde ich mich tatsächlich gern korrigieren: Ich glaube nicht mehr, dass wir Ende des Jahres den Eindruck haben werden, die Pandemie sei vorbei. Das Wimmern wird länger dauern.» (uro)

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