«Ein Telefonanruf nach 50 Jahren? Ich kann das einfach nicht verstehen!» René Lorenz (77) ist stinksauer, als er mit Blick spricht. Der Rentner meldet sich aus Paphos (Zypern), wo er mit seiner Frau die Pension geniesst. 2002 ist das Ehepaar ausgewandert und hat mit dem Geld in der Pensionskasse ein schönes Haus auf der Insel gebaut. Heute lebt das Ehepaar von der AHV, das Geld schickt Lorenz jeden Monat von seinem UBS-Konto nach Zypern.
Doch jetzt hat ihm die Grossbank mitgeteilt, dass sein Bankkonto geschlossen wird. Per Telefon. Nach über einem halben Jahrhundert Kundenbeziehung. Zwei Monate hat Lorenz nun Zeit, um sein Geld von der Bank abzuziehen, wie ihm sein langjähriger Kundenberater eröffnete.
Der Blick-Leser wird auf dem falschen Fuss erwischt. «Ich habe ihn noch nach einem Tipp gefragt, bei welcher Bank in der Schweiz ich denn ein Konto eröffnen könne. Doch das hat ihn nicht interessiert.» Sein Kundenberater sei kurz angebunden gewesen. «Er sagte mir, dass sein Auftrag sei, alle Schweizer Kunden mit Wohnsitz Zypern zu informieren, dass die Konten binnen 60 Tagen geschlossen werden.»
Eine Ausnahme gibt es aber: Wer eine Million Franken Vermögen auf der Bank hat, dürfe das Konto behalten. «Es trifft wieder einmal die kleinen Schweizer Sparer. Wir sind die Dummen und müssen uns nach einer Alternative umsehen», schliesst der Auslandschweizer daraus. «Warum ausgerechnet eine Schweizer Bank so mit ihren langjährigen Schweizer Kunden umspringt, kann ich mir nicht erklären.»
Zypern ist für UBS ein Risikoland
Als Blick die UBS damit konfrontiert, bestätigt die Grossbank die Anpassungen für Auslandschweizer auf Zypern: «Im Zuge der regelmässigen Überprüfung der Länderrisiken wurde das Risiko für Zypern angepasst. Dies hatte Auswirkungen auf eine kleine Anzahl von Kunden.» Man werde es aber nicht bei einem Telefonanruf belassen und die Kunden noch schriftlich informieren, verspricht die UBS.
Auf die Fragen, warum Zypern plötzlich auf die Liste der Risikoländer gesetzt worden ist und welche anderen Auslandschweizer in Zukunft betroffen sein könnten, wollte sich die UBS nicht äussern.
René Lorenz fordert Transparenz: «Warum ist Zypern auf die Liste der Risikoländer gesetzt worden? Diskriminiert die UBS jetzt EU-Länder? Das kann es doch nicht sein!»
Banken halten Versprechen nicht ein
Die Schweizer UBS-Kunden auf Zypern teilen ihr Schicksal mit Hunderttausenden Auslandschweizerinnen auf der ganzen Welt. Die «fünfte Schweiz» klagt seit Jahren über eine Diskriminierung von heimischen Banken, die die Kundenbeziehungen entweder ganz kündigen oder hohe Gebühren verlangen.
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«Wir haben auf dem politischen Weg nichts unversucht gelassen, um diese Problematik zu lösen. Leider ohne Erfolg», sagt Ariane Rustichelli (49), Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO). 2018 versuchten es Vertreter der ASO mit einem runden Tisch, an dem die Schweizer Banken zumindest ein transparentes Vorgehen versprochen hatten. Wie der aktuelle Fall auf Zypern zeigt, hält die UBS dieses Versprechen nicht ein.
Postfinance und CS mauern
Die Grossbank ist dabei nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Auf Blick-Anfrage mauert auch die Postfinance in dieser Thematik. Auslandsbeziehungen prüfte man im Einzelfall.
Können Postfinance-Kunden auf Zypern ihre Konten denn nun behalten? «Die Postfinance hat ihre Politik in Bezug auf Auslandschweizer in Zypern zurzeit nicht geändert», heisst es von der Medienstelle. Auch auf mehrfache Nachfrage klärt die Bank nicht auf, wie die «aktuelle Politik» aussieht und ob Auslandschweizer auf Zypern überhaupt ein Konto behalten können.
Gleiches bei der Credit Suisse (CS). Auf Anfrage will sich die Bank nicht zu diesem Thema äussern. Aus CS-nahen Quellen war zu erfahren, dass die Bank derzeit keine Änderungen für Auslandschweizer auf Zypern plant. Die CS-Kunden auf der Insel werden vorläufig verschont. Sobald die Bank aber vollständig in die UBS integriert ist, müssen auch sie mit der Schliessung ihres Kontos rechnen.
Rustichelli wusste nichts von den Kontoschliessungen auf Zypern. «Wir werden mit dem Ombudsmann und der UBS Kontakt aufnehmen, um die Angelegenheit zu klären», verspricht Rustichelli. Grosse Hoffnungen hegt sie aber nicht. Ein Fragebogen zum Thema, den die ASO im vergangenen Jahr an alle Schweizer Banken geschickt habe, sei nur von sechs Banken retourniert worden. Alle anderen gingen auf Tauchstation.
ZKB und BCG akzeptieren Auslandschweizer
Zwei kleine Erfolge konnte Rustichelli zuletzt verzeichnen. Die Genfer Kantonalbank (BCGE) und die Zürcher Kantonalbank (ZKB) sind eine Partnerschaft mit der ASO eingegangen. «Beide Banken verpflichten sich, Schweizer Kunden aus dem Ausland zu ähnlichen Bedingungen wie Schweizer im Inland zu akzeptieren.» Ausgenommen davon sind bei der BCGE Auslandschweizer in den USA und Kanada – aus Compliance-Gründen.
René Lorenz ist auch schon auf das Angebot der ZKB aufmerksam geworden. Er müsse nun unzählige Formulare ausfüllen und hoffe auf ein Happy End. Der Ärger über die UBS, der er mehr als ein halbes Leben lang die Treue gehalten hat, ist noch nicht verflogen. «Ich bin Rentner, mache keine Geschäfte in Zypern. Die hatten gar keine Arbeit mit mir!»