Flughafen-Sicherheitsfirma feuert ältere Mitarbeiter
«Corona ist nur der Vorwand für unsere Entlassung»

Die Sicherheitsfirma Custodio entlässt vier Mitarbeiter wegen Corona-Wirtschaftsproblemen. Zwei stehen kurz vor der Pension. Die Firma nutze Corona nur als Alibi, kritisieren sie. Denn andere Angestellte, die für Custodio arbeiten, sind in Kurzarbeit.
Publiziert: 15.06.2020 um 23:33 Uhr
|
Aktualisiert: 16.05.2021 um 17:16 Uhr
1/12
Der Sicherheitsangestellte Jürg Meuli sagt: «Wenn sie mir tatsächlich wegen wirtschaftlichen Gründen kündigen mussten, dann hätten sie doch zuerst Kurzarbeit anordnen können.»
Foto: Thomas Meier
Claudia Gnehm

Der Bundesrat habe doch die Einführung von Kurzarbeit erleichtert, damit es wegen Corona keine Entlassungen gibt, sagt Hans Müller* (50). Dennoch erhielten er und drei weitere langjährige Angestellte der Flughafen-Sicherheitsfirma Custodio Ende März die Kündigung. Mit einem blauen Brief konfrontiert war auch Jürg Meuli (62). Darin machte die Firma mit 400 Mitarbeitern «substanzielle Auftragsverluste wegen der Covid-19-Krise» geltend.

Doch wenig später, im April, sind andere Mitarbeiter, die über eine Temporärfirma bei Custodio angestellt sind, in Kurzarbeit. Meuli schüttelt im Gespräch mit BLICK den Kopf: «Wenn sie mir tatsächlich wegen wirtschaftlichen Gründen kündigen mussten, dann hätten sie doch zuerst Kurzarbeit anordnen können.» Davon wollte die Firma nichts wissen. Custodio-Chef Herbert Höck (49) sagt auf Anfrage, dass er bei den direkt Angestellten in Zürich bislang keine Kurzarbeit eingeführt habe.

Angst vor Vorsorgelücke

«Viele Firmen haben Kündigungen rückgängig gemacht, nachdem sie Kurzarbeit geltend machen konnten», sagt Isabelle Lüthi von der Unia Zürich-Schaffhausen. Gerade für ältere Arbeitnehmende, für die die Arbeitssuche jetzt besonders schwierig sei, sei das nichts als fair.

Besonders bitter ist es für Meuli, so kurz vor der Pensionierung ohne Job dazustehen. Da er über Jahre im Ausland lebte und nicht immer in AHV und Pensionskasse einzahlte, entstünde ihm eine grosse Vorsorgelücke, wenn er bis 65 keine Arbeit mehr findet. «Ich suche einen neuen Job, aber es ist schwierig in meinem Alter», führt er aus.

Beide Entlassenen machen ihren Job seit Jahren mit Passion. Ein komisches Gefühl gegenüber dem Arbeitgeber hat Meuli erst seit letztem Herbst, als er sechs statt wie bisher nur fünf Ferienwochen für dieses Jahr eingab. Diese stehen ihm gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zu.

Ferienanspruch führte zu Abwärtsspirale

Zuerst wollte ihm der Arbeitgeber nur fünf Wochen geben. Meuli insistierte auf sechs. Schliesslich hiess es, er hätte doch sechs Wochen zugute, es habe einen Systemfehler gegeben. Weitere rund 30 Mitarbeiter hätten darauf mehr zustehende Ferien gekriegt. «Seither nennen sie mich den Mister 6 Wochen», schmunzelt Meuli. Ende März folgt der Schlag – die Kündigung. Sein komisches Gefühl war berechtigt. «Leute, die den Mut haben, sich für ihre Rechte einzusetzen, werden unter dem Vorwand Corona entlassen», stellt er fest.

Auch Müller wurde offenbar sein Ferienanspruch zum Verhängnis. Letzten Herbst hat ihn der Custodio-Chef noch für seine Arbeit ausgezeichnet. Doch nachdem er im Januar um berechtigte fünf statt nur vier Ferienwochen bat, zitierte Herbert Höck ihn ins Büro. «Es war mein erstes Mitarbeitergespräch seit 13 Jahren», sagt Müller. Der Chef habe ihm beschieden, ein gescheiter Mensch mache keine solchen Anfragen. Ebenfalls würde er am liebsten allen älteren Mitarbeitern kündigen, dann hätte er Ruhe vor solchen Feriengeschichten. Auch dass Müller zu einem erkrankten Kind schauen musste, weil seine Frau arbeitete, passte Höck nicht.

Angestellte aus Risikogruppe war im Einsatzplan

Gegenüber BLICK dementiert Herbert Höck, dass die Entlassungen im Zusammenhang mit gestellten Ferienansprüchen stünden. Entlassen habe man die Personen mit den meisten Abwesenheiten oder diejenigen, bei denen qualitative Defizite vorliegen. Bei Abwesenheit wegen einem kranken Kind erwarte er, dass die Absenzen mit der Partnerin geteilt würden, wenn diese auch arbeite. Corona sei ausserdem kein Kündigungsvorwand gewesen. Die Krise der Luftfahrt habe Custodio sehr hart getroffen.

«Die Ferien wurden mir nicht gewährt, obwohl ich gemäss GAV klar einen Anspruch darauf habe», sagt Maria F.* (62), die fast ein Jahrzent für Custodio arbeitete und nun ebenfalls die Kündigung erhielt. Hinzu kommt, dass die Risikopatientin nach Eingabe des ärztlichen Attests noch einen Tag weiterarbeiten musste. Hier entgegnet Höck: «Die betroffene Mitarbeiterin gehörte, als sie für die Arbeit eingeplant war, gemäss Covid-19-Verordnung nicht zur Risikogruppe.»

Kündigung ohne ein Wort

Der vierten Gekündigten, Gloria T.*, liegt vor allem auf dem Magen, dass ihr bis heute niemand den Grund für die überraschende Kündigung mitgeteilt hat. Von der Firma, für die sie sechs Jahre arbeitete, hätte sie mehr Charakter erwartet, erklärt die 54-Jährige.

«Ich leiste die Arbeit immer noch eins zu eins, das ist mein Motto», sagt Müller. Aber es mache ihn traurig, dass die Corona-Krise als Vorwand genommen werde, um Menschen in ihrer Existenz zu gefährden. Die Jobs der vier Entlassenen hat die von Custodio genutzte Temporärfirma schon länger wieder ausgeschrieben.

* Namen geändert und der Redaktion bekannt

Wurden Sie entlassen, und Corona war nur der Vorwand für die Kündigung? Schildern Sie uns Ihren Fall auf blickwirt@ringier.ch

Älteren Entlassenen droht lange Arbeitslosigkeit

Die Anzahl Arbeitsloser zwischen 50 und 64 Jahren erhöhte sich im Mai gegenüber dem Vorjahr um 40,6 Prozent auf 40'890. Verglichen mit dem Lockdown-Vormonat April sind dies 654 mehr ältere Arbeitnehmer ohne Job. Die Arbeitslosenquote in dieser Altersgruppe lag letzten Monat mit drei Prozent unter dem Schweizer Schnitt von 3,4 Prozent.

Auf den ersten Blick scheinen die über 50-Jährigen weniger vom Stellenabbau betroffen zu sein als etwa die 15- bis 24-Jährigen mit einer Arbeitslosenquote von 3,4 Prozent und absolut 17'758 Betroffenen. Doch bei der Suche nach einem neuen Job tun sich die Älteren deutlich schwerer: Die Stellensuche der über 50-Jährigen dauert rund anderthalbmal länger als im gesamtschweizerischen Durchschnitt und mehr als doppelt so lange wie bei den 15- bis 24-jährigen Stellensuchenden.

Entsprechend haben über 50-Jährige eine höhere Langzeitarbeitslosenquote als die übrigen Altersgruppen. Der Anteil Langzeitarbeitsloser innerhalb der Gruppe der älteren Arbeitslosen lag 2018 bei 26,1 Prozent, bei den 25- bis 49-Jährigen sind es hingegen nur 12,7 Prozent.

Seit der Corona-Krise hätten sich bei den Gewerkschaften auffällig mehr über 55-Jährige gemeldet, sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Darunter befänden sich auch Fälle, wo Arbeitgeber zwar Kurzarbeit angemeldet, einzelne ältere Mitarbeiter aber davon ausgenommen hätten. Ihnen sei gekündigt worden. «Für die Betroffenen ist das ein Schock», betont Lampart. Denn sie hätten es in der Corona-Krise noch schwerer, wieder einen Job zu finden. (gnc)

Die Anzahl Arbeitsloser zwischen 50 und 64 Jahren erhöhte sich im Mai gegenüber dem Vorjahr um 40,6 Prozent auf 40'890. Verglichen mit dem Lockdown-Vormonat April sind dies 654 mehr ältere Arbeitnehmer ohne Job. Die Arbeitslosenquote in dieser Altersgruppe lag letzten Monat mit drei Prozent unter dem Schweizer Schnitt von 3,4 Prozent.

Auf den ersten Blick scheinen die über 50-Jährigen weniger vom Stellenabbau betroffen zu sein als etwa die 15- bis 24-Jährigen mit einer Arbeitslosenquote von 3,4 Prozent und absolut 17'758 Betroffenen. Doch bei der Suche nach einem neuen Job tun sich die Älteren deutlich schwerer: Die Stellensuche der über 50-Jährigen dauert rund anderthalbmal länger als im gesamtschweizerischen Durchschnitt und mehr als doppelt so lange wie bei den 15- bis 24-jährigen Stellensuchenden.

Entsprechend haben über 50-Jährige eine höhere Langzeitarbeitslosenquote als die übrigen Altersgruppen. Der Anteil Langzeitarbeitsloser innerhalb der Gruppe der älteren Arbeitslosen lag 2018 bei 26,1 Prozent, bei den 25- bis 49-Jährigen sind es hingegen nur 12,7 Prozent.

Seit der Corona-Krise hätten sich bei den Gewerkschaften auffällig mehr über 55-Jährige gemeldet, sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Darunter befänden sich auch Fälle, wo Arbeitgeber zwar Kurzarbeit angemeldet, einzelne ältere Mitarbeiter aber davon ausgenommen hätten. Ihnen sei gekündigt worden. «Für die Betroffenen ist das ein Schock», betont Lampart. Denn sie hätten es in der Corona-Krise noch schwerer, wieder einen Job zu finden. (gnc)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.