Teuerung unter 2 Prozent
Kann die SNB auf weitere Zinserhöhungen verzichten?

Die Teuerungsrate liegt nun im von den Währungshütern anvisierten Zielband. Was das für das weitere Vorgehen der SNB heisst.
Publiziert: 04.07.2023 um 12:42 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2024 um 14:20 Uhr
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Seit vergangenem Sommer hat die SNB in fünf Schritten die Leitzinsen von –0,75 auf +1,75 Prozent erhöht.
Foto: Zamir Loshi
Peter Rohner
Handelszeitung

Stabile Preise zu garantieren, ist die wichtigste Aufgabe der Zentralbanken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) versteht unter Preisstabilität einen Anstieg der Konsumentenpreise von weniger als 2 Prozent.

Dieses Ziel hat sie nun bereits erreicht: Die Konsumentenpreis-Inflation ist im Juni von 2,2 auf 1,7 Prozent gefallen. So tief war die Teuerung seit Anfang 2022 nicht mehr. Seit vergangenem Sommer hat die SNB in fünf Schritten die Leitzinsen von –0,75 auf +1,75 Prozent erhöht, um die Inflation zu bremsen, die zwischenzeitlich auf 3,5 Prozent geklettert war. Bedeutet der Rückgang der Inflationsrate unter 2 Prozent jetzt, dass die SNB ihren Job erledigt hat und die Zinsen nicht mehr weiter erhöhen muss?

Die Sache ist leider etwas komplizierter.

Tatsächlich spricht immer weniger für weitere Zinserhöhungen. Das hat allerdings wenig mit dem jüngsten Rückgang der Inflation auf 1,7 Prozent zu tun. Denn dieser hängt vor allem mit der Normalisierung der Energiepreise zusammen. Vor einem Jahr war der Erdölpreis wegen des Ukraine-Kriegs ein Drittel höher als heute. Der Rückgang der Benzin- und Heizölpreise schlägt nun voll auf die Inflationsrate und schmälert diese. Auch die SNB hatte wegen dieses sogenannten Basiseffekts einen Rückgang der Teuerung in ihren Prognosen Anfang Jahr erwartet.

Jordan traut dem Rückgang nicht

Viel wichtiger für die Einschätzung der Inflation aber ist das Verhalten jener Preise, die nicht von externen Faktoren wie dem Ölpreis abhängen. Dabei handelt es sich auch um jene, auf die die Zentralbank mit Steuerung der Gesamtnachfrage Einfluss nehmen kann. Das Erfreuliche aus Sicht der SNB ist: Auch in diesem Bereich hat sich die Inflation gelegt. Die vom Bundesamt für Statistik ausgewiesene Kerninflation 1 ohne Energie und saisonale Produkte liegt bei 1,8 Prozent. Die international standardmässig verwendete Definition der Kernrate ohne Energie- und Lebensmittelpreise beträgt sogar nur noch 1,2 Prozent.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Das ist der grosse Unterschied zu den USA und den Euro-Ländern: Dort liegt die Kerninflation über der Gesamtteuerung. In Spanien etwa ist die Inflation wegen der Normalisierung der Energie- und Lebensmittelpreise ebenfalls zügig auf unter 2 Prozent gefallen, die Kernrate der Teuerung beträgt aber nach wie vor viel zu hohe 5,9 Prozent.

Bezüglich der aktuellen Inflationsdynamik hat die SNB kaum mehr Gründe, die Zinsen weiter zu erhöhen. Warum aber sagte SNB-Präsident Thomas Jordan (60) noch vor einer Woche im Radio SRF, die Geldpolitik sei möglicherweise noch nicht straff genug?

Weil er dem Rückgang noch nicht richtig traut und nicht voreilig grünes Licht geben will. Es ist extrem schwierig abzuschätzen, wie sich die Inflation entwickelt, wenn günstige Basiseffekte durch die fallenden Energiepreise verschwunden sind. Die SNB hat jüngst die Inflationsprognosen fürs laufende Jahr zwar gesenkt, dafür aber jene fürs nächste Jahr erhöht.

Ausgetrockneter Arbeitsmarkt und steigende Löhne

Noch gibt es keine Anzeichen, dass die zugrunde liegenden Treiber der Inflation nachlassen: Der Arbeitsmarkt bleibt extrem ausgetrocknet und die Löhne dürften nochmals steigen. Anders als in Deutschland muss die Schweiz keine Rezession befürchten, denn die Konsumentinnen und Konsumenten haben kaum an Kaufkraft verloren und geben das während der Pandemie angesparte Geld mit vollen Händen aus. Sie nehmen dabei auch höhere Preise in Kauf, wie die grosse Nachfrage nach Flügen, Restaurantbesuchen und Konzerttickets zeigen.

Der zweite Grund für Jordans Vorsicht ist die Entwicklung in der Euro-Zone. Solange die Europäische Zentralbank wegen der Inflation so stark auf die Bremse drückt, ist auch die SNB unter Zugzwang. Ansonsten weitet sich die Zinsdifferenz zu sehr aus und könnte die Stärke des Frankens unterminieren, die bisher dafür gesorgt hat, dass die importierte Inflation bescheiden blieb. Wenn die EZB aber im Sommer von ihrem eingeschlagenen Kurs abweicht, stehen die Chancen gut, dass die SNB bei der nächsten Sitzung im September stillhält.

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