In den Städten werden selbst für Wohnungen mit wenig Zimmern hohe Mieten verlangt. Umso erstaunlicher ist es, dass der Anteil an Familien in Mietwohnungen in sieben der zehn grössten Schweizer Städte wächst. In Zürich etwa ist der Anteil an Familien auf knapp 20 Prozent gestiegen. Das heisst: In jeder fünften Wohnung lebt eine Familie. Das zeigt die neuste Immobilienstudie der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Auch andere Städte wie Luzern oder Basel erfreuen sich wieder grösserer Beliebtheit bei Familien. Umgekehrt muss eine Abnahme wie etwa in St. Gallen nicht heissen, dass die Stadt bei Familien verpönt wäre. Es hat einfach noch genügend bezahlbare Wohnungen im näheren Umland.
Kurze Wege und weniger Lärm
Warum sind die Städte so attraktiv, dass Familien hohe Mieten und kleine Flächen in Kauf nehmen? Ursina Kubli (43), Leiterin des Immobilienresearchs bei der ZKB und Mitverfasserin der Studie, sagt: «Es ist ein grosses Plus, wenn man die Kinder zu Fuss in die Kita bringen kann. Auf dem Land ist die nächste Kita manchmal 10 Kilometer entfernt.»
Die Stadt sei nicht mehr so lärmig und dreckig wie früher, darum wurde sie wieder attraktiv für Familien, denn «kurze Pendelzeiten bedeuten mehr Zeit für die Familie.»
Anders als in den Schweizer Zentren sieht es auf dem Land auf. Die kleine Gemeinde Seehof im Berner Jura bildet das Schlusslicht der Auswertung. Dort ist der Anteil an Familien seit 2014 um 18 Prozent zurückgegangen. Generell sind gut erschlossene Gebiete bei Familien gefragter als Orte, die nur schlecht erreichbar sind.
Immer mehr kleine Wohnungen
Ursina Kubli sagt zum Wachstum in den Städten: «Familien können sich den Traum von Wohneigentum auf dem Land immer seltener leisten, weshalb sie vermehrt in der Stadt wohnen bleiben.» In der Stadt ist der Wohnraum knapp und die Mieten hoch, weshalb Familien oft Wohnungen mieten, die nicht für alle Kinder ein eigenes Zimmer bieten. Immer mehr Kinder müssen sich deshalb ihr Zimmer mit einem Geschwister teilen.
Was auffällt: Die Zahl der neu gebauten grossen Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Dafür gibt es immer mehr neue 1- bis 3-Zimmer-Wohnungen. «Das widerspiegelt den Trend zur Individualisierung und Alterung der Bevölkerung: Die Nachfrage nach kleineren Wohnungen ist stark angestiegen», erklärt Robert Weinert (44), Immobilienexperte bei Wüst Partner.
Platzmangel im Kinderzimmer
Kommt dazu, dass die Rendite für die Investoren bei drei 2-Zimmer-Wohnungen wohl höher ausfällt als bei einer 6-Zimmer-Wohnung. Weinert ergänzt: «Kleinere Wohnungen werden vor allem dort gebaut, wo das Bauland knapp ist oder verdichtet gebaut wird.» Also in den Städten.
Eine Auswertung der Wohnsituation von Familien in den zehn grössten Schweizer Städten zeigt: Am wenigsten Zimmer pro Familie gibt es in Basel, Genf, Lausanne, Biel und Bern. Dort lebt jede dritte Familie mit mehr als zwei Kindern in einer Dreizimmerwohnung. In Zürich und Lugano ist es jede fünfte. Etwas weniger prekär ist die Situation in Winterthur, Luzern und St. Gallen, wo es noch rund jede zehnte Familie betrifft. Auf dem Land ist es gemäss Ursina Kubli umgekehrt: «Dort hat in der Regel jedes Kind mindestens ein Zimmer für sich.» Und erst noch einen Garten oder eine Grünfläche, um draussen zu spielen.
Mehr zum Thema Wohnungsnot