Auf einen Blick
- Sulzer-Aktien steigen, während Stimmung bei etlichen Mitarbeitenden sinkt
- Angestellte berichten von Angstkultur, Kontrollgängen durch Büros und Kündigungen
- Sulzer weist die Vorwürfe zurück
Für die Aktionäre von Sulzer läuft es wie geschmiert. Seit Suzanne Thoma (63) den Winterthurer Industriekonzern mit seinen 13'455 Mitarbeitenden weltweit führt, hat sich der Aktienkurs auf ein Rekordhoch mehr als verdoppelt. Doch während die Börse jubelt, scheint die Stimmung bei etlichen der rund 600 Schweizer Mitarbeitenden in den Keller gesunken zu sein.
Dass Thoma die Angestellten aus dem Homeoffice ins Büro zurückpfeifen liess, wie Blick bekannt machte, brachte das Fass zum Überlaufen. Und die Sulzer-Chefin damit ungewollt in eine Debatte der breiten Öffentlichkeit. Mehrere aktive und ehemalige Sulzer-Angestellte meldeten sich bei Blick – von der Basis bis zum obersten Kader. Zusammen mit diversen internen Unterlagen, die der Redaktion zugespielt wurden, kommt eine Arbeitskultur zum Vorschein, die Fragen aufwirft.
Hinter dieser stehe vor allem die Vorzeigechefin der Schweizer Wirtschaft, berichten Betroffene. Weil sie noch im Unternehmen arbeiten, möchten sie anonym bleiben. Suzanne Thoma führe in ihrer Doppelrolle – CEO und Verwaltungsratspräsidentin – den Konzern mit eiserner Faust, finden viele.
Zu Beginn der neuen Büro-Anwesenheitsregel habe Thoma persönlich regelmässig Kontrollgänge durch die Winterthurer Büros gemacht, wird berichtet. In der oberen Chef-Etage herrsche dagegen oft gähnende Leere. Das sorgt für Zwietracht am Firmensitz. Und führte dazu, dass seit September gemäss Mitarbeitenden offenbar mehr Angestellte als üblich kündigen. «Ich kann mir das nicht mehr anschauen», so eine interne Quelle, die seit Jahren für Sulzer arbeitet, stellvertretend für andere Betroffene.
«Es herrscht eine Angstkultur», so eine weitere Person, die ebenfalls noch im Unternehmen arbeitet. Sie spricht von einer vergifteten Atmosphäre ohne gegenseitigen Respekt – niemand getraue sich mehr, seine Meinung zu sagen. Von der einstigen entspannten Du-Kultur sei seit Thomas Amtsantritt nicht mehr viel zu spüren.
Teilzeit? Bitte nicht!
«In den oberen Management-Stufen ist man zum Teil der Ansicht, dass Mutterschaft, Ferien und Absenzen geschäftsschädigend sind», sagt eine Mitarbeiterin. Es werde zum Teil ungern gesehen, wenn jemand zwei Wochen Ferien am Stück beziehe – dabei ist dies gesetzlich einmal pro Jahr Pflicht.
Mitarbeitende berichten, die Führung um Thoma habe auch wenig Gefallen an Teilzeitarbeit. Wer nicht 100 Prozent arbeite, würde gerne mal zu hören bekommen, nicht die «nötige Motivation» an den Tag zu legen. Das sei ein weiterer Grund für aktuelle Kündigungen.
Ältere Angestellte könnten sich gemäss internen Quellen noch weniger erlauben. Langjährige Mitarbeitende würden kurz vor der Pension vor die Tür gestellt werden – mit «lausigem» Sozialplan, heisst es. «Man nimmt keine Rücksicht auf sie – auch wenn sie mehrere Jahrzehnte für Sulzer gearbeitet haben», so eine Angestellte. Sulzer bestreitet sämtliche Vorwürfe der Betroffenen, Chefin Suzanne Thoma wollte über diese im Speziellen nicht mit Blick sprechen.
Blick hat Sulzer mit den Vorwürfen und Aussagen der aktiven und ehemaligen Angestellten konfrontiert. Der Konzern weist die Vorwürfe konsequent zurück. Man sehe keine erhöhte Kündigungsrate. «Im Gegenteil – bei Sulzer ist die Kündigungsrate zurückgegangen.» Zudem würden für die oberen Managementstufen die gleichen Regelungen bezüglich Homeoffice gelten. Da der Kader jedoch oft reisen würde, könnte der Eindruck entstehen, dass diese Angestellten öfter im Homeoffice sind. Die Büro-Pflicht werde zudem nicht systematisch kontrolliert – allenfalls mit Stichproben. Zudem biete Sulzer, wo möglich und sinnvoll, Teilzeit an. Als Industrieunternehmen arbeiten über 80 Prozent der Mitarbeitenden in der Produktion. Abhängig von den Abläufen und Prozessen sei für gewisse Funktionen Teilzeitarbeit deshalb nicht immer möglich.
Die Medienstelle betont zudem, dass Sulzer bewusst auch «ältere» Mitarbeitende anstellt, auch Personen über 60 Jahre. 30 Prozent der Belegschaft seien über 50 Jahre alt. «Ihre Erfahrung wird sehr geschätzt.» Zu Entlassungen komme es nur aus schwerwiegenden Gründen – sie seien dementsprechend selten. Zum Sozialplan äusserte sich Sulzer nicht.
Das Reglement für Geschäftsreisen sei zudem seit vielen Jahren dasselbe: Die Geschäftsleitung fliegt Business Class. «First Class wird nur in wenigen, begründeten Einzelfällen gebucht.»
Sulzer bestätigt, dass Michael Schüepp als Head of Ventures an Chefin Suzanne Thoma berichtet und mit der Entwicklung neuer Tochtergesellschaften mandatiert ist. Neben seiner Tätigkeit für Sulzer sei er weiterhin als unabhängiger Berater tätig.
Der Konzern erklärt zudem, dass der Entscheid zur Einführung des Doppelamts vom Verwaltungsrat getroffen und durch die Generalversammlung der Aktionäre bestätigt wurde: «Beide Gremien kamen zum Schluss, dass das Doppelmandat im Interesse des Unternehmens ist. Die positive Entwicklung von Sulzer seit der Einführung des Doppelamts hat dies bestätigt.»
Blick hat Sulzer mit den Vorwürfen und Aussagen der aktiven und ehemaligen Angestellten konfrontiert. Der Konzern weist die Vorwürfe konsequent zurück. Man sehe keine erhöhte Kündigungsrate. «Im Gegenteil – bei Sulzer ist die Kündigungsrate zurückgegangen.» Zudem würden für die oberen Managementstufen die gleichen Regelungen bezüglich Homeoffice gelten. Da der Kader jedoch oft reisen würde, könnte der Eindruck entstehen, dass diese Angestellten öfter im Homeoffice sind. Die Büro-Pflicht werde zudem nicht systematisch kontrolliert – allenfalls mit Stichproben. Zudem biete Sulzer, wo möglich und sinnvoll, Teilzeit an. Als Industrieunternehmen arbeiten über 80 Prozent der Mitarbeitenden in der Produktion. Abhängig von den Abläufen und Prozessen sei für gewisse Funktionen Teilzeitarbeit deshalb nicht immer möglich.
Die Medienstelle betont zudem, dass Sulzer bewusst auch «ältere» Mitarbeitende anstellt, auch Personen über 60 Jahre. 30 Prozent der Belegschaft seien über 50 Jahre alt. «Ihre Erfahrung wird sehr geschätzt.» Zu Entlassungen komme es nur aus schwerwiegenden Gründen – sie seien dementsprechend selten. Zum Sozialplan äusserte sich Sulzer nicht.
Das Reglement für Geschäftsreisen sei zudem seit vielen Jahren dasselbe: Die Geschäftsleitung fliegt Business Class. «First Class wird nur in wenigen, begründeten Einzelfällen gebucht.»
Sulzer bestätigt, dass Michael Schüepp als Head of Ventures an Chefin Suzanne Thoma berichtet und mit der Entwicklung neuer Tochtergesellschaften mandatiert ist. Neben seiner Tätigkeit für Sulzer sei er weiterhin als unabhängiger Berater tätig.
Der Konzern erklärt zudem, dass der Entscheid zur Einführung des Doppelamts vom Verwaltungsrat getroffen und durch die Generalversammlung der Aktionäre bestätigt wurde: «Beide Gremien kamen zum Schluss, dass das Doppelmandat im Interesse des Unternehmens ist. Die positive Entwicklung von Sulzer seit der Einführung des Doppelamts hat dies bestätigt.»
Ein Hang zu Luxus
Gegenüber Blick betiteln Mitarbeitende Thoma zwar auch als «elegant, charmant und intelligent». Für andere wirkt sie «arrogant, hölzern und unnahbar». Wenn Thoma einen Raum betrete, falle die Temperatur um zwei Grad, sagt ein ehemaliger mittlerer Kader sarkastisch. «Mir wurde vorgeworfen, mein Gerechtigkeitssinn würde mich daran hindern, aufzusteigen», sagt eine Angestellte zur Gangart der Chefin.
Was bei einem Teil des Personals schlecht ankommt: Thomas mutmasslicher Hang zu Luxus. Als Beispiele nennen Angestellte, dass die Chefin als Erstes die Regeln für Geschäftsreisen anpassen liess – damit sie auch First Class fliegen könne. «Für Thoma werden keine Kosten gescheut», so ein ehemaliger Angestellter.
Thoma wurde im April 2022 Sulzer-Präsidentin, im Herbst dann auch CEO. Die Doppelrolle lancierte Thoma mit der Begründung, die Geschäftsleitung müsse enger mit dem Verwaltungsrat zusammenarbeiten. Ob die Forderung dazu direkt von Viktor Vekselberg (67) kommt? Schliesslich hält der russische Oligarch mit seiner Renova-Gruppe 49 Prozent an Sulzer.
Die Organisation Actares, die Aktionärinnen und Aktionäre vertritt, lehnt eine Doppelrolle in der Unternehmensführung grundsätzlich ab: «Der Verwaltungsrat muss seine Kontrollfunktion unabhängig von den Interessen der Geschäftsführung wahrnehmen können.»
Vor Sulzer war Thoma von 2019 bis 2022 Verwaltungsrätin bei OC Oerlikon, wo auch Vekselberg Grossaktionär ist. Bei Oerlikon führt Michael Süss (60) seit Juli 2022 den Industriekonzern ebenfalls in der Doppelrolle.
Geschäftsleitung auf den Kopf gestellt
Mit Thoma an der Sulzer-Spitze kam es zu Management-Abgängen. Einige Kader gingen freiwillig – weil sie nicht mehr hinter ihrer Arbeit stehen konnten. Andere seien gegangen worden – weil sie nicht nach Thomas Pfeife tanzen wollten, wie es heisst. «Entweder man macht bedingungslos mit und stellt keine Fragen – oder man kann gehen», so ein ehemaliges Kadermitglied. Auffällig hier: Thoma scheint Kader ihres Berner Ex-Arbeitgebers BKW – in den Bereichen Energie, Gebäude und Infrastruktur tätig – um sich zu scharen.
Teil der erweiterten Geschäftsleitung (GL) ist etwa Michael Schüepp (62). Er ist seit Oktober 2022 Head of Ventures bei Sulzer. Zuvor war er seit 2015 beim Energiekonzern BKW tätig, wo Thoma zu dieser Zeit CEO war. Obwohl Schüepp Teil der GL ist, hat er nur einen Mandatsvertrag als Berater, was viele intern nicht wissen. Er verdient damit bis zu 600'000 Franken pro Jahr, wie Unterlagen zeigen, die Blick vorliegen. Damit verdient Schüepp wohl überdurchschnittlich gut im Verhältnis zu seinen GL-Kollegen. Die sechsköpfige GL erhielt laut Vergütungsbericht 2024 ein Basissalär von insgesamt 3,4 Millionen Franken. 1,05 Millionen davon gingen an Thoma – exklusiv Boni.
Was Schüepp für sein Honorar genau leistet, wisse kaum jemand im Unternehmen, so Insider. Schüepp werde firmenintern auch «das Phantom» genannt, weil er dermassen selten im Büro anzutreffen sei.
Seit März 2025 besetzt mit Mathias Prüssing ein weiterer Ex-BKW-Topkader eine Schlüsselposition: Er hat die Leitung der grössten Sulzer-Division Flow übernommen, die auf Pumpen spezialisiert ist. Mit der Beförderung von Prüssing sitzen nun drei Ex-BKW-Topkader in der erweiterten, neunköpfigen GL von Sulzer.
Eben hat Sulzer mit den Geschäftszahlen die Erwartungen der Analysten voll erfüllt. Der Gewinn im Geschäftsjahr 2024 ging um 20 Prozent auf 265 Millionen Franken hoch, der Umsatz stieg auf 3,5 Milliarden Franken an. Lob gabs von aussen auch durch Finanzmedien, in TV-Talk-Sendungen ist Thoma begehrt. Doch den Draht zur Sulzer-Basis droht die mächtige Firmenchefin mit ihrer Gangart zu verlieren.