Auf einen Blick
- Vermieter locken mit Gratismieten, trotz Wohnungsmangel in Grossstädten
- Immobiliengesellschaften bevorzugen Gratismonate statt dauerhafter Mietsenkungen
- Durchschnittliche Mietverhältnisse dauern 72 Monate, Gratismonate sind günstiger für Eigentümer
Viele Wohnungssuchende wären schon froh, überhaupt eine Antwort auf eine Bewerbung für eine Bleibe zu erhalten. Dass man die Wohnung erhält und obendrauf noch ein paar Tausend Franken geschenkt kriegt – scheint geradezu absurd. Doch genau damit locken derzeit wieder Vermieter. Sie werben in ihren Wohnungsinseraten mit Gratis-Mieten. Wer einzieht, muss die ersten ein, zwei oder gar drei Monate keine Miete berappen.
Die meisten Angebote mit Gratis-Nettomieten sind in der Provinz zu finden. Vermieter setzen jedoch auch in Schweizer Grossstädten auf Lockvogelangebote – also dort, wo eigentlich Wohnungsmangel herrscht. Das wirft Fragen auf: «In der heutigen Zeit sind solche Angebote überraschend. Wenn jemand mit Gratismonaten wirbt, stimmt vielleicht mit der Wohnung etwas nicht. Ist die Lage nicht attraktiv oder die Miete zu teuer?», sagt Immobilienexperte Donato Scognamiglio zu Blick.
In ländlichen Gebieten besonders verbreitet
Blick hat mehrere Dutzend aktuelle Angebote mit Gratismieten auf Immobilienportalen entdeckt. So locken gerade in Peripherie-Gemeinden wie Langenthal BE, Laufen BL, Beringen SH, Arbon TG, Egnach TG, Gossau SG oder Huttwil BE mit ein, zwei oder drei Gratismonaten. Das sind Gemeinden, in denen relativ viele freie Wohnungen verfügbar sind. In Huttwil beträgt die Leerwohnungsquote nach wie vor hohe 3,52 Prozent. Bei einer zu geringen Nachfrage würde man erwarten, dass die Wohnungsmieten nach unten korrigieren. «Doch das will man als Immobilienbesitzer vermeiden. Sie offerieren lieber Gratismonate, als dass sie den Mietzins reduzieren», so Scognamiglio.
Die Rechnung ist simpel: Mietverhältnisse dauern im Durchschnitt etwa 7 Jahre, sprich 84 Monate. Da ist es für die Eigentümer günstiger, ein bis drei Monate gratis zu vergeben, statt die Miete dauerhaft zu senken. Eine entscheidende Rolle spielt hier auch der Wert der Liegenschaft. Spült sie weniger Mieteinnahmen in die Kassen, fällt die Bewertung für das Gebäude tiefer aus.
Gratismieten auch in Zürich und Basel
Huttwil hat bereits in der Vergangenheit mit Geistersiedlungen für Schlagzeilen gesorgt, als in Zeiten der Negativzinsen enorm viel gebaut wurde. Daraufhin haben viele Immobiliengesellschaften Ende der 2010er-Jahre nur so mit Lockvogelangeboten um sich geworfen. Die Leerstände stiegen bis zum Höchststand im Jahr 2020 an. «Da waren Mieter plötzlich an vielen Orten in einer starken Verhandlungsposition: Vermieter lockten sie mit vergünstigten Anfangsmieten und Extras wie einem Staubsauger», so Scognamiglio.
Vermieter verschenken auch im urbanen Gebiet Monatsmieten. In der Stadt Biel BE mit ihren rund 56'000 Einwohnerinnen und Einwohnern entfallen bei mehreren Wohnungen die ersten zwei Monatsmieten. «Beim Wohnungsbestand in Biel besteht Nachholbedarf. Viele Gebäude sind in die Jahre gekommen. Sind die Mieten im Verhältnis zum Standard zu teuer, wird es schwierig, Bewohner zu finden», so Scognamiglio. In Biel liegt die Leerstandsquote zudem bei 1,7 Prozent.
In Städten mit sehr tiefen Leerständen werben Vermieter ebenfalls mit einem Gratismonat. Ein paar Beispiele: Eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit 76 Quadratmeter für 2070 Franken pro Monat in Basel. Eine Altbauwohnung in Winterthur ZH mit 4,5 Zimmern ohne Grössenangabe für 2940 Franken. Eine 2-Zimmer-Wohnung mit 66 Quadratmeter für 2420 Franken in Zürich.
Verwaltungen nehmen Stellung
Blick wollte von Immobilienverwaltungen wissen, was sie zu Scognamiglios Einschätzung sagen, dass Wohnungen, die mit Gratismieten beworben werden, schlicht zu teuer sind. So lockt die Verwaltung Livit an der Eugen-Huber-Strasse in Zürich bei zwei Attikawohnungen mit einem Frühlingsspezial – ein Monat gratis. Die Bruttomiete der einen 3,5 Zimmer-Wohnung beträgt 3440 Franken für 87 Quadratmeter. «Bei der genannten Aktion handelt es sich um eine verkaufsfördernde Massnahme», so die Antwort. An der Lage liessen sich Wohnungen grundsätzlich gut vermieten. «Eine Ausnahme bilden die beiden Attikawohnungen, die aufgrund ihres höheren Mietpreises eine spezifischere Zielgruppe ansprechen.» Die Mieten seien jedoch marktüblich.
Die Baloise setzt als Eigentümerin in Laufen auf Gratismieten und spricht ebenfalls von einem «Marketinginstrument», um Mieter für einen Einzug «zu motivieren». Aufgrund der erhöhten Neubautätigkeit in der Gemeinde gebe es derzeit ein leichtes Überangebot im Ort. Der Nettomietzins der Wohnungen liege jedoch im 50-Prozent-Benchmark und sei daher «sehr attraktiv».
Immer führen die Gratismieten jedoch nicht zum Erfolg, wie die erwähnte Altbauwohnung in Winterthur zeigt. Vor gut einer Woche war diese noch für 2990 Franken pro Monat ausgeschrieben – jetzt sind es 50 Franken weniger.