Tierwohl, Preise, Nutri-Score – 9 Ankündigungen gelten nicht mehr
Hier bricht die Migros ihre Versprechen

Die Migros krebst auf breiter Front von ihren einstigen Ankündigungen zurück. Das bekommen auch die Kundinnen und Kunden zu spüren. Eine Übersicht des Beobachters.
Publiziert: 09.04.2025 um 13:29 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2025 um 17:11 Uhr
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Migros-Chef stellt die Detailhändlerin neu auf.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

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Caroline Freigang
Beobachter

Der grosse Umbau des Migros-Konzerns hat nicht nur Konsequenzen für die Angestellten. Auch die Kundinnen und Kunden spüren die Neuorganisation. Standards werden gelockert, Versprechen gebrochen, günstigere Produkte gestrichen. Der Beobachter hat einen Überblick erstellt.

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Abstriche beim Tierwohl

Die Migros will billiger werden – auch beim Fleisch. Als Konsequenz macht sie Abstriche beim Tierwohl. Die Migros hat das Ziel aufgegeben, bei Importfleisch gleiche Mindeststandards zu garantieren wie bei Schweizer Fleisch. Tierschützer und der Konsumentenschutz kritisieren das.

Artikel aus dem «Beobachter»

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Bisher hatte die Migros nur Fleisch von Tieren importiert, die gemäss Schweizer Anforderungen gehalten wurden. Das war für Konsumentinnen und Konsumenten ein wichtiger Indikator dafür, dass sie artgerecht hergestelltes Importfleisch kaufen konnten.

«Die Lockerung der Standards ist eine unverständliche Entscheidung», sagt Sara Stalder vom Konsumentenschutz. «Auch Kundinnen und Kunden, die aufs Geld achten müssen, sollten tierfreundlich hergestelltes Fleisch kaufen können.»

Bei der Migros heisst es dazu, das Fleischsortiment stamme zum allergrössten Teil aus der Schweiz. Man habe zudem bei diversen tierischen Produkten erreichen können, dass auch die Importe mindestens dem Schweizer Tierschutzgesetz entsprächen.

2

Doch keine gleichen Bio-Standards

Noch 2022 gab die Migros bekannt, dass sie auch bei importierten Bio-Produkten die höheren Standards von Bio Suisse einfordern wolle. Davon krebst sie nun zurück. Für die Konsumentinnen wäre das eine Vereinfachung gewesen. «Der Bio-Label-Salat benachteiligt diejenigen Label, die hohe Anforderungen an die Produktion haben. Daher könnten hohe Standards unter Druck geraten», sagt Sara Stalder vom Konsumentenschutz.

Bei der Migros heisst es dazu, man setze weiterhin auf Bio-Produkte, besonders auf inländische, um die Schweizer Bio-Landwirtschaft zu stärken. Weil «Migros Bio»-Produkte aus dem Inland die Knospe trügen, seien sie für Kunden sofort erkennbar.

3

Gentech durch die Hintertür

Bislang galt bei der Migros: Keine gentechnisch veränderten Produkte landen in den Regalen. Dieses Versprechen wankt nun offenbar. Wie auch Konkurrent Coop ist die Migros bereits 2022 dem Verein «Sorten für morgen» beigetreten. Er unterstützt Bestrebungen, neue gentechnische Verfahren wie das Genom-Editing nicht mehr unter das strikte Gentech-Moratorium zu stellen.

Laut Konsumentenschutz müssen Konsumenten künftig wohl genauer hinschauen, was sie kaufen, wenn sie gentechnisch veränderte Produkte meiden wollen. «Zudem besteht sogar die Gefahr, dass diese neuen Gentechniken nicht deklariert werden müssen», sagt Sara Stalder.

Bei der Migros heisst es dazu, man biete nach wie vor keine Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen an. Das wolle man künftig so beibehalten. Die Wissenschaft sei sich aber einig, dass von den neuen Verfahren keine grösseren Risiken ausgehen als von der konventionellen Züchtung. Es sei noch offen, wie, wo und mit welchem Wortlaut auf neue Züchtungsverfahren hingewiesen werde. Die Kritik des Konsumentenschutzes sei deshalb nicht nachvollziehbar.

4

Widersprüche bei Nachhaltigkeit

Die Migros hat zwar zuletzt angekündigt, ihre Nachhaltigkeitsstrategie auf Gruppenebene zu verankern und am Netto-null-Ziel bis 2050 festzuhalten. Dennoch bricht sie Versprechen, etwa beim Thema Fleisch.

Eigentlich sollten Produkte, die Wälder zerstören, nicht mehr verkauft werden – etwa Rindfleisch aus Brasilien. Doch ein Blick ins Migros-Regal zeigt, dass sie weiterhin im Sortiment sind. Bei der Migros heisst es, das fragliche Fleisch stamme aus Regionen in Brasilien, «die nicht von der Entwaldung betroffen» seien.

Sara Stalder vom Konsumentenschutz dazu: «Die Migros deklariert offen, dass Nachhaltigkeit in Zukunft gegenüber günstigeren Preisen zurückstehen muss. Trotz einer Strategie, die den Konsumentinnen über Jahre hinweg vermittelt hat, dass die Migros beim Umweltschutz vorwärtsmachen will.»

5

Lebensmittel-Ampel wird gestrichen

Noch 2021 führte die Migros den Nutri-Score auf ihren Produkten ein, der zeigt, wie gesund sie sind. Dank der Migros fasste die Lebensmittel-Ampel in der Schweiz Fuss, heisst es beim Konsumentenschutz. Denn die Migros stellt auch viele eigene Produkte her, die sie ebenfalls mit dem Nutri-Score kennzeichnete, was zum Erfolg und zur Bekanntheit des Scores beitrug. Letztes Jahr entschied die Migros, den Nutri-Score nicht weiterzuführen.

Das ist ein grosser Rückschritt, findet der Konsumentenschutz. «Konsumenten ohne grosses Vorwissen über Ernährung konnten mit dem Score auf einen Blick erkennen, wie ausgewogen ein Produkt ist», sagt Sara Stalder. Das gehe künftig nicht mehr.

Bei der Migros heisst es dazu, der Nutri-Score sei in der Schweiz immer noch nicht ausreichend bekannt und führe zu vielen Fragen. Zudem sei der Aufwand hoch, ihn zu integrieren oder auf den Verpackungen anzupassen.

6

Günstige Produkte sind verschwunden

Die Migros will zwar aktuell bei 1000 Produkten die Preise senken. Zugleich verschwinden aber Produkte der Billiglinie M-Budget aus den Regalen. So nahm die Migros laut «K-Tipp» im letzten Jahr mindestens 30 M-Budget-Produkte aus den Regalen – darunter Reinigungsmittel, Fertigprodukte und Tomaten. Die nächstgünstigen Alternativen sind oft viel teurer.

Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren günstigere Eigenmarken wie Mivella, Slimline-Produkte oder Bellena-Kosmetik verschwunden sind. Dafür sind teure Markenprodukte ins Sortiment aufgenommen worden.

Bei der Migros heisst es dazu, Sortimentsveränderungen seien ein Standardprozess bei Detailhändlern. Zudem seien auch M-Budget-Produkte dazugekommen – welche, bleibt allerdings unklar.

7

«Unverpackt»-Einkäufe gibts nicht mehr

Seit der Pandemie waren unverpackte Lebensmittel im Trend. Wenig Verpackungsmüll, wenig Foodwaste, lautete das Versprechen. Auch die Migros sprang auf den Zug auf und bot an Abfüllstationen Cerealien, Nüsse oder Pasta an. Das Angebot wurde seit der Einführung 2020 auf 50 Standorte ausgeweitet. Die sind mittlerweile wieder eingestellt. Die Nachfrage sei zuletzt kontinuierlich gesunken, heisst es bei der Migros.

8

Restaurants werden geschlossen

Sie bieten preisgünstige Menüs an, man kann ohne Bestelldruck «verhöcklen»: Für viele Rentnerinnengruppen oder Handwerker sind die Restaurants der Migros fester Treffpunkt. Zuletzt wurden aber immer wieder Restaurants geschlossen. 2022 gab es landesweit 150 Migros-Restaurants und 82 Take-aways, 2024 waren es noch 145 Restaurants und 74 Take-aways. Die Migros führt das auf das Alter der Betriebe sowie veränderte Bedürfnisse der Gäste zurück.

9

Seniorenrabatt war einmal

Für Verärgerung hat Ende 2024 auch die Aufhebung des Seniorenrabatts der Migros Aare gesorgt. Es sei an der Zeit, alle gleichzubehandeln, sagte Reto Sopranetti, Geschäftsleiter der Migros Aare. Bei der Seniorenorganisation Pro Senectute bedauert man den Entscheid: «Für ältere Menschen war es eine einfache Möglichkeit, günstig einzukaufen.»

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