Corona hat die internationalen Lieferketten durcheinander gebracht, teilweise gar zerrissen. Denn auf den Weltmeeren sind Schiffscontainer Mangelware, hängen vor oder in den falschen Häfen fest. Die Folge: Es fehlen Chips für Laptops, Autos oder Smartphones. Selbst für Fahrräder sind Komponenten und Ersatzteile Mangelware. Und auch der Möbelriese Ikea musste sein Sortiment ausdünnen.
Bei all den Lieferengpässen erstaunt es, dass ein Produkt nicht Mangelware ist, das gerade Hochsaison hat: Winterreifen. Selbst der Wintereinbruch in den Alpen hat nicht zu langen Schlangen vor den Garagen und Pneuhäusern geführt.
Das könnte sich je nach Wetterlage allerdings noch ändern, sagt Garagist Christoph Keigel (63). «Zu Engpässen könnte es kommen, wenn es erstmals bis ins Flachland schneit. Dann wollen alle auf einmal neue Winterpneus, das könnte eng werden.»
Abgefahrene Winterreifen
Im Moment liegt die Schneefallgrenze bei 700 Metern. Es ist also noch kein «Schnee bis in die Niederungen» in Sicht. Beim Verband der Schweizer Garagenzulieferer geht man davon aus, dass sich durchaus noch Schlangen bilden könnten, wenn die grosse Kälte kommt: «Einige Händler haben offenbar knapp kalkuliert, müssen jetzt hoffen, dass sich die Nachfrage gut über die ganze Saison verteilt.»
Zudem gibt es ein weiteres Problem: Wegen des schlechten Sommers haben viele Autofahrer offenbar die Winterpneus gar nicht gewechselt. Für sie könnte es nun zu einem bösen Erwachen kommen. Sie haben das Profil ihrer Winterreifen über den Sommer abgefahren, brauchen nun möglicherweise einen Wechsel.
Doch selbst wenn alle gleichzeitig die Reifen wechseln wollen – es hat genug, sagt Keigel: «Nur bei einzelnen Pneudimensionen könnte es knapp werden. Bei gängigen Reifengrössen zeichnen sich noch keine Probleme ab.»
Das überrascht. Denn «viele Reifenhersteller hatten wegen Corona ihre Werke geschlossen. Das Hochfahren der Produktion passiert langsam und mit weniger Leuten», erklärt Bruno Duarte (39), Einkäufer beim Pneuhaus Frank, dem grössten privaten Pneuhändler in der Schweiz.
Porsche-Fahrer in der Klemme
Trotzdem beruhigt auch Duarte: «Für die allermeisten Autos haben wir Reifen auf Lager. Knapp könnte es höchstens bei speziellen Reifen für Sportwagen wie Porsche oder Lamborghini werden.» Duarte nennt dafür zwei Gründe: «Wir haben bereits vor einem Jahr mit dem Einkauf der Reifen für den Winter 2021/22 begonnen.»
Zudem beziehe die Firma die meisten Pneus aus Europa. Das sei nachhaltiger und spare Transportkosten. Und vor allem braucht es keine Kapazitäten auf den seit Monaten ausgebuchten Containerfrachtern. Der Winter kann also auch auf der Strasse kommen. (koh)