Bei der Medienkonferenz am Sonntagabend zur Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS wirkten die Beteiligten teils ausgelaugt, als stünden sie neben sich. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie zuvor tage- und nächtelang um die Zukunft des Schweizer Bankenplatzes gerungen hatten.
Die britische «Financial Times» zeichnet die letzten Tage der CS nun im Detail nach. Der Artikel, unterfüttert mit Insider-Informationen diverser hochrangiger Beteiligter, liest sich wie ein Krimi.
Die Hauptfiguren: UBS-Präsident Colm Kelleher (65). Der Ire hatte sich eigentlich auf ein fröhliches St. Patrick's-Day-Wochenende eingestellt. Dann CS-Präsident Axel Lehmann (64) und der Schweizer Staat, vertreten durch Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59), die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter Thomas Jordan (60) sowie die Finanzmarktaufsicht (Finma) unter Marlene Amstad (55). Die «Financial Times» nennt die Vertretung des Schweizer Staates «Dreifaltigkeit», in Anspielung auf die Bibel.
Deal war nicht nur eine Option
Axel Lehmann sei am vergangenen Mittwoch von der Dreifaltigkeit zitiert worden. Schon damals hätten KKS und ihre Mitstreiter dem CS-Präsidenten eine klare Ansage gemacht: «Ihr werdet mit der UBS fusionieren. Das ist nicht optional.»
Dass aus seinem St. Patricks-Wochenende nichts wird, wusste Kelleher spätestens am Donnerstag. Das Telefon des UBS-Präsidenten klingelte gemäss Informationen der «Financial Time» um 16 Uhr. Am Draht war die Dreifaltigkeit. Nun lag es an der UBS, eine Lösung zu finden, um den angeschlagenen Konkurrenten zu retten.
Die UBS dachte aber wohl nicht daran, die Credit Suisse miteinzubeziehen. Im Gegenteil: Man liess die CS-Kollegen komplett im Ungewissen.
Auch sonst gab es Ärger bei der Kommunikation. Die UBS kämpfte mit IT-Problemen. E-Mails hatten länger als üblich, bis sie schlussendlich beim Empfänger ankamen. Laut verzweifelten Vorgesetzten sollte man lieber zum Telefon greifen, heisst es in dem Bericht.
Lehmann schnappt sich Stift und Papier
Irgendwann hatte der CS-VR-Präsident Lehmann die Nase voll. Anstatt zum Hörer griff er am Samstagabend zu Stift und Papier. Ganz altmodisch schrieb er einen Brief an Kelleher und die Dreifaltigkeit.
Ausformuliert hat den Brief dann CS-Anwalt Markus Diethelm, der früher auch für die UBS tätig war. Die beiden Herren erklärten im Schreiben, weshalb die geplante «Transaktion» unakzeptabel sei. Unter anderem kam das Beharren der UBS auf eine Ausstiegsklausel bei der CS nicht gut an.
Der Brief enthielt gar eine Drohung: Die drei grössten Aktionäre der CS – zwei aus Saudi-Arabien und einer aus Katar – hätten ihr «extremes Unbehagen» ausgedrückt. Sie verlangten einen fairen Preis, eine Abstimmung über das Geschäft sowie die Streichung aller Ausstiegsklauseln. Zudem seien ja sowohl die Saudis als auch die Katarer Grosskunden beider Banken.
Anfangs hatte die UBS für die Übernahme eine Milliarde Dollar angeboten. Die CS lehnte das Angebot jedoch ab. Schlussendlich ging der Verkauf für 3,25 Milliarden Franken über die Runde. Dafür erhielt die UBS mehr Garantien vom Staat.
Damit hat die UBS immer noch ein Schnäppchen gemacht. Es war «ein Angebot, das wir nicht ablehnen konnten», wie jemand aus dem Verhandlungsteam gegenüber der «Financial Time» sagte.
Im Gegensatz dazu findet ein CS-Berater das Ergebnis «inakzeptabel und empörend». Es sei eine «völlige Missachtung der Corporate Governance und der Aktionärsrechte».
Kaum Gespräche von Angesicht zu Angesicht
Obwohl sich die Büros der Chefs der beiden Grossbanken auf dem Paradeplatz praktisch gegenüberliegen, haben sich beide Seiten kaum persönlich getroffen. Die meisten Meetings wurden über Zoom abgehalten.
Bei den Meetings arbeitete man mit Codenamen. Bei der UBS hiess die CS «Cedar», sich selbst nannte man «Ulmus». Die CS-Chefs gaben sich den Namen «Como», die UBS-Leitung war «Geneva».
Immerhin: Trotz des ganzen Trubels konnte sich Kelleher kurz über den Rugby-Sieg von Irland im Grand Slam freuen. Er durfte sich aber nur ein einziges Pint Guinness im James Joyce Pub in Zürich gönnen.