Auch an Tag 3 nach dem grossen Banken-Beben ist im Zürcher Uetlihof, am Paradeplatz und den anderen Credit-Suisse-Standorten im Land alles andere als Normalität eingekehrt. «Die Leute stehen unter Schock, sie verstehen nicht, was mit ihnen passiert», erzählt der CS-Angestellte Jakob H.*.
Seinen Namen will er nicht in den Medien lesen, genau wie alle anderen Mitarbeitenden der gescheiterten Grossbank, mit denen Blick für diesen Bericht gesprochen hat. Die Jobangst unter den CS-Leuten ist sowieso schon riesig – da will man sich nicht noch selber auf den Schleudersitz setzen, indem man mit den Medien spricht.
Widersprüchliche Informationen
Von vielen CS-Angestellten ist zu hören, dass sie seit Montag Videocall um Videocall absitzen. «Townhall» nennt die Credit Suisse diese internen Mitarbeiter-Informationen. Die erste davon fand schon am Sonntagabend statt, als die Medienkonferenz von Bund und Bankspitzen zur Mega-Übernahme am Paradeplatz noch lief. CS-CEO Ulrich Körner (60) forderte das Personal dort unter anderem dazu auf, am Montag zur Arbeit zu erscheinen. Sie spielten bei der geregelten Übernahme in den kommenden Tagen und Wochen eine entscheidende Rolle.
Gut informiert fühlen sich viele CS-Angestellte trotzdem nicht. «Es wird nur wiederholt, was wir schon gehört haben», bemängelt Jakob H. «Wir kriegen überhaupt keine detaillierten Informationen.» Manchmal würden sich die internen Informationen sogar widersprechen.
CV wird aufgemöbelt
An geregeltes Arbeiten ist unter diesen Umständen nicht zu denken. Lohnt es sich überhaupt noch, diese Präsentation fertig zu stellen? Dieses Meeting aufzusetzen? «Es wird mehr Kaffee getrunken als gearbeitet», erzählt Tobias L.*, auch er ein hochrangiger CS-Mitarbeiter.
Mit Faulheit des CS-Personals hat das wenig zu tun. Viel eher mit Verunsicherung und Ungläubigkeit darüber, was gerade mit der Bank passiert.
Hie und da ist aber auch zu hören, dass die Loyalität mit dem Arbeitgeber nun vollends dahin sei: Das CS-Personal litt schon seit Monaten unter den wiederholten Fehltritten der Bank. Das endgültige Scheitern setzt dem nun das Sahnehäubchen auf. Eine Bankmitarbeiterin erzählt Blick, wie sie während der Arbeitszeit ihren Lebenslauf auf Vordermann bringt.
Banker warten Bonus ab
Wie viele Arbeitsplätze durch die Übernahme verloren gehen, ist noch offen. 17'000 Angestellte hat die Credit Suisse in der Schweiz, bei der UBS sind es 21'000. Redundanzen sind vorprogrammiert, es ist die Rede von rund 10'000 Stellen, die verschwinden könnten. «Mein Vorgesetzter und dessen Vorgesetzter sind schon entlassen worden», erzählt Jakob H. Dies im Zuge der Entlassungswelle, die die CS im Herbst angestossen hatte. «Ich könnte der Nächste sein.» Er hat bereits vor Monaten begonnen, sich nach neuen Stellen umzusehen. Auch Headhunter bestätigen, dass ihre Drähte heiss laufen.
Für gewöhnlich warten viele Banker den Bonus ab, bevor sie den Absprung machen. Diesen erhalten die CS-Mitarbeitenden voraussichtlich am Freitag ausbezahlt. Spätestens nächste Woche dürften die Kündigungen anziehen.
Besonders, weil der Schock der ersten Tage dann verflogen sein wird. Schon jetzt ist aus der Bank zu hören, dass man sich nicht vorstellen könne, wochen- oder gar monatelang unter diesen unsicheren Bedingungen weiterzuarbeiten. Wer kann, springt ab.
«Manager kommen ungeschoren davon»
Auch bei der UBS herrscht dieser Tage Verunsicherung. Denn der grosse Stellenabbau durch die Mega-Fusion wird nicht nur CS-Leute treffen – sondern teils auch ihre neuen Kolleginnen und Kollegen bei der UBS. Die UBS-Angestellten haben zwar die besseren Karten. Aber gerade ältere Arbeitnehmende befürchten, dass sie unter die Räder kommen könnten. Bankpersonalverband und Gewerkschaftsbund fordern denn auch einen Kündigungsschutz für betroffene Bankangestellte über 55.
Das vermag die Wut, die viele CS-Angestellte im Bauch haben, kaum zu mindern. «Das Management hat es hinbekommen, die Bank innert 15 Jahren zu ruinieren», echauffiert sich Tobias L., der schon seit Jahrzehnten für die Bank arbeitet. «Die Dummen sind jetzt die Mitarbeiter. Die Manager, die ihre Millionenboni abgestaubt haben, kommen ungeschoren davon.»
*Namen geändert