Die Superreichen und die Steuern
«Milliardäre kommen heute deutlich besser weg als vor 30 Jahren»

In der Schweiz wurden Gewinn-, Vermögens- und Erbschaftssteuern in den vergangenen Jahrzehnten stark reduziert. Die radikale Juso-Initiative jedoch würde kaum dazu führen, dass Multimillionäre am Ende mehr abgeben. Das zeigen Untersuchungen aus dem Ausland.
Publiziert: 14.07.2024 um 16:26 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2024 um 16:37 Uhr
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Unternehmer Peter Spuhler überlegt sich den Wegzug aus der Schweiz.
Foto: keystone-sda.ch
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Sie ist noch weit weg, wird an der Urne keine Chance haben – bestimmt aber die Schlagzeilen: die Erbschaftssteuer-Initiative der Jungsozialisten. Wenn sie sich durchsetzen, werden Nachlässe über 50 Millionen Franken künftig zu 50 Prozent besteuert.

Die Vorlage hätte schwerwiegende Folgen für Firmen in Familienhand. Peter Spuhler (65), der Stadler Rail zum Milliardenkonzern aufgebaut hat, drohte deshalb in der «SonntagsZeitung» mit dem Wegzug aus der Schweiz. In der vergangenen Woche schlossen sich viele Unternehmer seiner Warnung an.

Superreiche sind mobil

Marius Brülhart (57), Wirtschaftsprofessor an der Universität Lausanne, hält das nicht nur für leere Drohungen: «Studien zeigen, dass hochvermögende Menschen und ihr Kapital sehr mobil sind.»

Ein US-Bundesstaat, der die Nachlassbesteuerung für diesen Personenkreis von 0 auf 17 Prozent erhöht habe, habe ein Drittel aller Milliardäre verloren. «Bei einer Erhöhung auf 50 Prozent dürfte die Abwanderungsquote noch deutlich höher sein.»

Brülhart, der sich seit Jahren mit der Verteilung von Wohlstand beschäftigt, hält die Juso-Initiative deshalb für «potenziell kontraproduktiv». Zugleich findet er richtig, dass die Eidgenossenschaft über die Besteuerung grosser Vermögen diskutiert: «Schliesslich ist es eine Tatsache, dass Milliardäre steuerlich in der Schweiz heute deutlich besser wegkommen als vor 30 Jahren.»

Marius Brülhart (57), Wirtschaftsprofessor an der Universität Lausanne, beschäftigt sich seit Jahren mit der Verteilung von Wohlstand.
Foto: Darrin Vanselow

«Race to the bottom»

Eine Erbschaftssteuer im einstelligen Bereich auch für direkte Nachkommen sei zu Beginn der 90er-Jahre in fast allen Kantonen Standard gewesen, sagt Brülhart. Heute aber gebe es praktisch nirgends mehr eine Besteuerung von erbenden Söhnen oder Töchtern.

Ein ähnliches «Race to the bottom», also einen Unterbietungswettlauf, hat auch bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen stattgefunden, wie Zahlen von KPMG zeigen. 2005 mussten Firmen auf einen Gewinn von 100 Millionen Franken im Schweizer Durchschnitt 22 Millionen an den Fiskus abliefern. Heute werden im Durchschnitt für den gleichen Gewinn nur noch 14,6 Millionen fällig. Das ist ein Drittel weniger – ein Segen für Unternehmer.

Moderate Steuer hätte grössere Wirkung

Die Besteuerung von Vermögen sei in den meisten Kantonen ebenfalls deutlich reduziert worden, sagt Brülhart. Alles in allem fände er es deshalb legitim, Millionennachlässe wieder etwas stärker zu besteuern, wenn der Staat zusätzliche Mittel braucht – allerdings in moderater Höhe.

«Eine Nachlassbesteuerung um die 10 Prozent wäre aus fiskalischer Sicht wohl am sinnvollsten», sagt der Ökonom. «Das wäre für die meisten Unternehmenserben verkraftbar und würde voraussichtlich kaum eine Abwanderungswelle lostreten.»

Brechstange wirkungslos

Von Ausnahmeregelungen für Unternehmen in Familienbesitz hält Brülhart nicht viel. Die Erfahrung anderer Länder zeige, dass die Erbschaftsbesteuerung dadurch viel bürokratischer würde und sich einfacher umgehen lasse.

In Deutschland zum Beispiel, wo Nachlässe über 26 Millionen Euro theoretisch mit 30 Prozent besteuert werden, sind die Fiskalerträge durch die Erbschaftssteuer eher bescheiden. Brülharts Erklärung: «Da gründen vermögende Menschen einfach Unternehmen – auch wenn es nur ein paar Leute sind, die das Familienvermögen anlegen und verwalten.»

Das Beispiel zeigt: Eine grössere Umverteilung von oben nach unten, von reich zu arm, lässt sich nicht mit der Brechstange erreichen.

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