Die ehemalige Leiterin der US-Atomaufsicht, Kristin Svinicki (56), empfiehlt für die Schweizer Atomkraftwerke längere Laufzeiten. Sie hält eine Betriebsdauer von bis zu 80 Jahren für möglich. So lasse sich Zeit überbrücken, bis neue Kerntechnologien zur Verfügung stünden, sagt Svinicki im Interview mit der «NZZ am Sonntag». «Eure AKW sind geradezu jung», sagt die Expertin.
In den USA seien viele dieser Anlagen nach der Überprüfung der Aufsichtsbehörden weiter in Betrieb. «Wir sahen bei unseren Untersuchungen: Die Besitzer hatten die Anlagen gut gewartet und viel Technik erneuert. Und die Baumaterialien waren gut gealtert», sagt die 2021 abgelöste frühere Leiterin der amerikanischen Atomaufsichtsbehörde.
«Gehören zur neusten Generation»
«Wir kennen die Anlagen im Detail, weil der Prozess der Lizenzverlängerung strikt war. Ich kann darum mit Zuversicht sagen: Solch lange Laufzeiten für Kernkraftwerke sind möglich – auch für die Anlagen in der Schweiz», sagt sie der «NZZ am Sonntag».
Vor allem bei den Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt. Gösgen wurde 1979 in Betrieb genommen, Leibstadt im 1984. Das sei ein grosser Vorteil. «In den USA würden diese Kraftwerke damit zu unserer neuesten Generation gehören», sagt sie im Interview. Nicht zuletzt deshalb sei sie überzeugt, dass Schweizer Kernkraftwerke bis zu 80 Jahre werden laufen können.
Kernkraftwerk der Zukunft
In Amerika würden die Laufzeiten von AKW immer wieder verlängert, so Svinicki weiter. Seit Jahrzehnten gebe es praktisch keine neuen Anlagen. Kerntechnologie sei auch in Zukunft kein Tabu. Im Gegenteil. 70 Firmen, darunter, viele Start-ups, würden an den AKW der Zukunft arbeiten.
Hierzulande dürfen die AKW so lange in Betrieb sein, wie sie sicher sind. 2016 sagte das Volk aber Ja zu einem Bauverbot für neue Anlagen. Experten, Politik und Betreiber gingen danach davon aus, dass die bestehenden Anlagen nach 50 Jahren abgestellt werden. Die meisten Atomreaktoren waren für eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt worden. Mittlerweile rückt eine Betriebszeit von 60 Jahren in den Fokus. (pbe)