Ungerechte Staatsausgaben
Männer profitieren mehr von Steuergeldern als Frauen – wieso?

Öffentliche Gelder könnten gerechter für Männer und Frauen eingesetzt werden. Und so für mehr Gleichstellung sorgen. Das Ausland machts vor – Luzern lässt sich inspirieren.
Publiziert: 20.02.2025 um 12:12 Uhr
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Aktualisiert: 20.02.2025 um 12:19 Uhr
Heute profitieren Frauen oft weniger von öffentlichen Geldern als Männer.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Samantha Taylor
Samantha Taylor
Beobachter

Im Bundeshaus wurde im Dezember gefeilscht. Es ging um das Budget der Schweiz für 2025. Wer erhält wie viel Geld? Wie viel die Bauern, wie viel die Armee und wer auf wessen Kosten?

Einen Punkt aber diskutierte das Parlament nicht: den Effekt des Geldes auf die Gleichstellung der Geschlechter. Diese ist seit 1981 so in der Bundesverfassung verankert, bis heute aber nicht in allen Lebensbereichen realisiert.

Der Einfluss von Ausgaben

Gender-Budgeting nennt sich das Konzept. Es ist der Blick auf die Staatsausgaben durch die «Geschlechterbrille». Profitieren Männer und Frauen gleichermassen von diesen Geldern? Inwiefern tragen sie zur Gleichstellung bei?

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«Man betrachtet den Staatshaushalt als Hebel für Gleichstellung, sucht nach Missständen bei der Verteilung der Mittel und lenkt sie so, dass sie für Geschlechtergerechtigkeit sorgen», sagt die Ökonomin Katharina Mader zum Beobachter. Sie forscht an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema.

Heute profitieren Frauen oft weniger von öffentlichen Geldern, zeigen Berichte der OECD, des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen oder von UN Women. Ausgaben für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Arbeitsmarktpolitik, Bildung oder Rentensysteme sind eher auf männliche Bedürfnisse ausgerichtet.

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Frauen aber benötigen etwa wegen Schwangerschaften einen anderen Zugang zum Gesundheitswesen. Auch bei der externen Kinderbetreuung oder bei der Altersvorsorge haben sie andere Bedürfnisse, da sie den Hauptteil der unbezahlten Familien- und Care-Arbeit übernehmen.

Inspirierende Projekte im Ausland

Was als Konzept abstrakt klingt, führt zu konkreten Ergebnissen. Die französische Stadt Rennes gestaltete im Zuge von Gender-Budgeting ihre Schulhöfe um – mehr Grün, weniger Fussballkäfige –, damit die Plätze für Buben und Mädchen attraktiv sind.

In Bordeaux bemerkte man, dass Skateparks oder Outdoor-Fitnessplätze zu 80 Prozent von Männern genutzt werden, und reservierte deshalb Zeiten exklusiv für Frauen.

Die deutsche Stadt Freiburg erweiterte ihr Bibliothekssortiment, damit Buben mehr Bücher ausleihen. Und auch bei Themen wie Verkehr oder Sicherheit gibt es einen Geschlechteraspekt, wenn es darum geht, wo das Geld eingesetzt wird. Die richtige Strassenbeleuchtung etwa ist für das Sicherheitsgefühl der Frauen wichtiger, ebenso Barrierefreiheit im Bus oder auf Gehwegen, da sie häufiger mit Kinderwagen unterwegs sind.

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Plötzlich gehen mehr Frauen arbeiten

Dass dieser spezifische Blick etwas ändert, zeigt ein Bericht des Internationalen Währungsfonds am Beispiel von Andalusien. Nachdem die spanische Region 2003 Gender-Budgeting eingeführt hatte, wuchs das Angebot für Kinderbetreuung, und die Erwerbstätigkeit von Frauen stieg signifikant. Auch verfügt Andalusien über mehr Hilfsprojekte für Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, als andere spanische Regionen. 

Entwickelt wurde Gender-Budgeting Mitte der 1980er-Jahre in Australien. Heute betreiben 23 von 38 Mitgliedsstaaten der OECD diese Haushaltsführung in einer Form, darunter Belgien, Schweden und Frankreich.

Nicht aber die Schweiz. Zwar gab es vor 20 Jahren in der Stadt Zürich und in Basel-Stadt vereinzelte Bemühungen in diese Richtung, sie kamen aber bald zum Stillstand. Aktuell steht das Thema weder auf Bundesebene noch bei den Kantonen im Fokus.

Der Blick nach Luzern

Eine Ausnahme aber gibt es: Die Stadt Luzern analysierte 2024 die Staatsausgaben, nachdem das Parlament sie mittels Vorstoss dazu aufgefordert hatte. Demnach halten sich in Luzern die Ausgaben für Frauen und Männer insgesamt praktisch die Waage.

Trotzdem ist die Stadt für Ökonomin Mader noch kein leuchtendes Beispiel: «Luzern hat das Geld weder bewusst verteilt noch gezielt für Gleichstellung eingesetzt.» Eine Analyse der Geldflüsse sage noch nichts über die Wirkung der eingesetzten Mittel aus.

So kommt die Fifty-fifty-Verteilung in Luzern auch darum zustande, weil Frauen mehr Ergänzungsleistungen erhalten und häufiger in Alters- und Pflegeheimen leben. Diese Ausgaben haben wenig mit Gleichstellungsbemühungen zu tun, denn Frauen beziehen deshalb mehr Ergänzungsleistungen, weil ihre Renten kleiner sind, sie länger leben und seltener zu Hause gepflegt werden.

Erst analysieren, dann umsetzen

Die eigentliche Arbeit beginne erst nach der Analyse, sagt Ökonomin Mader: Lücken finden, Gleichstellungsziele definieren, Gelder in diese Richtung lenken. Ein Ziel könnte lauten: die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen fördern. «Dann müssten alle Bereiche prüfen, was sie zur Erreichung beitragen können. Zum Beispiel durch mehr Subventionen für Kitas, Vaterschaftsurlaub, den Ausbau von Pflegeeinrichtungen oder Finanzbildungsprogramme an Schulen.»

Dass man in Luzern in Sachen Gender-Budgeting noch nicht am Ziel ist, finden auch SP-Stadtparlamentarierin Regula Müller und ihre Kolleginnen, die den Vorstoss eingereicht haben. Obwohl die Regierung das Thema abhaken will, haben sie bereits den nächsten Vorstoss eingereicht. Ihre Forderung: regelmässige Analysen und konkrete Massnahmen.

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