Darum gehts
Trumps Zollpolitik sowie die Abkehr von Europa und der liberalen Weltordnung untergraben das Vertrauen in die USA. Das wirkt sich auch auf die Finanzmärkte aus. Die Investoren überlegen sich zweimal, ob sie weiter so viel Kapital in Dollar-Wertpapieren halten wollen. Sie müssten sich mit der Vorstellung eines Finanzsystems auseinandersetzen, in dem nicht mehr die USA im Zentrum stehen, schreibt die «Financial Times» mit Verweis auf Gespräche mit Grossinvestoren in London und Dubai. Die USA würden ihr «exorbitantes Privileg» aufs Spiel setzen. Währungsexperten befürchten, dass der Dollar seinen Status als «sicherer Hafen» verlieren könnte.
1. Die USA geniessen mit dem Dollar als Leitwährung ein «exorbitantes» Privileg
Die Dominanz des Dollar erlaubt es den USA, sich in der Welt günstig zu verschulden und über die Verhältnisse zu leben. Diesen Vorteil bezeichneten der französische Präsident Charles de Gaulle und sein Finanzminister Valéry Giscard d’Estaing in den 1960er-Jahren als ein «exorbitantes Privileg». Auch heute, über fünfzig Jahre nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems, ist der Dollar die globale Leitwährung. Rund 60 Prozent der Währungsreserven werden in Dollar gehalten.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Fast 90 Prozent der grenzüberschreitenden Zahlungen werden in Dollar abgewickelt. Die USA profitieren davon: Sie können mit ihrer eigenen Währung Waren und Dienstleistungen bezahlen und in Dollar Schulden aufnehmen. Da die USA über attraktive Investitionsmöglichkeiten und einen grossen und liquiden Kapitalmarkt verfügen, finanziert der Rest der Welt diese Schulden noch so gerne. Das stärkt wiederum die Währung und sorgt auch bei hoher Verschuldung für niedrige Zinsen.
2. Das Privileg bringt aber auch Probleme mit sich
Ohne die globale Nachfrage nach Dollar-Wertpapieren und den steten Kapitalzufluss könnten die USA ihren hohen Konsum und ihr Wachstum nicht aufrechterhalten. Grosse Handelsdefizite hätten nicht lange Bestand, sondern würden sich durch die Abwertung der Währung wieder abbauen. Denn wenn ein Land weniger exportiert als importiert, sinkt grundsätzlich die Nachfrage nach seiner Währung. Sie wertet sich ab. Dadurch werden Importe teurer und eigene Produkte im Ausland erschwinglicher.
Dieser Mechanismus, den kleinere Länder und die Emerging Markets nur zu gut kennen, ist in den USA wegen der Attraktivität des Dollar ausser Kraft. Die globalen Aussenhandelsungleichgewichte mit den USA als Hauptschuldner sind deshalb die Kehrseite des exorbitanten Privilegs. Um den Konsum zu finanzieren, müssen die Vereinigten Staaten Unsummen von Dollar-Wertpapieren ausgeben. Und die Nachfrage nach diesen sicheren Anlagen begünstigt das Entstehen von spekulativen Finanzblasen in den USA.
3. Laut Trump-Lager hat der Dollar Mitschuld am Industrie-Niedergang
Die Summen sind gigantisch: Da das Ausland jedes Jahr mehr in den USA investiert als die USA im Ausland, ist das US-Nettoauslandsvermögen negativ, und zwar um 23,6 Billionen Dollar. Für das Trump-Lager steht aber ein anderer Aspekt im Vordergrund: Es sieht in der Dollar-Dominanz einen Fluch, der mitverantwortlich für den Niedergang der Industrie sei, weil es mit der starken Währung einfacher falle, Güter zu importieren, statt diese selbst zu produzieren.
Als der heutige Vizepräsident J. D. Vance noch Senator war, geisselte er den Reservestatus des Dollar als «massive Steuer für die Amerikaner». Dieser habe den Massenkonsum von nutzlosen Importen angetrieben und die industrielle Basis ausgehöhlt. Anders als sein Vize Vance ist Trump in der Dollar-Frage dagegen so inkonsistent wie bei anderen Themen auch: Einmal fordert er einen schwachen Dollar und eine Gebühr auf US-Staatsanleihen, dann wieder droht er den BRICS-Ländern mit hohen Zöllen, sollten sie versuchen, den mächtigen Dollar durch eine eigene Lösung zu ersetzen.
4. Die Handelsbilanz ist ein Spiegelbild der Kapitalverkehrsbilanz
Für Ökonomen und Ökonominnen ist klar, dass die starke Stellung des Dollar in Verbindung mit den hohen US-Kapitalimporten das Handelsdefizit der USA erklärt. Allfällige unfaire Praktiken der Handelspartner seien ein Nebenaspekt. Daher kommen Experten auch zu einem anderen Schluss als Vance und Trump: Wer Defizite ernsthaft bekämpfen will, sollte nicht Zölle einführen, sondern dafür sorgen, dass das Land weniger ausländisches Kapital benötigt – zum Beispiel, indem die Amerikaner mehr sparen.
«Es sind die niedrigen nationalen Ersparnisse in Verbindung mit hohen Investitionen, die das Aussenhandelsdefizit der USA bestimmen», schreibt der ehemalige IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld. Ein grosser Schuldner im Ausland ist dabei der Staat selbst: Ein Viertel seiner Anleihen werden von internationalen Gläubigern gehalten. Ernsthafte Massnahmen zur Eindämmung des Haushaltsdefizits würden gemäss Obstfeld daher die Handelsbilanz schrumpfen lassen und die US-Industrie stärken.
5. Es gibt jedoch kaum Alternativen zum Dollar
Sollten sich Grossinvestoren vermehrt vom Dollar abwenden, fragt es sich, welche Alternativen es gibt. Notenbanken haben begonnen, ihre Reserven mit Währungen wie dem australischen oder dem kanadischen Dollar oder dem chinesischen Yuan zu diversifizieren. Aber selbst zusammengenommen beträgt ihr Anteil an den Gesamtreserven nur 10 Prozent.
Der Yen und das britische Pfund verharren seit Jahrzehnten bei der 5-Prozent-Schwelle. Die einzige Währung, die dem Dollar Konkurrenz machen könnte: der Euro. Sein Anteil kommt aber seit der Euro-Krise nicht mehr über die Marke von 20 Prozent hinaus. Jetzt erhält der Euro eine neue Chance: Die USA sägen am eigenen Ast, gleichzeitig arbeitet die EU am digitalen Euro und an einer Expansion des Kapitalmarkts, der das Angebot an sicheren Anleihen vergrössern könnte. Bislang war der im Vergleich zu den US-Treasuries kleine deutsche Staatsanleihenmarkt für viele Devisenreservenverwalter ein Hindernis. Der chinesische Yuan wird zwar von immer mehr Ländern als Handelswährung genutzt, er spielt aber als Anlagewährung bisher kaum eine Rolle: Sein Anteil an den globalen Devisenreserven liegt bei unter 3 Prozent.
Fazit
Der Dollar ist seit dem Zweiten Weltkrieg die globale Reserve- und Leitwährung; das hat die finanzielle und wirtschaftliche Macht der USA vergrössert. Weder die Schaffung des Euro noch der wirtschaftliche Aufstieg Chinas oder die Nutzung des Dollar als Sanktionswaffe haben an der Dollar-Dominanz viel geändert. In den letzten 25 Jahren ist der Anteil des Dollar an den globalen Reserven nur langsam geschrumpft, von rund 70 auf knapp 60 Prozent. Unter Trump könnte sich dieser Prozess beschleunigen. Eine geringere Dollar-Dominanz und weniger Handelsungleichgewichte wären wünschenswert.
Die Gefahr ist aber gross, dass dieser Prozess nicht reibungslos abläuft und es zu Verwerfungen kommt. Wenn Europa und Asien nicht mehr im gleichen Stil die Defizite der USA finanzieren, werden die US-Zinsen empfindlich steigen und der Dollar wird fallen. Immerhin hätte Trump dann eines seiner Ziele erreicht: den Abbau des Handelsdefizits. Aber nicht durch eine Stärkung der Industrie, sondern auf die harte Tour – durch eine Rezession und den Kollaps der Importe.