SNB-Präsident Thomas Jordan beantwortet Entweder-oder-Fragen
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Bier oder Wein?SNB-Präsident beantwortet Entweder-oder-Fragen

Thomas Jordan über Zinssenkungen und seine Zukunftspläne
Was ist denn so schlimm an sinkenden Preisen, Herr Jordan?

Thomas Jordan, der scheidende Präsident der Schweizerischen Nationalbank, gibt Blick sein letztes Interview. Nach 27 Jahren bei der SNB spricht er über Zinssenkungen, die Herausforderungen der Geldpolitik und seine Zukunftspläne.
Publiziert: 26.09.2024 um 18:47 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2024 um 20:05 Uhr
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Thomas zeigte zum letzten Mal, wo es geldpolitisch lang geht.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Thomas Jordan gibt letztes Interview nach 42. Lagebeurteilung
  • Jordan spricht über Zinssenkungen und Deflationsgefahr
  • Was er an seinem letzten Arbeitstag macht
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Das Warten hat sich gelohnt: Knapp drei Stunden nach seiner 42. geldpolitischen Lagebeurteilung gibt Thomas Jordan (61) Blick das allerletzte Video-Interview seiner Karriere. Bis zum Schluss bleibt der scheidende Präsident der Nationalbank eloquent, erklärt in klaren Worten den Zinsentscheid – und zeigt dann doch ganz wenig Emotionen. 

Blick: Herr Jordan, zum Abschied gabs Applaus von den Journalistinnen und Journalisten im Saal. Hat Sie das berührt?
Thomas Jordan: Die letzte Pressekonferenz, die letzte Lagebeurteilung ist sicher etwas Spezielles. Ich bin natürlich immer fokussiert auf die geldpolitische Entscheidung und auf gute Antworten auf die Fragen der Medien. Aber es hat mich schon berührt. 

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War etwas Wehmut dabei?
Ja, ein bisschen Wehmut war schon dabei. Wenn man 27 Jahre bei einer Institution war, davon 20 Jahre im Direktorium und zwölf Jahre als Präsident, dann ist das ein grosser Abschied. Man schaut auch gerne auf diese Zeit zurück. 

Bevor wir über Ihren Abschied sprechen, zur Geldpolitik. Warum die dritte Zinssenkung in Folge?
Der inflationäre Druck hat deutlich abgenommen. Das gilt besonders auch für unsere Inflationsprognose. Die beste geldpolitische Antwort darauf ist, dass man die Zinsen senkt, die Geldpolitik lockert.

Was ist denn so schlimm an tiefer Inflation oder gar sinkenden Preisen?
Unser Ziel ist es, die Teuerung sehr tief zu halten. Aber wir wollen verhindern, dass sie negativ wird, dass man in eine sogenannte Deflation abrutscht. Denn das kann dazu führen, dass die Wirtschaft nicht mehr reibungslos funktioniert. Man müsste dauernd die Preise senken, das wäre für Geschäfte oder Firmen nicht ganz einfach. Eine tiefe Inflation gibt die richtigen Preissignale: Knappe Güter werden teurer, Güter im Überfluss billiger. 

Um eine zu tiefe Inflation zu verhindern, wird es weitere Zinssenkungen geben?
Aufgrund der neuen, tieferen Inflationsprognose ist es durchaus möglich, dass man im Dezember weiter die Zinsen senken muss. Das neue Direktorium wird entscheiden, was die beste geldpolitische Antwort sein wird. 

Die Exportindustrie leider unter dem starken Franken. Hat die SNB bei der Zinssenkung auch an diese Firmen gedacht?
Wir müssen immer das Gesamtinteresse des Landes berücksichtigen und das heisst Preisstabilität. Es ist sicher so, dass für die Exportwirtschaft die Wechselkursverhältnisse nicht ganz einfach sind. Wir haben grossen Respekt vor diesen Firmen, die jeden Tag im internationalen Wettbewerb stehen, gerade jetzt, wenn die Nachfrage zurückgeht. Diese Unternehmen sind sehr anpassungsfähig. Das ist auch eine Stärke der Schweizer Wirtschaft.

27 Jahre im Dienst der SNB

Thomas Jordan (61) wuchs in Biel BE auf und studierte Volkswirtschaft an der Uni Bern. Danach forschte er drei Jahre lang an der Harvard University in Cambridge (USA). Seit 1997 arbeitet er für die SNB, ist seit 2007 Teil des dreiköpfigen Direktoriums der SNB, seit 2012 deren Präsident. Jordan ist verheiratet und Vater zweier Söhne.

Thomas Jordan (61) wuchs in Biel BE auf und studierte Volkswirtschaft an der Uni Bern. Danach forschte er drei Jahre lang an der Harvard University in Cambridge (USA). Seit 1997 arbeitet er für die SNB, ist seit 2007 Teil des dreiköpfigen Direktoriums der SNB, seit 2012 deren Präsident. Jordan ist verheiratet und Vater zweier Söhne.

Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Arbeitstag bei der SNB im August 1997?
Ja, daran kann ich mich gut erinnern. Es war für mich schon der Beginn einer Zeit, die mein Berufsleben sehr bestimmt hat. Aber nicht nur mein Berufsleben. Ich glaube, mein ganzes Leben hat sich mit dem Eintritt in die Nationalbank sehr stark verändert.

Hatten Sie damals schon im Hinterkopf, dass Sie dereinst Präsident der SNB werden könnten?
Nein, es ging mir darum, mich möglichst schnell ins Team zu integrieren. Ich war bei den Ökonomen in der Forschungsabteilung, wollte möglichst schnell verstehen, worum es geht, damit ich dann auch meinen Beitrag leisten kann zum Produkt, das die Nationalbank produziert, nämlich eine gute Geldpolitik.

Am Montag ist ihr letzter Arbeitstag. Wie muss man sich die Stabübergabe an Martin Schlegel vorstellen?
Die Verantwortung wird von mir an Martin Schlegel übergeben. Wir haben schon sehr viel vorbereitet für das. Es ist aber nicht so, dass wir eine riesige Agenda am Montag hätten. 

Wird es eine rauschende Abschiedsparty für Sie geben?
Das weiss ich nicht, das werde ich sehen. Aber die SNB ist eine nüchterne Organisation. 

Haben Sie schon verinnerlicht, dass Sie am kommenden Dienstag keinen Wecker stellen müssen?
Es ist wichtig, dass man eine gewisse Struktur beibehält. Wenn man nur noch bis um 12 Uhr ausschläft und nichts mehr macht, ist das nicht gut. Aber ich glaube, am Anfang muss ich noch relativ viele Sachen von mir aufräumen. Das wollte ich schon seit Jahren tun, dafür ist nun der richtige Zeitpunkt. 

Und wenn Sie fertig aufgeräumt haben – was dann?
Konkrete Pläne gibt es noch nicht. In den nächsten paar Monaten nehme ich mir Zeit und überlege, was ich machen will. 

Wie schwer fällt es Ihnen, nach einer so langen Zeit loszulassen?
Das ist schon speziell, weil die volle Konzentration praktisch bis zum letzten Tag notwendig war. Wir hatten in dieser Woche eine geldpolitische Entscheidung mit sehr viel Vorbereitung. Da denkt man noch gar nicht an den Rücktritt oder auf die Zeit nachher.

Ein letzter Blick zurück – gab es irgendein besonderes Highlight?
Das ist schwierig zu sagen. Aber wir mussten über eine lange Zeit unsere Geldpolitik mit sogenannten nicht-konventionellen Instrumenten umsetzen. In meinen Anfängen bei der Nationalbank konnte man nur über den Zins die Geldpolitik steuern. Ab 2012 war das nicht mehr möglich. Man hatte die Zinsinstrumente aufgebraucht, es brauchte Negativzinsen und Devisenmarktinterventionen. Das war sehr herausfordernd, aber auch notwendig. 

Transkript des Videointerviews mit Thomas Jordan am 26. September 2024. 


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