Thomas Assfalk (63) aus Turbenthal ZH hält die Kündigung in den Händen und kämpft mit den Tränen. Er ist verzweifelt und wütend. Vor drei Wochen hat der Chauffeur und Logistiker von seinem Arbeitgeber, dem Gastrolieferanten Saviva – einer Migros-Tochter mit Sitz in Regensdorf ZH – den blauen Brief erhalten. Nach 16 Jahren im Betrieb. In einem Alter, in dem man kaum mehr einen Job findet. Und mitten in der Corona-Krise, wo sich gegenwärtig die Entlassungswelle auftürmt.
Das Kündigungsgespräch steckt ihm immer noch in den Knochen, seine Stimme stockt. Man habe ihn mit den Worten «Wir haben keine Verwendung mehr für dich» entlassen. «Daran habe ich immer noch zu beissen. So was hat mir noch nie jemand gesagt. Mir sind sofort die Tränen gekommen.»
1000 Franken im Monat fehlen
Assfalk plagen Existenzängste. «Ich mache mir jeden Tag Gedanken, wie es weitergeht», sagt er. Und: «Mir fehlen bis zur Pension 1000 Franken im Monat.» Zusammen mit seiner Frau hat er die Finanzen bis zur Pension geplant und entsprechend eingeteilt. «Da ist kein Spielraum», sagt er und zeigt BLICK seine Berechnungen. Assfalk hat sein Leben lang gearbeitet.
Im vergangenen Herbst musste er sich einer Knieoperation unterziehen. Seither kann der Chauffeur keine Lastwagen mehr fahren. Sein Körper macht das Be- und Entladen der Ladefläche nicht mehr mit. Rollcontainer sind 300 Kilogramm schwer, gewisse Paletten bis zu einer halben Tonne. «Das kräfteraubende Hantieren auf der Hebebühne liegt schlicht nicht mehr drin», sagt der Zürcher Oberländer.
100 Kilometer Arbeitsweg
Praktisch zeitgleich mit Assfalks Knieoperation hat seine Arbeitgeberin Saviva die Logistikstruktur reorganisiert. Der Standort in Flawil SG, wo Assfalk gearbeitet hat, fiel weg. Die Arbeiten wurden im nahen Gossau SG zentralisiert. Für Assfalk gab es dort keine Stelle mehr. Er wurde nach Landquart GR geschickt, zur Saviva-Tochter Mérat.
Das hatte Folgen für seinen Tagesablauf. Assfalk musste um 2 Uhr morgens aufstehen. Klaglos fuhr er die 100 Kilometer von Turbenthal nach Landquart. Arbeitsbeginn im Bündnerland war um 5 Uhr. Für Mérat war er mit einem Lieferwagen unterwegs und belieferte Gastrokunden mit Fleisch. Die Kisten sind 20 Kilogramm schwer, das geht in die Knie.
Kündigung während Corona-Krise
In der Corona-Krise wurde die Grossmetzgerei in Landquart temporär stillgelegt, die Angestellten auf Kurzarbeit gesetzt. «Alles sei vorübergehend, hiess es», erinnert sich Assfalk. Die Arbeiten, die es noch zu erledigen gebe, würden von Zürich aus gemacht. «Jetzt ist klar, der Standort Landquart wird nur noch auf Sparflamme weitergeführt. Nur noch mit einem Chauffeur. Drei haben die Kündigung erhalten», sagt Assfalk.
BLICK hat Saviva mit der Geschichte von Thomas Assfalk konfrontiert und zahlreiche, konkrete Fragen gestellt. Die Antwort der Migros-Tochter fällt knapp aus. «Wie andere Unternehmen auch arbeiten wir immer an der Optimierung unserer Prozesse», sagt Saviva-Sprecherin Sereina Veraguth. Und: «Aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes können wir uns zum vorliegenden Fall nicht äussern.»
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Ein paar Tage später, nachdem Assfalk BLICK seine Geschichte erzählt hat, gibt die Migros am 26. Juni bekannt: «Verkauf der Firma Saviva geplant.» Die Gruppe wolle sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren. Die Suche nach neuen Eigentümern im Gastro-Zustellgrosshandel laufe. «Verschiedene Optionen werden geprüft, die Details sind in Ausarbeitung», heisst es in der Migros-Mitteilung.
Für Saviva arbeiten rund 600 Personen. Für Assfalk und nach seinen Angaben eine Gruppe anderer ausgemusterter Angestellten, darunter auch eine über 62-jährige Person, ist die Sache gelaufen. Er ist den Job los. Mit seiner Geschichte will er den zahlreichen ähnlich Betroffenen in der Corona-Krise ein Gesicht geben.