Verpasste Renditechancen
Schweizer horten Bargeld, statt in Aktien zu investieren

Wer zu viel Nötli und Münzen zu Hause hat, verzichtet auf die Rendite-Möglichkeiten an den Finanzmärkten. Besonders gross ist die Angst vor Investitionen in der Schweiz. Dabei ist Bargeld gar nicht so sicher, wie ein UBS-Experte sagt.
Publiziert: 12.07.2024 um 13:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2024 um 13:55 Uhr
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Hiesige Anlegerinnen und Anleger horten sehr viel Bargeld.
Foto: keystone-sda.ch
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Reto Zanettin
Cash

Investoren mögen Bares. Gemäss Umfragen halten rund 70 Prozent der Privatinvestoren weltweit ihr Vermögen teilweise in bar, beispielsweise in Form eines Bankkontos. Nur die Hälfte legt das Geld am heimischen Aktienmarkt an, rund ein Drittel ist an internationalen Handelsplätzen aktiv. Aktuelle Umfragen zeigen überdies, dass Investoren aus manchen Ländern ihren Barmittelbestand sogar weiter erhöhen wollen.

Grund: Mancherorts haben die höheren Zinsen der letzten Jahre eine gewisse «Aktienaversion» wieder akzentuiert und Bares zu einer bevorzugten Anlageklasse gemacht. In den USA beispielsweise werfen Bankkonten bis zu fünf Prozent Zins ab, sie übertreffen damit die Inflationsrate.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Und in der Schweiz? Die Leute hierzulande sind regelrechte Aktienmuffel. Eine Rangliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt, dass Haushalte in der Schweiz nur gerade 13 Prozent des finanziellen Vermögens in Aktien investieren. Nur in Deutschland und in Japan liegt dieser Wert (ein wenig) tiefer. Zugleich haben zwei von drei Schweizerinnen und Schweizer Bargeld zu Hause, mehr als 80 Prozent besitzen ein Privat- oder Sparkonto.

Bargeld ist nicht so sicher, wie es scheint

Daniel Kalt, Chefökonom der UBS, ortet einen «zu hohen» Barmittelbestand als ein Problem der hiesigen Portfolios. Er schreibt: «Auch wenn hohe Bestände an Barmitteln vielen Anlegern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln – so sicher sind sie auch wieder nicht.»

Kalt rechnet vor, dass die reale Kaufkraft von 100 Schweizer Franken auf einem Sparkonto seit 2017 um rund sechs Prozent abgenommen hat. Das Vermögen auf den dürftig verzinsten Sparkonti ist unter Einbezug der Inflation während der vergangenen Jahre also geschrumpft. Die Lage dürfte sich auf absehbare Zeit nicht grundlegend ändern. Zwar ist die Inflation wieder gefallen. Doch auch die Zinsen auf Spareinlagen sind weiterhin tief oder sogar null.

Die Empfehlung des UBS-Chefökonomen lautet: «Halten Sie Barbestände auf einem vernünftigen, aber nicht übermässig hohen Niveau.» Aus Anlegersicht ist die Krux: Eine einfache Faustregel für den optimalen Barmittelbestand gibt es nicht. Seine Höhe hängt unter anderem vom Alter, vom Anlagehorizont, von der Risikotoleranz und vom Finanzbedarf für bald anstehende grössere Anschaffungen ab.

Wie viel Geld kann ich anlegen?

Einen Anhaltspunkt, wie viel Bares angemessen ist, liefert eine Musterkalkulation mit dem UBS-Liquiditätsrechner. Er arbeitet mit vier Grössen: der aktuellen Liquidität, also dem vorhandenen Bargeld und Kontoguthaben, den monatlichen Ausgaben, den eisernen Reserven und den geplanten Ausgaben während der kommenden fünf Jahre.

In der Musterrechnung werden die Ausgaben für drei Monate, die eiserne Reserve und die geplanten Ausgaben von der vorhandenen Liquidität abgezogen. Die Differenz entspricht der anlagefähigen Liquidität. Vier Beispiele:


BasisfallHöhere ReservenHöhere MonatsausgabenHöhere geplante Ausgaben
Aktuelle Liquidität100'000100'000100'000100'000
Ausgaben in drei Monaten15'00015'000 24'000 15'000
Eiserne Reserve20'000 30'000 20'00020'000
Geplante Ausgaben25'00025'00025'000 40'000
Empfohlene Liquidität 60'000 70'000 69'000 75'000
Anlagefähige Liquidität 40'000 30'000 31'000 25'000

Quelle: UBS (Angaben in CHF)

Im Basisfall bleibt ein Betrag von 40'000 Franken für Investitionen übrig. Dieser Betrag schmilzt, wenn die monatlichen Ausgaben, die eiserne Reserve oder die geplanten Ausgaben steigen. Und umgekehrt: Die anlagefähige Liquidität steigt, sobald zum Beispiel die Pläne für die kommenden fünf Jahre zurückgefahren werden.

Offen bleibt die Frage, in welche Anlagen der Restbetrag fliessen soll. Die UBS rät generell zu einem gut diversifizierten Portfolio. Es wird – neben Liquidität – Aktien, Anleihen sowie Rohstoffe oder Immobilien enthalten sowie unterschiedliche Sektoren und Weltregionen abbilden.

JP Morgan rät insbesondere zum Wiedereinstieg in Kernanleihen und Aktien. Die amerikanische Bank zeigt sich optimistisch, dass die Rallye an den Aktienmärkten trotz der kürzlich erreichten Hochs weitergehen wird. Denn in der Vergangenheit sei auf ein Allzeithoch oft ein neues Allzeithoch gefolgt. So betrachtet erscheinen Aktien als praktisch unumgänglich, wenn es darum geht, überschüssige Liquidität anzulegen. Allerdings gibt es auch relativierende Stimmen.

Langfristig bringen Aktien Gewinne

Mathias Binswanger, Ökonom der Fachhochschule Nordwestschweiz, sagt: «Fraglich ist, was ein zu hoher Barmittelbestand ist. Das ist ein persönlicher Entscheid. Risikoaverse Anleger fahren mit einem hohen Barbestand besser als mit Aktien – weil ihnen Sicherheit wichtiger ist als Rendite.»

Bei Aktien spielt der Zeithorizont eine wichtige Rolle: «Wer langfristig investiert, wird erfahrungsgemäss Gewinne erzielen. Kurzfristig können aber auch grosse Verluste entstehen.»

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Wer seit der Jahrtausendwende am Weltaktienmarkt investiert ist, hat bis dato eine Rendite von 150 Prozent erzielt. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten gab es aber auch längere Durststrecken: Zwischen 2003 und 2009, von 2007 bis 2016 und zwischen April 2021 und Anfang 2024 trat man praktisch auf der Stelle.

Kryptowährungen und Immobilien als Alternativen

«Anstelle von Aktien können Anleger ihr Geld in Gold, Kryptowährungen oder Immobilien investieren», sagt Binswanger. Damit öffnet sich für Anlegerinnen und Anleger ein weites Feld – neben Aktien können andere Anlageklassen interessant sein: Immobilien werden aufgrund der wieder sinkenden Zinsen attraktiver. Alternativen zum – für eine wachsende Zahl Privatpersonen zu teuren – Eigenheimerwerb sind Immobilienfonds. Die besten hatten über die letzten zehn Jahren Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich. Rücksetzer gab es aber auch, zum Beispiel im Jahr 2022.

Kryptowährungen wie Bitcoin haben im laufenden Jahr zwar Rückenwind erhalten, etwa durch die Zulassung von ETF in den USA. Erfahrungsgemäss sind Kryptowerte aber schwankungsanfällig.

Und was ist mit Gold?

Gold wirft zwar keine Dividende ab. Sein Preis hat sich seit der Jahrtausendwende aber von 280 auf 2350 Dollar erhöht – mehr als eine Verachtfachung. Nach Prognosen der UBS und von Goldman Sachs wird der Preis für das Edelmetall in den kommenden Monaten auf 2700 Dollar steigen.

Damit eignet sich Gold nicht nur zum Vermögenserhalt, sondern auch zu einer gewissen Vermögenswertsteigerung: Ein Goldpreisanstieg von 350 Dollar entspricht einem Zuwachs von rund 15 Prozent.

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