Mit Zöllen Produktion in die USA holen?
«Sollen Softwareingenieure Schuhe produzieren?»

US-Präsident Trump erschüttert die globale Wirtschaft mit Zöllen. Experten bezweifeln, dass sein Plan, die Produktion in die USA zurückzuholen, realistisch ist.
Publiziert: 07.04.2025 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2025 um 08:12 Uhr
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Donald Trump will mit hohen Zöllen gegen Handelspartner die Industrie zurück in die USA holen.
Foto: AFP

Darum gehts

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US-Präsident Donald Trump (78) reisst gerade die globale Wirtschaft aus ihren Fugen. Sein Zollhammer hat die Börsen auch am Montag weiter auf Talfahrt geschickt. In wenigen Tagen wurden Tausende Milliarden Franken an Börsenwert vernichtet. Trump wirft den Handelspartnern vor, die USA seit Jahrzehnten über den Tisch zu ziehen. Der Grund: Sie verkaufen viel mehr Waren in die USA, als sie von dort beziehen. Mit den hohen Importzöllen will er die Produktion von Autos, Medikamenten und vielen anderen Gütern in sein Land zurückholen. Das ist zumindest das, was er vordergründig sagt.

So wirklich abkaufen tun ihm das die wenigsten. «Trump wird kaum ernsthaft damit rechnen, dass nun zahlreiche Firmen ihre Produktion in die USA verlegen», sagt Ökonom Mathias Binswanger (62) zu Blick. Die Arbeitslosigkeit in den USA lag im März bei tiefen 4,2 Prozent. Für die grosse Reindustrialisierung fehlen die Arbeitskräfte. «Allein schon von der Anzahl her, aber es mangelt auch schlicht an Fachkräften in den Branchen, die nun in die USA kommen sollen», sagt Binswanger.

«Sollen Softwareingenieure jetzt Schuhe produzieren?»

Das grosse Wirtschaftswachstum in den USA fand in den letzten Jahrzehnten vor allem im Technologiesektor mit hoch bezahlten Jobs statt. «Sollen jetzt all die Softwareingenieure in den USA plötzlich Schuhe, Schokolade oder T-Shirts produzieren? Das macht doch überhaupt keinen Sinn», findet Ökonom Adriel Jost (39).

Der globale Handel beruht darauf, dass Länder auf ihre Stärken setzen. «Die USA haben in den letzten Jahren vieles richtig gemacht, stark in neue Technologien investiert. Das entspricht eher der Kultur und Mentalität der Amerikaner als die Wiederbelebung veralteter Industriezweige», so Jost weiter.

Fabrik auf die grüne Wiese

Der aktuelle Zollkrieg ist auch nicht vergleichbar mit Trumps erster Amtszeit. Damals wollte er der Stahl- und Aluminiumindustrie der USA mit Zöllen neuen Schub verleihen. «Mit Erfolg, die US-Produktion ist gestiegen», so Binswanger. Bei Stahl- und Aluminium konnten jedoch bestehende Konzerne ihre Kapazitäten hochfahren. «Über alle Industriesektoren neue Fabriken hochzuziehen, ist in einem vernünftigen Zeitraum völlig illusorisch.» Der Bau neuer Produktionsstandorte würde Jahre in Anspruch nehmen. 

60 Prozent der Schweizer Warenexporte in die USA entfallen auf die Pharmabranche. «Der grösste Teil davon kann unmöglich in die USA verschoben werden. Neben den Fachkräften setzt diese Produktion ein extremes Know-how voraus. Da kann man nicht einfach Fabriken auf die grüne Wiese stellen und loslegen», sagt Binswanger.

Standortattraktivität der USA leidet

Auch mit neuen Fabriken und den nötigen Spezialisten wäre Trumps Plan utopisch: «Es braucht zudem ein ganzes System an Zulieferfirmen. Das lässt sich nicht einfach über Nacht aus dem Hut zaubern», so Jost.

Einige Firmen dürften sich dennoch Gedanken machen, ist Binswanger überzeugt. «Konzernen mit hohen Produktionskosten könnten Trumps Zölle als Vorwand gelegen kommen, damit sie Fabriken in die USA verlegen können.» 

Andererseits dürften Trumps rasch wechselnde Laune und die grosse Unsicherheit abschrecken. «Schweizer Firmen sollten jetzt nicht voreilig handeln und müssen sich gut überlegen, ob sie Produktion und Wertschöpfung in ein Land verlagern wollen, das von Abschwung und Chaos bedroht ist», so Jost. 

Drohende Gefahr einer globalen Wirtschaftskrise

Trumps Zollpolitik hat bereits grossen Schaden angerichtet: Die US-Grossbank J. P. Morgan hat die Wahrscheinlichkeit für eine weltweite Wirtschaftskrise zuletzt von 40 auf 60 Prozent erhöht. «Ich hoffe sehr, dass der Narzissmus von Trump seine Zoll-Ideologie übertrumpft, wenn er sieht, dass das Land in eine Rezession steuert», sagt Jost. 

So weit muss es gemäss Binswanger aber nicht kommen. «Trump baut mit den Zöllen eine Drohkulisse auf, damit Regierungen zu Kreuze kriechen und den USA gute Deals anbieten.» Beispielsweise mit weiteren Direktinvestitionen in den USA.

Blickt man auf die Kapitalbilanz, investiert das Ausland bereits heute doppelt so viel in den USA im Vergleich zu US-Investitionen im Ausland. Dem vielen Geld verdanken es die USA, sich zu günstigen Konditionen verschulden zu können. Das geht so lange gut, wie die Zinsen tief bleiben.

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