Editorial zur Schweizer USA-Politik
Die Schweiz braucht endlich eine Aussenpolitik

Die Reaktion auf Donald Trumps Zollhammer offenbart ein beunruhigendes Mass an Planlosigkeit in Bundesbern. Dabei darf es auf keinen Fall bleiben.
Publiziert: 06.04.2025 um 09:07 Uhr
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Donald Trump bereitet der Schweiz Kopfschmerzen.
Foto: keystone-sda.ch
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Das Zürcher Kunsthaus stellt Werke von Roman Signer aus. Eines hat der Künstler «Kreis» genannt. Es besteht aus einer Pistole, die in ein kreisförmig gebogenes Metallrohr zielt – die Kugel würde den Schützen treffen.

Da kommt dem Betrachter – wer sonst in diesen Tagen? – unweigerlich Donald Trump mit seinen Zöllen in den Sinn, die er gegen die ganze Welt erheben will. Ob der US-Präsident damit tatsächlich wirtschaftspolitischen Selbstmord begehen wird, weiss niemand. Fakt ist, dass er auch die Schweiz ins Visier genommen hat – und zwar mit grösserem Kaliber als viele andere Länder: durch schwindelerregende 31 Prozent auf helvetische Exportgüter.

Resultat sind bislang eine Alpenrepublik in Schockstarre und eine Medienkonferenz des Bundesrats mit offen zur Schau gestellter Ratlosigkeit. Bitter muss die Nation zur Kenntnis nehmen, dass ihr Kaiser nackt dasteht, dass alles Beschwichtigen, alles gute Zureden der heimischen USA-Experten und Trump-Erklärer heisse Luft gewesen ist. Das Mantra von den transatlantischen «Special Relations» und das Gesülze über die beiden Schwesterrepubliken ist wie eine Seifenblase zerplatzt.

Heute wissen wir, dass die Schweiz von einer planlosen politischen Elite durch Raum und Zeit geführt wird. Das am Donnerstag wahr gewordene Szenario wurde offenbar nicht einmal in Erwägung gezogen. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin machten jedenfalls nicht den Anschein, Aussenminister Ignazio Cassis blieb gleich ganz in Deckung.

Vielleicht befördert die Ohrfeige aus Washington nun wenigstens die Einsicht, dass die Schweiz in diesen Dingen künftig nicht bloss Experten nötig hat, sondern Aussenpolitiker mit Sinn für Realismus.

In einem Interview antwortet der Künstler Roman Signer auf die Frage, ob er lieber mit Trump oder Putin im Lift stecken bleiben möchte: «Mit Putin, mit ihm kann man normal reden.» Die Schweiz braucht allerdings Aussenpolitiker, die auch mit Trump reden können. Undiplomatisch formuliert: Die Schweiz braucht endlich eine Aussenpolitik.

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