Ivan R.* kann eine eindrückliche Karriere auf dem Schweizer Finanzplatz vorweisen. Der Ü-50er arbeitet seit über einem Jahrzehnt in der Branche, aktuell als Manager in der IT-Abteilung der UBS. Davor war er für andere Banken und Versicherungskonzerne tätig, auch für die Credit Suisse. Trotz starkem Leistungsausweis: Ivan R. fürchtet um seinen Job.
Die Mega-Fusion am Paradeplatz sorgt nicht nur bei den CS-Angestellten für Job-Ängste. «Die Verunsicherung ist auch bei den UBS-Angestellten gross», bestätigt Natalia Ferrara (40), Geschäftsführerin des Schweizerischen Bankenpersonalverbands SBPV. Täglich erhält sie Dutzende E-Mails von verunsicherten Bankangestellten.
Wie viele Jobs durch die Übernahme verschwinden, ist noch unklar. Vor wenigen Tagen machte das Gerücht die Runde, dass 20 bis 30 Prozent aller Jobs abgebaut würden. Alleine in der Schweiz stehen demnach 11'000 Stellen auf der Kippe.
Sorgen bei Ü-50ern
UBS-Angestellte haben die besseren Karten als ihre Pendants bei der CS: Immerhin arbeiten sie für diejenige Bank, die bei der Übernahme den Takt vorgibt und weiterbesteht. Aber auch sie werden intern beweisen müssen, warum sie weiterhin die richtige Wahl sind. Gerade ältere Arbeitnehmende wie Ivan R. fürchten, durch jüngere CS-Kollegen ersetzt zu werden.
Aber nicht nur: «Ich sass kürzlich beim Mittagessen mit jüngeren, älteren, erfahrenen, weniger erfahrenen, externen und internen Angestellten», erzählt Ivan R. «Ausnahmslos alle machen sich Sorgen, den Job zu verlieren.»
Arbeitsplatz unter Aufsicht geräumt
Viele Bankangestellte haben schon Erfahrungen mit Massenentlassungen gemacht. «Einmal wurde bei uns 300 Leuten innert einer Woche gekündigt», erinnert sich R. Die Banken sind bei Entlassungen besonders rigoros: Wer die Kündigung erhält, wird in aller Regel vom Sicherheitspersonal an seinen Arbeitsplatz eskortiert, darf nur noch die persönlichen Habseligkeiten einpacken und muss das Feld danach sofort räumen. Die Banken wollen nicht riskieren, dass sensible Kundendaten durch frustrierte Mitarbeitende in die falschen Hände geraten.
«Wenn ich von meinem Chef eine Chat-Nachricht erhalte, in der steht: ‹Kommst du bitte kurz zu mir?›, habe ich schon Horrorvorstellungen», gibt Ivan R. zu.
Einstellungsstopp zugunsten des CS-Personals
Drei Wochen nach Bekanntgabe der CS-Übernahme klingt der erste Schock auf dem Bankenplatz langsam ab, beim Personal kehrt trotz Verunsicherung so etwas wie Alltag ein. «Ich hatte befürchtet, dass jetzt das grosse Ellbögeln losgeht», sagt Ivan R. «Das ist zum Glück bisher nicht passiert.» Vielmehr erlebt er intern grosse Solidarität – auch mit den CS-Angestellten.
Aus unterschiedlichen Abteilungen ist zu vernehmen, dass ein Einstellungsstopp herrsche. Freie Posten sollen mit CS-Mitarbeitenden besetzt werden, statt jetzt noch extern zu rekrutieren, heisst es. Der Einstellungsstopp gilt allerdings nicht konzernweit, wie ein Blick auf die UBS-Webseite zeigt: Rund 300 Stellen sind derzeit schweizweit ausgeschrieben.
Öffentlichkeit schaut mit Argusaugen hin
Trotz Job-Angst ist beim UBS-Personal aber auch Aufbruchstimmung zu spüren. Die Übernahme des CS-Personals sei eine Chance gegen den Fachkräftemangel, heisst es etwa. Bislang hatten die Banken Mühe, geeignetes Personal zu finden, mussten stark im Ausland rekrutieren.
Und Ivan R. hofft für seine berufliche Zukunft nicht zuletzt auf die Unterstützung der Öffentlichkeit: «Die UBS steht unter Beobachtung. Sie wird sich hüten, alle Über-55-Jährigen rauszuschmeissen.» Zu gross wäre die Empörung von Medien und Politik. Diese Woche trifft sich das Parlament in Bern zur ausserordentlichen Session über den Banken-Deal. Die Scheinwerfer sind damit umso mehr auf die UBS-Bosse gerichtet.
*Name geändert