Im Winti Fit in Winterthur-Seen ZH läuft gerade ein Bauch-Beine-Po-Training. Ein gutes Dutzend Frauen und Männer schwitzt im Kursraum, gemeinsam mit einer Trainerin. Plötzlich steht die Polizei vor der Tür. Vier Beamte kontrollieren die Covid-Zertifikate aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie finden heraus: Nicht alle haben ein Zertifikat. Das Training wird unterbrochen. Eine Mitarbeiterin und eine Teilnehmerin werden mit je 100 Franken gebüsst. Dem Ostschweizer Fitnessfürsten, wie Tunç Karapalanci (50) auch genannt wird, drohen die Polizisten gar mit einer Busse von bis zu 10'000 Franken.
Karapalanci bestätigt gegenüber Blick, dass sich die Ereignisse am Dienstagmorgen wie beschrieben zugetragen haben. Er ist Inhaber des Winti Fit sowie acht weiterer Fitnesszentren in der ganzen Ostschweiz. «Sie haben uns behandelt wie Terroristen, es war unter aller Sau! Meine Angestellten fühlten sich von der Polizei gedemütigt und bedroht», wettert Karapalanci.
Ausnahme bei Gruppenkursen
Die gebüsste Fitnessinstruktorin Beatrice G.* (40) hat erst eine von zwei Impfdosen erhalten, besitzt daher noch kein gültiges Covid-Zertifikat. Dennoch war sie überzeugt, ihre Fitnessstunde leiten zu dürfen. Sie sagt zu Blick: «Die Polizisten haben mir dann gesagt, dass ich nicht arbeiten darf. Ich war richtig eingeschüchtert!»
Ihr Chef Karapalanci ist kein Verweigerer der Zertifikatspflicht. Er kontrolliert bei seinen Kunden seit Montag rigoros, ob sie geimpft, genesen oder getestet sind. Nur eben nicht in den Gruppenkursen. Er beruft sich auf das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dieses hält fest: «Die Zertifikatspflicht gilt nicht für beständige Gruppen von maximal 30 Personen, die in abgetrennten Räumlichkeiten regelmässig zusammen trainieren oder proben.»
Sein Bauch-Beine-Po-Kurs falle ebenso unter diese Ausnahme wie das wöchentliche Training des lokalen Fussballvereins oder das Treffen der Musikkapelle, findet Karapalanci. Im Vergleich zu früher können sich die Kunden in seinen Fitnesszentren nämlich nicht mehr für jeden beliebigen Kurs einschreiben. Seit dieser Woche gibt es fixe Gruppen.
«Keine gleich langen Spiesse!»
Karapalanci erhält dabei Rückendeckung vom Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verband (SFGV). Präsident Claude Ammann (53) ist über den Polizei-Aufmarsch in Winterthur erbost: «Es gibt diese Ausnahme. Und dann dürfen wir davon nicht Gebrauch machen, die Sportvereine aber schon? Das sind doch keine gleich langen Spiesse!»
Dumm nur, dass die Teilnehmer des Bauch-Beine-Po-Trainings im Winti Fit offenbar nicht wussten, dass sie nun eine beständige Gruppe sind. Wie fix diese aber tatsächlich war, wird nun untersucht. «Gespräche mit den Teilnehmern und den Instruktoren haben gezeigt: Es handelt sich um eine wechselnde Gruppe», argumentiert Michael Wirz, Sprecher der Stadtpolizei Winterthur.
Daher wäre auch ein Zertifikat zwingend gewesen, sagt Wirz. Die Kontrolle sei aufgrund eines Hinweises durchgeführt worden. Ob Karapalanci tatsächlich eine Busse von 10'000 Franken aufs Auge gedrückt kriegt, kann Wirz hingegen nicht sagen, weil das nun in der Hand des Statthalteramtes liege.
Karapalanci bleibt dabei. Er will weitermachen mit seinen zertifikatsfreien Gruppenkursen. «Wir sind im Recht!» Dass die Polizei vor Ort ein anderes Bild erhalten habe, liege lediglich daran, dass die Kursteilnehmer noch nicht über die neue Handhabung der Gruppenkurse Bescheid wüssten, so der Inhaber. Das habe er den Polizisten am Telefon zu erklären versucht – sei aber «mundtot» gemacht worden.
«Ziehe bis vor Bundesgericht»
Und auf wessen Seite stellt sich der Bund? Gruppen-Fitness-Kurse mit beständigen Gruppen können tatsächlich von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen, bestätigt das BAG gegenüber Blick.
Bleibt die Frage, ob das Bauch-Beine-Po-Grüppchen im Winti Fit eine beständige Gruppe ist oder nicht. Ja, argumentiert Karapalanci vehement. Und will dafür nötigenfalls grosse Geschütze auffahren. «Wir fordern die Behörden auf, die ungerechtfertigt erhobenen Bussen mit sofortiger Wirkung zurückzuziehen. Wir werden einen Anwalt einschalten. Ich bin bereit, bis vor Bundesgericht zu ziehen.»
*Name geändert