Johannes Peter (Name geändert) bekam ein Problem, von dem vermutlich viele Leute träumen: Ein Investment – über den genauen Charakter möchte er nicht sprechen – machte ihn auf einen Schlag reich, sehr reich – mit rund 20 Millionen Franken. «Auf einmal stellen sich ganz neue Fragen, zum Beispiel, wie ich den Reichtum beschütze», erzählt er. «Ich hatte aber Sorge, jemanden davon zu erzählen, denn dann kommen sofort die Banker.» Daher wissen selbst Peters Freunde bis heute nichts von seinem Wohlstand, er geht seinem normalen Beruf in der Forschung nach.
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Peter suchte Menschen, die seine Probleme verstehen. Und stiess auf ein soziales Netzwerk der etwas anderen Art: Tiger 21. Das Wort «Tiger» steht für «The Investment Group for Enhanced Results in the 21st Century». Dahinter steckt ein US-Unternehmen, das 1999 vom Immobilieninvestor Michael Sonnenfeldt in New York gegründet wurde.
Was tun, wenn plötzlich viel Geld da ist?
Sonnenfeldt war dasselbe widerfahren wie Johannes Peter: Der Immobilienentwickler wurde dank des Verkaufs von Liegenschaften im Hafen von New Jersey, auf denen Büros und Wohnungen entstanden, plötzlich sehr reich. Und auch Sonnenfeldt suchte Gleichgesinnte – am liebsten Unternehmer, die durch den Verkauf ihrer Firma ebenfalls auf einen Schlag zu Geld gekommen waren –, um mit ihnen offen über Themen wie Investieren, Steuern und Vererben zu sprechen.
Das Konzept war so erfolgreich, dass Sonnenfeldt das Unternehmen Tiger 21 gründete. Mittlerweile hat das soziale Netzwerk der Superreichen über 1400 Mitglieder in 50 Städten, die in 117 Gruppen organisiert sind. Insgesamt sind die Mitglieder über 150 Milliarden Dollar schwer.
Vor rund fünf Jahren kam das Reichennetzwerk in die Schweiz. «Der Gründer von Tiger 21, Michael Sonnenfeldt, hat mich quasi aus dem Nichts angefragt, ob ich nicht eine Gruppe von Tiger 21 in der Schweiz aufbauen wolle», erzählt Eric Sarasin. Die Gruppe des Ex-Bankers aus der gleichnamigen Bankendynastie hat mittlerweile die Höchstgrenze von 15 Mitgliedern erreicht. Der Governance-Experte Eelco Fiole leitet die zweite Schweizer Gruppe, in der 9 Reiche mitmachen.
Die Aufnahmebedingungen sind happig: Die Mitglieder müssen mindestens 20 Millionen Dollar investierbares Vermögen haben. Und pro Jahr einen Beitrag von 33’000 Dollar zahlen. Als Gegenleistung organisiert der Club elf Treffen im Jahr, die um die sechs Stunden dauern. Jedes Mitglied darf zudem an den Meetings der anderen Gruppen auf dem gesamten Globus teilnehmen. Dazu gibt es eine App, um sich zu vernetzen.
Amerikanische Offenheit trifft auf die Schweizer Mentalität
Das Konzept ist sehr amerikanisch. Darauf musste Sarasin beim Start Rücksicht nehmen. «Das Kernstück der Treffen ist neben dem persönlichen Austausch über Geschäft, Familie und persönliche Erfahrungen, dass ein Mitglied den anderen sein Vermögen offenlegt», erklärt Sarasin. «Diese Art der totalen Offenheit ist für Schweizer und Schweizerinnen ungewohnt, also haben wir erst einmal damit angefangen, dass die Mitglieder nur über die Gewichtung der Anlageklassen sprechen.» Der Club soll seine Mitglieder wie ein «persönlicher Verwaltungsrat» unterstützen.
Kernelement ist die totale Transparenz. Und das funktioniert nur, wenn sich alle bedingungslos vertrauen. «Nichts aus den Treffen darf nach aussen dringen, es ist zudem untersagt, dass Mitglieder die Gruppe dafür nutzen, ihnen irgendetwas zu verkaufen», sagt Fiole, der die zweite Gruppe leitet. Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus – was in der Gruppe von Eric Sarasin auch schon einmal vorgekommen ist.
Das ist der Unterschied zu anderen Netzwerken wie Rotary oder dem Club zum Rennweg. Es geht weniger um die Bildung von Netzwerken, um sich gegenseitig Geschäfte oder Karrierechancen zuzuschanzen oder um Gutes für die Allgemeinheit zu tun. Sondern darum, die eigenen Vermögens- und auch Lebensentscheidungen, ohne Tabus offenzulegen und kritisch zu hinterfragen.
Das Reichennetzwerk der UBS
Auch Banken kamen schon auf die Idee, ihre reiche Kundschaft untereinander zu vernetzen. So startete die UBS vor zwei Jahren das Netzwerk «Circle One». Hier haben die Mitglieder Zugriff auf das Investmentresearch und Anlageideen der Bank und können zudem eigene Interessengruppen für den Austausch untereinander gründen. Die Plattform ist aber rein digital.
Tiger 21 setzt dagegen auf persönliche Kontakte. Doch wer gibt 33’000 Dollar für stundenlange Meetings aus? Die «Handelszeitung» hat mit drei Tiger-21-Mitgliedern sprechen können, unter Zusicherung der Anonymität. Das Echo ist eindeutig: «Ich habe dank der Treffen Millionen eingespart, denn die anderen haben mir ein Investment ausgeredet», erzählt Thomas Kampli (Name geändert), der als Serienunternehmer und Investor wohlhabend geworden ist. Er ist seit vier Jahren Mitglied von Tiger 21
.
Und Marc Peterson (Name geändert), Fintech-Unternehmer, ergänzt, dass der Club weit mehr als nur ein Investmentclub sei: «Hier muss ich auch mein Leben rechtfertigen», erzählt er. Denn wer mit der Portfoliopräsentation dran sei, müsse auch seinen Lebenslauf darlegen – und die Gründe, warum man welche Ausbildung gemacht hat und welchen Karriereweg eingeschlagen hat.
Diese Offenheit sei vielleicht nicht jedermanns Sache, Peterson findet sie dagegen «enorm befreiend». Denn es gäbe keine andere Gruppe, in der sich gestandene Investoren, Unternehmerinnen und andere Alphatiere so infrage stellen würden. «Die Inhalte der Treffen sind so spannend, das fühlt sich an wie sechs Minuten, nicht wie sechs Stunden», sagt Peterson.
Hilfe bei der Arztsuche
Der Club hilft nicht nur beim Geldanlegen, sondern auch in Lebenskrisen wie etwa bei Scheidungen – oder wenn es darum geht, den eigenen Nachlass vorzubereiten. «Ein Klassiker ist hierbei, dass Firmengründerinnen und -gründer ihre eigenen Kinder für ungeeignet halten, das Unternehmen weiterzuführen. Es sind aber auch immer wieder Erfolgsgeschichten wie Firmenverkäufe ein Thema», erzählt Sarasin.
In den USA half der Club einem indischstämmigen Unternehmer, für seinen todkranken Sohn einen Platz in einer Spezialklinik zu bekommen, was dem Jungen das Leben gerettet hat. Wie Mitglieder erzählen, würden viele sich auch ausserhalb der Meetings privat treffen. Einige verreisen sogar gemeinsam.
Über eine App in Kontakt bleiben
Zwischen den Meetings können die Mitglieder über eine App Kontakt halten. Mit ihr haben sie Zugang zu allen Gruppen in der Welt und damit auf alle gut 1400 Teilnehmenden bei Tiger 21. Wer also in New York einen Termin hat und sich dort gerade eine lokale Gruppe sich trifft, kann sich über die App für das Treffen anmelden. Daneben gibt es in der App Diskussionsgruppen zu allen möglichen Themen, von Golf über Literatur, Reisen, Investments et cetera.
Bei den Treffen hat jede Gruppe einen eigenen Vorsitzenden, den sogenannten Chair. In der Schweiz sind dies Eric Sarasin und Eelco Fiole. Die Chairs müssen nicht 20 Millionen investierbares Vermögen vorweisen, sie werden von Tiger 21 bezahlt. Die Chairs bereiten die Treffen vor und moderieren. «Wir halten uns dabei im Hintergrund», so Fiole. Die Vorbereitung der Treffen koste Zeit; Sarasin taxiert den Job eines Gruppenleiters mit einem 20 Prozent Arbeitspensum. In den USA gibt es Chairs, die den Job in Vollzeit machen und mehrere Gruppen leiten.
Einer der wichtigsten Aufgaben hierbei ist es, auf eine ausgewogene Zusammensetzung der Gruppe zu achten. «In der Schweiz haben wir kaum Erben in unseren beiden Gruppen», so Sarasin, die meisten seien Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Branchenmix sei breit, von Maschinenbau bis Krypto sei alles dabei. Auch der Mix der Nationalitäten ist bunt, ein grosser Teil der Schweizer Mitglieder von Tiger 21 sind Expats. Einige Mitglieder fliegen auch aus dem Ausland wie Deutschland oder Serbien eigens für die Treffen ein.
Frauen dringend gesucht
Nachholbedarf gäbe es beim Frauenanteil. «Zu Beginn hatte ich vier Frauen in meiner Gruppe», so Sarasin, eine Mexikanerin kehrte aber wieder in ihre Heimat zurück, und eine zweite Frau schied aus, weil sie doch keine Zeit mehr für die Treffen hatte. Um die Diversität zu verbessern, seien Frauen sehr willkommen.
Doch die Neuaufnahme von Mitgliedern ist heikel, eben weil es in der Gruppe quasi fast keine Geheimnisse geben soll. Dafür müssen sich alle gegenseitig vertrauen. «Einer Kandidatin hatte ich dann ein paar Namen genannt, wer bei uns so dabei ist, erzählt Eric Sarasin, «doch mit einem davon hatte sie vor Jahren beruflich zu tun, was offenbar nicht gut lief. Also nahm sie Abstand davon, bei uns mitzumachen.»
Investor Johannes Peter ist nach wie vor angetan von dem Club der Superreichen: «Es gibt keinen anderen Raum, in dem ich so offen über mein Geld und mein Leben spreche.»