Es ist noch nicht einmal klar, wann die Schweiz über die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso abstimmt. Und doch ist die Vorlage bereits in aller Munde. Unternehmer Peter Spuhler (65) hat mit seiner Kritik an der Erbschaftssteuer-Initiative der Juso eine nationale Diskussion ausgelöst. Er denkt laut über einen Wegzug aus der Schweiz nach. Seine Nachkommen können unmöglich 1,5 bis 2 Milliarden Franken Steuern zahlen, wie die Initiative fordere, sagt der VR-Präsident von Stadler Rail.
Der Vorzeige-Unternehmer droht damit, seinen Wohnsitz ins Ausland zu verlegen – noch vor der Abstimmung. Zum Beispiel nach Österreich, das weder Vermögens- noch Erbschaftssteuern kennt. «Die Juso zwingt mich dazu», sagt Spuhler. Die «Bilanz» schätzt sein Vermögen auf 3,75 Milliarden, damit gehört er zu den reichsten Schweizern. Spuhler ist nicht der Einzige, der über einen Wegzug nachdenkt. Laut einer PWC-Studie prüft dies jeder zweite Patron.
«Extremer Angriff auf das Unternehmertum»
Nun legt der Unternehmer Giorgio Behr (76) nach – laut «Bilanz»-Ranking ist er 450 Millionen Franken schwer. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» äussert sich der Inhaber der BCC Group und langjährige Mäzen des Handball-Topvereins Kadetten Schaffhausen zur Juso-Initiative. Sie sei «eine abstruse Idee von wohlstandsverwöhnten Leuten und ein extremer Angriff auf das Unternehmertum». Die Schweiz schaffe sich damit nur ein neues Problem, statt bestehende zu lösen.
Behr führt aus: «Wenn ein Unternehmer nicht mehr in der Schweiz wohnt, braucht er auch nicht mehr unbedingt die Führung in der Schweiz.» Das gefährde ziemlich schnell die Arbeitsplätze in seinem Unternehmen. Der Schaffhauser stört sich am Geist der Initiative. «Sie schanzt den Unternehmern alles Üble zu, was in der Wirtschaftswelt allenfalls passiert. Dabei waren es nie Unternehmer, die für Skandale und Exzesse verantwortlich waren, sondern angestellte Chefmanager», sagt er.
«Überlege mir permanent, wie es weitergeht»
Behrs Frau ist Französin, er besitzt ein Haus in Frankreich. Liebäugelt er selbst mit einem Wegzug? «Das ist kein Thema für die Öffentlichkeit. Ich überlege mir natürlich permanent, wie es mit meinen Unternehmen weitergeht», sagt er. Denn für ihn ist klar: «Das Steuersystem in der Schweiz ist falsch aufgebaut. Die Schweiz kennt im Gegensatz zu den meisten Industrieländern eine Vermögenssteuer.»
Die Schweiz sei für Unternehmer steuerlich weniger attraktiv als die meisten anderen Länder. «Natürlich schaut ein Unternehmer nicht primär auf die Steuern, wie die Juso meinen, sondern auf anderes: auf das Arbeitsrecht, das Bildungssystem, die politische Sicherheit. Aber auch Unternehmer kennen eine Schmerzgrenze», so Behr weiter.
Behr fordert grossen Wurf
Für Behr ist deshalb klar: «Wir brauchen irgendwann den grossen Wurf: die Vermögenssteuer weg, dafür eine bescheidene Kapitalgewinnsteuer bei Beteiligungsverkäufen und eine bescheidene Erbschaftssteuer mit einem Aufschub für Familienunternehmer – alles auf kantonaler Ebene, nicht im Bund.» Kurzfristig verlangt er vom Bundesrat, dass dieser sehr schnell klarmache, wie er die Initiative im unwahrscheinlichen Fall einer Annahme umsetzen würde. «So könnte er vermeiden, dass Unternehmer sich auf den schlimmsten Fall vorbereiten und wegziehen.»
Mit ihrer Erbschaftssteuer-Initiative will die Juso Millionenerben stärker besteuern. Erbschaften bis zu 50 Millionen Franken sollen weiterhin steuerfrei bleiben. Aber alles, was diesen Betrag übersteigt, soll zur Hälfte an den Staat abgeführt werden – und «für sozial gerechte Klimaschutzmassnahmen und den ökologischen Umbau der Wirtschaft» eingesetzt werden, wie es im Initiativtext heisst.