Unpolitische Chefs am SEF?
«Politik ist sehr langsam, nicht immer lösungsorientiert»

Der Vorwurf steht im Raum: Die Wirtschaft engagiert sich zu wenig in der Politik. Was denken Wirtschaftsvertreter darüber? Die Antwort ist klar.
Publiziert: 07.06.2024 um 20:18 Uhr
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Martin Hirzel, Präsident Swissmem, sagt: «Die Chefs müssen hinstehen und sich erklären».
Foto: Philippe Rossier

Die Wirtschaft droht die Bevölkerung zu verlieren, die Skepsis ist gross. Müsste sich die Wirtschaft wieder mehr in der Politik einbringen, auch in ihrem eigenen Interesse, so der Tenor am Swiss Economic Forum (SEF) in Interlaken BE.

Für Swissmem-Präsident Martin Hirzel (54) ist die Antwort klar. «Wenn Schweizer Industriefirmen bessere Rahmenbedingungen wollen, dann müssen auch die CEOs hinstehen und sich erklären.» Sie als Verband übernehmen einen gewissen Teil der Öffentlichkeitsarbeit, aber ein CEO sei schlichtweg glaubwürdiger als ein Verbandspräsident.

Dass ihre Stimme als CEO mehr zählt, bestätigt CSS-Chefin Philomena Colatrella (55) – und ist auch der Grund, warum sie nicht in die Politik geht. «Der Perspektivenwechsel, die vermeintliche Kompetenz, die man uns attribuiert, weil wir in der Wirtschaft sind, hat ein stärkeres Gewicht.»

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«Politik ist sehr langsam, nicht immer lösungsorientiert und zu wenig pragmatisch»
CSS-Chefin Philomena Colatrella
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In einem Unternehmen kann die Krankenversicherin viel mehr erreichen, denn «Politik ist sehr langsam, nicht immer lösungsorientiert und zu wenig pragmatisch.» Die unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen stünden sich im Weg, es entstehe keine Verbindung.

Verzahnung von Politik und Wirtschaft

Dabei wäre es, in den Augen von Katja Berlinger (49), genau das, was es braucht. Die Mitgründerin von Swiss Medi Kids bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Gesundheit, Politik und Wirtschaft.

Sie fordert: «Es braucht eine bessere Verzahnung von Politik und Wirtschaft.» Denn aktuell gebe es viele wichtige Fragen zu beantworten. Suche die Politik Antworten, ohne die operativen Probleme zu kennen, birgt das Konfliktpotenzial.

Noch klarer wird der Westschweizer IT-Unternehmer Christophe Macherel (50): «Wir im Geschäft können nur das ausgeben, was wir verdienen. Dafür brauchen wir Aufträge, wir müssen Löhne bezahlen. Dieser Grundgedanke fehlt mir in der Politik.»

Vonseiten der Politik spürt er zusätzliche Kontrollen, zusätzliche Administration, zusätzliche Hürden und am Ende nur mehr Aufwand, aber null Ertrag. «Wir als Unternehmer müssen den Politiker aufzeigen, was wir im Alltag erleben, damit sie aufhören, in einer utopischen Welt zu leben.»

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«Ich finde es richtig, dass sich Wirtschaftsvertreter auf die Wirtschaft fokussieren. Und sich Politiker um die Politik kümmern»
Axa-CEO Fabrizio Petrillo
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Grundlage dafür sei Sachlichkeit. «Es ist Aufgabe der Wirtschaft, anhand der Fakten Zusammenhänge aufzuzeigen und Aufgabe der Politik, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen», so Axa-CEO Fabrizio Petrillo (54). Als einer der wenigen unterstützt er eine Trennung von Wirtschaft und Politik: «Ich finde es richtig, dass sich Wirtschaftsvertreter auf die Wirtschaft fokussieren. Und sich Politiker um die Politik kümmern.»

Kritik, Mut und Social Media

Hier stellt Flavio Lauener (33), CEO von Pure Funds, jedoch die Frage: «Ab wann ist man Politiker?» Wer als CEO über die Rahmenbedingungen klagt, muss selber einen Schritt machen. Dabei muss es nicht gleich die nationale Ebene sein. Teil einer Partei zu sein sei ein erster Schritt – nur: Wer sich exponiert, bietet Angriffsfläche.

«Wirtschaftsvertreter müssen sich eine dicke Haut zulegen», erklärt PWC-Chef Andreas Staubli (55). «Man muss lernen, damit umzugehen.» Er habe sich fürs Klima und für Net Zero eingesetzt, was nicht alle seine Kunden goutierten. Aber nur so komme man der Bevölkerung näher.

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