Auf einen Blick
Michael Süss ist nie um grosse Worte verlegen. Als er seinen Konzernchef in den Vorruhestand schickte und sich – neben seinem VR-Präsidium – auch noch zum CEO kürte, versprach er dem Publikum, dass er mit seiner Doppelfunktion «zusätzliche Agilität und Schnelligkeit» in der Umsetzung der Strategie schaffe. Das war im Frühling 2022.
Seit seiner unumschränkten Machtfülle im Tech-Konzern Oerlikon ist allerdings von Agilität und Schnelligkeit beim Restart der Firma herzlich wenig zu spüren. Abzulesen ist dies am Aktienkurs, der sich seit seiner Machtübernahme vor über drei Jahren fast halbierte. Heute, mit der Ankündigung des 4. Quartalsergebnisses, brach der Titel an der Börse erneut ein: um über 6 Prozent. Auf «ein lächerlich tiefes Niveau», was den Firmenwert in keiner Art reflektiere, meint Süss.
Auch weitere Kennziffern weisen nicht auf ein Durchstarten unter dem allmächtigen Süss hin. Der Umsatz schrumpft, der Auftragsbestand ebenfalls. Nur die operative Betriebsmarge auf Stufe Ebitda, die per Ende Jahr auf 16 Prozent zu liegen kommen soll, hätte sich seit 2022 um 1,4 Prozent erhöht. Der einzige Lichtblick im schrumpfenden Süss-Reich.
Sulzer ist gerade auf einem Hoch
Ganz anders beim zweiten Schweizer Industriekonzern, bei dem ebenfalls Viktor Vekselberg der Ankeraktionär ist. Es geht um Sulzer.
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Ein Vergleich Oerlikon versus Sulzer fällt für Süss wenig schmeichelhaft aus. Sulzer-Chefin Suzanne Thoma ist – wie Süss – seit 2022 im Doppelmandat im Amt. Unter Thoma hat sich der Aktienkurs fast verdoppelt. Der Umsatz stieg massiv, auch der Bestelleingang. Die Prognosen fürs ganze Geschäftsjahr 2024 hat sie eben erhöht.
Dieser Trend dürfte Vekselberg freuen, bei Oerlikon dagegen bleibt nur Frust. Eingreifen und den Präsidenten auswechseln kann er nicht, weil er nach der Sanktionierung durch die USA entmachtet ist.
Ärgern dürfte Vekselberg auch die Besoldung: Während Thoma für ihre Parforceleistung voriges Jahr 3,8 Millionen Franken kassierte, gönnte sich Süss für seine eher maue Leistung über 5 Millionen. Mit dieser Gage gehört er in die europäische Industrie-Topliga.
Aber bislang ohne den dazugehörigen Leistungsausweis. Zwar hat Süss in seiner Rolle als CEO und Präsident das Unternehmen durch eine transformative Phase geführt, es strategisch neu ausgerichtet und hat versucht, nachhaltig zu wachsen.
Erst kaufen, dann schrumpfen
So leitete Süss 2021 die Akquisition von Coeurdor, einem Anbieter von Komponenten für die Luxusgüterindustrie. Diese Übernahme ermöglichte Oerlikon den Einstieg in den schnell wachsenden Luxusmarkt und Synergien im Bereich Oberflächenlösungen. Der Kauf der Inglass-Gruppe stärkte Oerlikons Geschäft in der Polymerverarbeitung.
Doch nur zwei Jahre später musste er den Konzern bereits einer Schrumpfkur unterziehen, hin zu einem Pure-Player für Oberflächenlösungen. Das Geschäft mit Maschinen und Systemen für die Kunststoffverarbeitung für Textilien, den Automobilbau, Verpackungen und im Bauwesen sollte nicht mehr zum Kerngeschäft gehören.
Kurzum: Weniger Vliesstoffe und Chemiefasern stehen im Zentrum, dafür mehr Kompetenz in der Beschichtung von Werkzeugen und Industriebauteilen – vom Automobil über die Luftfahrt bis hin zu Luxusgütern und Medizintechnik.
OC Oerlikon: Kein Börsenstar
Die Aktionäre sollten es ihm danken, theoretisch. Denn schon bald gab es den nächsten Dämpfer. Der chinesische Markt schwächelte, der Schweizer Franken wertete auf. Der Umsatz von OC Oerlikon geriet unter Druck.
Süss musste die Kosten in den Griff bekommen und das Geschäft neu ausrichten. OC Oerlikon hat er damit vielleicht stabilisiert. Zum Börsenstar hat er die Firma nicht gemacht.