Es läuft nicht rund beim Schweizer Turnschuhhersteller On. Die Recherche des Konsumentenschutz-Magazins «K-Tipp» sorgt schweizweit für Schlagzeilen. Der Grund: Die Marke, bei der Roger Federer eine namhafte Beteiligung hält, streicht deutlich höhere Margen ein als die internationale Konkurrenz – und zahlt seinen vietnamesischen Produzenten die niedrigsten Löhne, so der Vorwurf.
Nun äussert auch ein Schweizer Turnschuh-Kenner fundamentale Kritik an der Marke. Guillaume Morand (60), genannt «Toto», gründete Ende 80er-Jahre einer der ersten auf Sneakers spezialisierte Läden in der Schweiz. Heute hat Pomp It Up sieben Filialen in der ganzen Schweiz, zum Beispiel in Basel, Zürich und Lausanne.
Blick: Sie schreiben auf Facebook, dass die Schuhe von On «viel zu teuer, von schlechter Qualität und dazu noch hässlich» seien. Können Sie das erklären?
Toto Morand: On-Schuhe wurden ursprünglich als Laufschuhe konzipiert. Die erste Zielgruppe als Verkaufskanal waren Fachgeschäfte wie Sporthändler. Der Erfolg im Lifestyle-Bereich hat die Gründer dann selbst überrascht. Die On-Schuhe wurden in der Schweiz schnell zu so einem Massenprodukt, damit waren sie für uns nicht mehr interessant. Wir bei Pomp It Up sind spezialisiert auf trendige, etwas exklusive Schuhe. Und ja: Wir haben unsere Meinung zu den Ons…
Welche?
Ich persönlich finde sie einfach nicht schön. Und die Preise waren für mich immer überhöht. Ein Paar kostet über 200 Franken. In der Branche fragen sich alle Experten, wie es möglich ist, so viel Geld für schlechte Schuhe mit so wenig Technologie zu verlangen. Aber der Erfolg ist gross.
Wie ist er zu erklären?
Es sind vor allem Menschen über 40 Jahre, die On zu ihren Lifestyle-Schuhen gemacht haben. Normalerweise zielen Turnschuh-Marken auf junge Kunden. On ist der Kultschuh der 50- bis 90-Jährigen, die ein bisschen Geld haben. Vor allem bei reichen Zürchern war der Erfolg gigantisch. Das ist nicht unsere Zielgruppe.
Werden sich die Enthüllung zu den Margen auf die Verkaufszahlen auswirken?
Wir werden sehen. Ich selbst würde nie ein Paar von ihnen anziehen. Alle meine Kollegen und Angestellten auch nicht, die Meinung bei uns ist einstimmig. Aber viele Leute denken, dass sie stylisch sind, wenn sie On tragen…
Was muss On aus Ihrer Sicht tun, um langfristig erfolgreich zu sein?
Die Marke hat sich in der Schweiz zu hochwertig positioniert. Sie haben versucht, ein Luxusprodukt aus den Schuhen zu machen. In Deutschland oder den USA sind sie viel billiger. Ein Beispiel: Das Modell «Roger» ist absolut schlecht. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass es 220 Franken kostet. Man hätte es für 140 Franken verkaufen müssen. Puma oder Adidas verfolgen diese Politik – und bei ihnen gibt es nur sehr wenige Rücksendungen fehlerhafter Schuhe. Bei On soll es eine ganze Menge geben. Zahlen dazu habe ich keine. Ich verkaufe sie nicht.
Doch international hat die Marke nach wie vor Erfolg!
Ihren heutigen Erfolg verdanken sie den USA, wo On ein Modeprodukt wurde. Im Geschäft mit Sneakers gibt es nur wenige Akteure. Das Schwierigste ist es, zu überleben. Ich bin kein Hellseher, aber wir werden sehen, ob On hier ist, um zu bleiben. Roger Federer spricht eher eine ältere Zielgruppe an. Mit einer sehr alten Kundschaft ist es schwer, bei den Jungen Fuss zu fassen. In unseren Geschäften gibt es jedenfalls keine Nachfrage nach On.
Auch Sie haben Probleme. Sie beklagen, dass es für kleine Händler wie Pomp It Up immer schwieriger wird, im Turnschuh-Markt zu bestehen. Wieso?
Das Umfeld ist seit dem Coronavirus sehr schwierig. Mein Laden ist ein Überlebender, der vielleicht verschwinden wird. Dieses Jahr ist entscheidend. Seit Juni 2022 beliefert uns Nike nicht mehr. Sie schliessen Verkaufsstellen, um den Online-Verkauf und multinationale Unternehmen wie Footlocker oder Snipes zu fördern. Wir müssen das mit anderen Marken kompensieren.
Es gibt also noch Hoffnung?
Die Hoffnung liegt bei Adidas-Sneakers, die wieder sehr beliebt sind. Ansonsten hätte ich die Läden schon längst schliessen müssen. Auch New Balance, Asics oder Salomon verkaufen sich bei den Trendsettern gut. Aber es ist überall das Gleiche im Einzelhandel: Grosse europäische Konzerne kaufen Schweizer Marken auf, auch im Bereich Kleidung und Möbel.