Die Gewinne der Ölmultis sprudeln wie noch nie, was angesichts der hohen Ölpreise auch kein Wunder ist. Eben erst hat Saudi Aramco, der weltgrösste Erdölproduzent, einen Rekordgewinn vermeldet. Im zweiten Quartal spülte es den Scheichs mehr als 48 Milliarden Dollar in die Kasse, 90 Prozent mehr als im Vorjahresquartal – also fast das Doppelte. Damit sind die Saudis in bester Gesellschaft: Der US-Gigant Exxon hat seinen Quartalsgewinn fast, der britische Ölmulti BP sogar mehr als verdreifacht. Bereits im ersten Quartal hatten sich die Gewinne der gesamten Branche verdreifacht.
Die Erklärung ist eine einfache: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kletterte der Ölpreis in schwindelerregende Höhe, kostete ein Fass Rohöl über 133 Dollar. Auch im Juni gab es eine erneute Ölpreis-Hausse bis auf einen Fasspreis von 122 Dollar. Wer also Öl aus dem Boden pumpen konnte, der hat sich von April bis Juni ohne grosses Zutun eine goldene Nase verdient.
An der Zapfsäule nicht spürbar
Allerdings ist der Erdölpreis seither deutlich gefallen. Die Prognose dürfte nicht allzu gewagt sein, dass das Glück der Ölmultis nicht von langer Dauer sein wird. Denn langfristig geht der Trend – auch wegen des Klimawandels – Richtung weniger Erdölverbrauch. Es wäre also durchaus angezeigt, die riesigen Gewinne in eine CO2-freiere Zukunft zu investieren.
Klar aber ist eines: In tiefere Preise an der Zapfsäule zugunsten der arg gebeutelten Autofahrer rund um den Globus werden diese Gewinne nicht investiert. Denn der Ölpreis liegt im Moment noch leicht über 90 Dollar, also etwa in der Region, wo er sich bei Ausbruch des Ukraine-Kriegs befand. Im Februar kostete der Liter Bleifrei 95 in der Schweiz im Schnitt 1.86 Franken, im Moment um 2.15 Franken.
Das Störende daran: Der Benzinpreis hält mit dem gesunkenen Ölpreis bei weitem nicht mit. Viele vermuten eine ungerechtfertigte Bereicherung der Tankstellenbetreiber, der Preisüberwacher hat eine Untersuchung eingeleitet.
Mangel an Erdölprodukten
Das banale Problem: Mit Rohöl fährt kein Auto, das schwarze Gold muss erst raffiniert, also verarbeitet werden – zu Treibstoffen aller Art. Doch gerade in den USA und Europa sind in den vergangenen Jahren viele Raffinerien verschwunden, wurde kein Geld in die Erneuerung der Anlagen investiert. Dagegen haben die Ölmultis das Raffineriegeschäft in Asien ausgebaut. Zudem fehlen verarbeitete Ölprodukte aus Russland und aus China – wegen der Sanktionen und weil die Chinesen aus Umweltschutzgründen vermehrt für den inländischen Markt produzieren. Die Versorgung mit Benzin und anderen Treibstoffen ist gerade in Europa eher knapp.
Dazu kommen die Wetter- und Klimakapriolen: Viele US-Raffinerien liegen an der Golfküste, dort beginnt nun die Hurrikan-Saison, es drohen Produktionsunterbrüche. Zudem haben die rekordtiefen Pegelstände am Rhein die Transportkosten für Benzinprodukte stark ansteigen lassen. All das führt dazu, dass wir wohl noch eine ganze Weile für eine Tankfüllung tiefer als sonst in die Tasche werden greifen müssen. Selbst wenn der Ölpreis weiter sinkt.