TCS-Boss lanciert Benzinpreisradar
«Wir nehmen die finanziellen Probleme ernst»

Achten Sie beim Tanken auf den Benzinpreis? Der TCS lanciert mit dem Benzinpreisradar ein landesweites, benutzergeneriertes Preisvergleichstool für Treibstoffe. SonntagsBlick unterhält sich mit TCS-CEO Jürg Wittwer zu den Zielen dieser Innovation.
Publiziert: 27.11.2022 um 00:56 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2022 um 10:01 Uhr
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Er schreitet zur Tat und lanciert eine neue Spritpreis-Vergleichsplattform: TCS-Generaldirektor Jürg Wittwer.
Foto: Thomas Meier
Jean-Claude Raemy

Die hohen Spritpreise von über 2.30 Franken für Bleifrei 95 im Frühjahr fuhren ein. Die Literpreise haben zwar wieder etwas nachgegeben, dennoch fallen die Preisdifferenzen zwischen einzelnen Tankstellen massiv ins Gewicht. Und treffen die einzelnen Automobilisten empfindlich im Portemonnaie. Genug damit, heisst es beim Touring Club Schweiz (TCS). TCS-Generaldirektor Jürg Wittwer (52) will dem Treiben der Mineralölkonzerne nicht mehr länger tatenlos zusehen. Bislang gab es in der Schweiz – im Gegensatz zu unseren Nachbarländern – kein Preisvergleichstool für Benzinpreise. Das ändert sich nun schlagartig, wie Wittwer ankündigt.

Herr Wittwer, warum lanciert der TCS einen Benzinpreisradar?
Jürg Wittwer: Viele TCS-Mitglieder und auch Nichtmitglieder haben nach einem Preisvergleichstool gefragt, als die Benzinpreise im Frühjahr besonders hoch waren. Daraus entstand die Idee, etwas auf die Beine zu stellen. Nach sechs Monaten Entwicklungszeit sind wir jetzt mit unserer Lösung bereit.

Das Schweizer Parlament diskutiert den Aufbau einer staatlichen Benzinpreisvergleichsplattform. Ein Entscheid hierzu sollte in Kürze fallen. Wieso lanciert der TCS jetzt schon eine eigene Plattform?
Wir nehmen die finanziellen Probleme der Schweizer Bevölkerung ernst und wollten aktiv Abhilfe schaffen. Wir haben uns schon vor der politischen Debatte mit dieser Idee herumgetragen. Sollte der Bund ein Preisvergleichstool lancieren, werden wir weitersehen. Bis zur Umsetzung eines staatlichen Tools dauert es ohnehin noch eine Weile, und bis dahin können wir eine Lücke füllen.

Sehen Sie sich denn als Ergänzung oder als Konkurrent einer allfälligen staatlichen Benzinpreisplattform?
Wir schauen das dann an, wenn klar ist, ob und in welcher Form etwas von staatlicher Seite kommt. Sollten die Preisinformationen tatsächlich öffentlich zugänglich sein, könnten wir diese in unsere App integrieren. Aber das ist Spekulation. Wir wollen – wie gesagt – das Problem der fehlenden Benzinpreisübersicht in der Schweiz hier und jetzt angehen.

Persönlich

Jürg Wittwer (52) ist seit 2016 Direktor des Touring Club Schweiz (TCS), des grössten Mobilitätsklubs des Landes mit 1,5 Millionen Mitgliedern und 1700 Mitarbeitenden. Während und nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen (HSG) arbeitete er als freier Journalist, bevor er 1995 zur Reiseversicherungsgruppe Elvia wechselte. Nach diversen Auslandsstationen trat er 2010 in die Geschäftsleitung der Allianz Schweiz ein. Jürg Wittwer ist im Berner Oberland und in Burkina Faso aufgewachsen. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Jürg Wittwer (52) ist seit 2016 Direktor des Touring Club Schweiz (TCS), des grössten Mobilitätsklubs des Landes mit 1,5 Millionen Mitgliedern und 1700 Mitarbeitenden. Während und nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen (HSG) arbeitete er als freier Journalist, bevor er 1995 zur Reiseversicherungsgruppe Elvia wechselte. Nach diversen Auslandsstationen trat er 2010 in die Geschäftsleitung der Allianz Schweiz ein. Jürg Wittwer ist im Berner Oberland und in Burkina Faso aufgewachsen. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Lancieren Sie lediglich eine kurzfristig nutzbare Plattform?
Nein, wir stellen uns auf langfristigen Nutzen für alle ein. Wir werden nach den ersten Feedbacks auch noch weitere Funktionalitäten einbauen. Welche das sind, ist derzeit noch nicht spruchreif.

Im Gegensatz zum Frühjahr sind die Zapfsäulenpreise wieder etwas gesunken. Braucht es Ihren Benzinpreisradar überhaupt noch?
Der Benzinpreis mag sich etwas entspannt haben. Die Schweizer Bevölkerung leidet aber unter der Inflation und höheren Energie- oder Gesundheitskosten. Wir bieten eine Möglichkeit, den steigenden Kosten zu begegnen, indem man günstiger tanken kann. Es gibt grundsätzlich keinen Grund, aufgrund fehlender Information für irgendetwas mehr zu bezahlen. Online können wir heute von Socken bis Versicherungen alle Preise vergleichen. Warum sollte Treibstoff hier eine Ausnahme sein?

Sie beantworten die Frage nicht!
Klar ist mehr öffentliches Interesse da, wenn der Benzinpreis hoch ist. Aber unser Benzinpreisradar ist auch dann nützlich, wenn der Preis nicht mehr so hoch ist. Jeder gesparte Rappen zählt. Darum wird unsere Plattform auch populär sein, wenn der Benzinpreis kein akutes Thema mehr ist.

Welche Preisdifferenzen haben Sie mit der neuen App schon aufgedeckt?
TCS-Mitarbeitende haben bislang über 25'000 Einträge in die Plattform vorgenommen. Da haben wir Preisdifferenzen von bis zu 30 Rappen pro Liter entdeckt. Das fällt schnell ins Gewicht. Natürlich macht es nicht immer Sinn, wegen geringer Differenzen eine andere Tankstelle aufzusuchen. Es gilt die «Fünfer-Regel»: Ein um 5 Rappen pro Liter tieferer Preis lohnt sich nur bei einem Umweg von bis zu 5 Kilometern pro Wegstrecke und bei einer Tankfüllung von mindestens 50 Litern.

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Wie wichtig ist der Benzinpreis im Budget der Schweizer Konsumenten?
Das kommt ganz darauf an. Kurz nachgerechnet: Ein Schweizer fährt pro Jahr durchschnittlich rund 12'000 Kilometer. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von sieben Litern pro 100 Kilometer und rund zwei Franken pro Liter kommt man auf Benzinkosten von rund 1700 Franken. Das ist natürlich tiefer als grosse Ausgabeposten wie Miete oder Gesundheit. Aber hier lässt sich eben auch gut sparen – mit dieser Berechnung rund 250 Franken pro Jahr.

Schaffen Sie es mit der Plattform, den Benzinpreis an sich zu senken?
Die Plattform ermöglicht, was im Internet für die meisten Produkte längst üblich ist, nämlich Preisübersicht. Eine solche übt immer Preisdruck aus und ist volkswirtschaftlich sinnvoll. Insofern ist es durchaus auch gewünscht, einen positiven Einfluss auf den Benzinpreis zu haben.

Wie profitiert der TCS selber davon?
Als Verein gehen wir anders vor als privatwirtschaftliche Unternehmen. Wir tun, was wir für unsere Mitglieder und für die Schweiz für sinnvoll und richtig halten. Und hoffen, dass der Verein für sein Investment und Engagement belohnt wird.

Wieso hat sich die Schweiz bislang so schwergetan mit der Transparenz bei Treibstoffpreisen?
Gute Frage. Vielleicht mussten Schweizerinnen und Schweizer aus verschiedenen Gründen bisher weniger genau auf den Benzinpreis achten. Wir sprechen über Rappen-Differenzen. Aber diese machen über ein ganzes Jahr möglicherweise dennoch recht viel Geld aus.

Die Plattform hilft aber nur, wenn die Daten aktuell sind. Riskiert man bei einer partizipativen Plattform nicht, dass es – angesichts von 3300 Tankstellen in der Schweiz – Lücken hat oder veraltete Preise angezeigt werden?
Ich bin überzeugt, dass das klappen wird. Solche partizipativen Modelle entsprechen dem Zeitgeist. Es kann sein, dass die Angaben bei entlegenen Tankstellen nicht immer aktuell sind. Aber in bevölkerungsreichen Gegenden werden wir die Preise sehr schnell abdecken können. Zu Beginn ist es ein Huhn-Ei-Problem. Wir werden deshalb auch weiterhin selber Daten einspeisen. Ich habe aber keine Zweifel daran, dass viele mitmachen.

Wie verhindern Sie, dass die Plattform missbräuchlich genutzt wird, also absichtlich falsche Preisangaben erfasst werden?
Wir haben dieses Risiko berücksichtigt. Man kann nicht beliebig Daten erfassen, sondern muss bei der Eingabe physisch vor Ort sein. Das wird über eine Ortung sichergestellt. Zudem werden Falschangaben schneller entlarvt, je mehr Nutzer aktiv sind. Wenn zehn Nutzer für eine Tankstelle einen Literpreis von 1.90 Franken eingeben und einer gibt 1.30 Franken an, ist die Sachlage klar. Die Masse definiert sozusagen die Qualität der Angaben.

Und wenn der Tankwart falsche Preise einspeist?
Wir ermutigen auch Tankstellen, selber ihre Preise einzuspeisen. Wenn ein Tankwart absichtlich falsche Angaben macht, wird das schnell aufgedeckt. Wir könnten im Wiederholungsfall solche Tankstellen in der App unsichtbar machen.

Warum sind keine Tankstellen gleich jenseits der Grenze erfasst? Das wäre doch hilfreich.
Zum einen gibt es schon Preisvergleichs-Apps im Ausland, die Information ist also verfügbar. Zum andern wollten wir uns auf die Schweiz konzentrieren.

Sie wünschen sich eigentlich, dass die Schweizer Bevölkerung bei jedem Tankvorgang reflexartig den aktuellen Preis in der App aktualisiert. Schaffen Sie dafür auch Anreize?
Für jeden Dateneintrag werden Punkte vergeben, die sich in Gewinnspielen mit Wettbewerbspreisen einsetzen lassen. Fleissige Nutzer können dabei Benzinpreisgutscheine gewinnen.

So funktioniert die TCS-Plattform für Benzin- und Dieselpreis-Vergleiche

Der Benzinpreis-Radar des Touring Club Schweiz (TCS) ist für Smartphone und Desktop unter tcs.ch/benzin und bald über die TCS-App kostenlos für die ganze Bevölkerung zugänglich. Auf einer interaktiven Karte der Schweiz sind die aktuellen Literpreise für Bleifrei, Diesel, Ethanol, LNG oder CNG an sämtlichen, bereits ­erfassten Tankstellen ersichtlich. Deren Zahl wächst laufend, denn die Automo­bilisten-Community speist diese Preise in die Plattform ein: Nutzerinnen und Nutzer können via TCS-Login oder nach Registrierung auf der Webseite die je­weiligen Treibstoffpreise an einer oder mehreren Tankstellen selbst und in Echtzeit auf der Plattform eintragen oder ak­tualisieren. Kurz vor der offiziellen Lancierung sind bereits über 25 000 Einträge vorhanden. Gegen missbräuchliche ­Preisangaben hat der TCS einen Schutzmechanismus integriert, der auf Geo­lokalisierung basiert. Der TCS hofft auf viele aktive Teilnehmende auf der Plattform. Damit würde der Benzinpreis-Radar zu einem nützlichen und unabhängigen Vergleichstool.

Der Benzinpreis-Radar des Touring Club Schweiz (TCS) ist für Smartphone und Desktop unter tcs.ch/benzin und bald über die TCS-App kostenlos für die ganze Bevölkerung zugänglich. Auf einer interaktiven Karte der Schweiz sind die aktuellen Literpreise für Bleifrei, Diesel, Ethanol, LNG oder CNG an sämtlichen, bereits ­erfassten Tankstellen ersichtlich. Deren Zahl wächst laufend, denn die Automo­bilisten-Community speist diese Preise in die Plattform ein: Nutzerinnen und Nutzer können via TCS-Login oder nach Registrierung auf der Webseite die je­weiligen Treibstoffpreise an einer oder mehreren Tankstellen selbst und in Echtzeit auf der Plattform eintragen oder ak­tualisieren. Kurz vor der offiziellen Lancierung sind bereits über 25 000 Einträge vorhanden. Gegen missbräuchliche ­Preisangaben hat der TCS einen Schutzmechanismus integriert, der auf Geo­lokalisierung basiert. Der TCS hofft auf viele aktive Teilnehmende auf der Plattform. Damit würde der Benzinpreis-Radar zu einem nützlichen und unabhängigen Vergleichstool.

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