Bei seiner (physischen) Einführung Anfang 2002 kostete der Euro noch 1,48 Franken und in den Jahren danach stieg er gar über 1,60 Franken. Tempi passati: Mitte 2022 fiel der Eurokurs unter die Parität und markierte Ende September bei 0,9405 Franken ein Rekordtief. Lediglich im Januar 2015 nach der Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) notierte der Euro noch tiefer. Damals hatte sich die Gemeinschaftswährung aber rasch wieder über die Parität erholt.
Ein wichtiger Grund für die Euro-Schwäche ist die hohe Inflationsdifferenz zwischen der Schweiz und der Eurozone. Während hierzulande die Teuerung im November 3 Prozent betragen hat, sind die Preis im Euroraum zuletzt um 10 Prozent gestiegen. Zudem hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) schon im Juni die Zinsen erstmals kräftig angehoben und seitdem zweimal nachgedoppelt. Zwar folgte die EZB ab Juli nach. Aber Ökonomen werfen ihr ein zu zögerliches Vorgehen bei der Inflationsbekämpfung vor. Zusätzlich leidet der Euro unter der hohen Verschuldung einzelner Mitgliedsländer.
Euro ist stark, wenn die Wirtschaft stark ist
Ein wichtiger Grund für die Euroschwäche ist nach Ansicht von Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie der St. Galler Kantonalbank, die Geldpolitik der EZB. «Die EZB hat die Inflationsbekämpfung verschlafen», sagt Hilb. Deshalb seien die Zinserwartungen tiefer und gleichzeitig die Inflation höher. Diese Kombination aus Geldpolitik und steigender Inflation habe das Vertrauen in den Euro und damit die Währung belastet. Zudem sei die Verschuldungsproblematik auch ein Grund für einen schwächeren Euro. «Die Gemeinschaftswährung und ihre Geldpolitik haben noch kein Rezept gefunden, um diese zu stabilisieren.»
Ausserdem habe der Euro einen «zyklischen Charakter», sagt Hilb. Das heisst, er ist dann gefragt, wenn die Wirtschaft läuft und die Börsenkurse steigen. Wenn die Stimmung an den Finanzmärkten gut sei, seien die Anleger bereit, auch Risiken einzugehen. Auf der anderen Seite steht der Euro unter Druck, wenn die Börsenkurse fallen, wie zuletzt geschehen. In solchen Zeiten legen der Schweizer Franken und der US-Dollar zu. «Das sind beides Währungen, die in unsicheren Zeiten gesucht sind», sagt die SGKB-Expertin.
Weitere Zinsschritte? Es gibt «Überraschungspotenzial»
Einen weiteren Grund für den schwachen Euro nennt Thomas Heller, Anlagechef bei Belvédère Asset Management. Laut ihm ist die Eurozone viel stärker als andere Regionen vom Krieg in der Ukraine betroffen. Der Konflikt hat zudem eine Energiekrise ausgelöst, welche die europäische Wirtschaft in eine Rezession stürzen könnte. Vor allem lahme Deutschland, die grösste Volkswirtschaft des Währungsraums, ergänzt Hilb. Anders als für Europa erwartet Heller keine Rezession in den USA und der Schweiz.
Die EZB habe in den letzten Wochen ihre Handlungsfähigkeit bewiesen, wenn auch spät, und das dürfte den Euro immerhin stabilisieren, sagt Hilb. Dennoch dürfte der Euro 2023 unter der Parität bleiben.
Weil die EZB ihre Zinsen nun wegen der hohen Inflation stärker anheben dürfte als die Schweizerische Nationalbank, werde sich die Zinsdifferenz ausweiten, sagt Heller. Das werde den Euro stützen. «Meine Erwartung für die kommenden Monate: Seitwärtsbewegung um das aktuelle Niveau herum, mit Überraschungspotenzial nach oben», fasst Heller seine Prognose zusammen.
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Euro-Taucher unter 92 Rappen möglich
Die Bank Valiant bringt zudem das Wetter ins Spiel. Nur wenige Wochen kaltes Winterwetters in Europa könnten angesichts der Energieknappheit dazu führen, dass der erwartete Wirtschaftsabschwung noch stärker ausfällt.
In einem solchen Fall würde die EZB wohl ihren Zinserhöhungszyklus abrupt stoppen. Und dies trotz erneut steigender Inflation. Dann käme es wahrscheinlich zu einem «Wiedersehen» mit dem Jahrestief von 0,9405 Franken, so Valiant. Auch ein Taucher des Euro unter 92 Rappen wird nicht ausgeschlossen.
Bei der Credit Suisse schliesslich schaut man auf die SNB und ihre Devisenkäufe. Sollte der Franken in den Augen der SNB zu rasch an Wert verlieren, also der Euro aufwerten, dürfte die SNB mit Devisenverkäufen dagegenhalten, so die CS. «Wir halten daher an unserer negativen Beurteilung für den Euro mit einem Kursziel von 0,97 Franken in zwölf Monaten fest», resümiert die zweitgrösste Schweizer Bank. (SDA)