Für acht Milliarden Euro will Swisscom Vodafone Italia kaufen und mit der Tochterfirma Fastweb fusionieren, die bereits seit 2007 zum Schweizer Telekomkonzern gehört.
Dass die Italien-Pläne diese Woche publik geworden sind, war nicht nach dem Gusto der Swisscom-Spitze um CEO Christoph Aeschlimann (47). Medienchef Sepp Huber betont gegenüber Blick: «Der Plan war, die Verhandlungen mit Vodafone zu Ende zu führen und dann den unterzeichneten Übernahmedeal der Öffentlichkeit zu präsentieren.»
Börsenrichtlinien liessen dem Konzern jedoch keine andere Wahl: Weil Verhandlungsdetails an die Nachrichtenagentur Bloomberg durchgesickert waren, musste man informieren.
«Eine Privatisierung muss geprüft werden»
Nun sieht sich Swisscom, zu 51 Prozent im Besitz der Eidgenossenschaft, mit grundlegenden Fragen zu ihrer Identität konfrontiert. «Es ist Zeit, die Swisscom zu privatisieren», meinte die «NZZ» nach Bekanntwerden der Expansionspläne.
Auch in Bundesbern wollen Verfechter der freien Marktwirtschaft die Gunst der Stunde nutzen. FDP-Präsident Thierry Burkart (48) und seine Partei plädieren schon lange für eine voll privatisierte Swisscom. Gestern schlug GLP-Präsident Jürg Grossen (54) im Blick ähnliche Töne an. «Eine Privatisierung muss geprüft werden», sagte er.
Die SVP liebäugelt ebenfalls mit der Idee, dass der Bund seine Anteile am Telekomkonzern abstösst. Wenn die Swisscom vollständige unternehmerische Freiheit wolle, müsse sie privatisiert werden, schrieb die Partei in einer Mitteilung. «Die SVP lehnt Auslandabenteuer mit faktischer Staatsgarantie ab.»
Was diese Aussagen der SVP in der Praxis bedeuten, bleibt allerdings unklar. Die Mitteilung suggeriert, das letzte Wort zur Italien-Expansion sei noch nicht gesprochen. Dabei hat der Bundesrat der Übernahme offenbar bereits seinen Segen erteilt – sonst wären die Verhandlungen nie so weit gekommen.
Swisscom rechnet deshalb nicht damit, dass die Politik den Deal noch verhindern kann. «Die Kompetenz zur Genehmigung einer allfälligen Übernahme und der entsprechenden Verträge liegt beim Verwaltungsrat von Swisscom», sagt Konzernsprecher Huber.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (45) wollte sich gegenüber Blick nicht zur Frage äussern, wie seine Partei die Übernahme doch noch stoppen kann. In einer Umfrage bei sämtlichen Mitgliedern der Wirtschafts- und Fernmeldekommissionen beider Kammern verweigerten zudem fast alle SVP-Parlamentarier eine Antwort.
Dennoch zeigt die Blick-Umfrage, dass die Privatisierungspläne durchaus Chancen haben könnten. Insbesondere in den Wirtschaftskommissionen (WAK) gibt es dafür Sympathien. In der WAK des Ständerats zum Beispiel beteiligten sich zehn von 13 Mitgliedern an der Umfrage. Nur zwei lehnen eine Privatisierung kategorisch ab. Fünf sprechen sich dafür aus, drei zeigen sich offen für eine Diskussion.
Dabei überrascht, dass sich auch Mitte-Vertreter wie Peter Hegglin (63) eine «vollständige Privatisierung» vorstellen können. Der Zuger Ständerat ist allerdings der Überzeugung, dass es in diesem Fall weiterhin «ordnende Regelungen des Staates» brauche.
Gewinne sind privat, Verluste übernehmen die Steuerzahler
Im Nationalrat könnte eine Allianz aus SVP, FDP und GLP die Basis für das Vorhaben bilden. Die drei Fraktionen verfügen in der grossen Kammer über 100 von 200 Sitzen. Zünglein an der Waage dürfte auch hier die Mitte-Fraktion sein. Dort allerdings gehen die Meinungen auseinander. Philipp Kutter (48), Präsident der Fernmeldekommission, ist offen für die Diskussion über eine weitere Liberalisierung, denkt aber auch über Einschränkungen nach: «Es wäre sicherlich zu überlegen, ob eine Regelung gefunden werden muss, mit der ein Verkauf ins Ausland verhindert werden kann.»
Für andere Mitte-Vertreter dagegen – nicht selten stammen sie aus ländlich geprägten Kantonen – ist eine Privatisierung tabu. So erklärt der Bündner Nationalrat Martin Candinas (43): «Eine komplett privatisierte Swisscom, die einzig der Rendite verpflichtet ist, wäre für die ländlichen Regionen und Berggebiete eine Katastrophe.»
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (62) findet die Diskussion über eine weitere Privatisierung der Swisscom derweil «völlig deplatziert». Sie ist vielmehr der Meinung, dass die Teilprivatisierung des Unternehmens rückgängig gemacht werden sollte. «Grundgüter gehören ins Eigentum der öffentlichen Hand», sagt die Wirtschaftspolitikerin.
Badrans zentraler Kritikpunkt: «Wenn es der Swisscom gut geht, profitieren davon auch die privaten Aktionärinnen und Aktionäre. Sollte das Unternehmen jedoch eines Tages in existenzielle Nöte geraten, springt am Ende der Bund ein.» Mit anderen Worten: Gewinne sind privat, Verluste übernehmen die Steuerzahler.