Bezahlbarer Wohnraum ist in Schweizer Städten aktuell in etwa so schwierig zu finden wie die Nadel im Heuhaufen. Dabei bräuchte es dringend mehr erschwingliche Wohnungen. Denn die Miet- und Nebenkosten steigen rasant an und machen längst nicht mehr nur Geringverdienern zu schaffen. Anfang Juni wurde der hypothekarische Referenzzinssatz zum ersten Mal in seiner Geschichte angehoben. Für ganz viele Mieterinnen und Mieter heisst das: Ab Oktober wird Wohnen noch teurer.
Klar, dass da der Ruf nach mehr günstigem Wohnraum laut wird. Wer in einer Genossenschaftswohnung lebt, zahlt im Schnitt mehrere Hundert Franken weniger als Mieter in Wohnungen von privaten oder institutionellen Eigentümern. Wie viel genau, zeigt eine neue Studie der Raiffeisen, die Blick exklusiv vorliegt.
Mieter sparen 300 Franken im Monat
So kostet eine städtische, genossenschaftliche Altbauwohnung mit 80 bis 110 Quadratmetern etwas mehr als 1100 Franken pro Monat. Auch Mietobjekte der öffentlichen Hand sind mit rund 1200 Franken monatlich verhältnismässig günstig. Gegenüber den privaten Eigentümern, die eine solche Wohnung im Schnitt für rund 1400 Franken vermieten, entspricht dies einem Rabatt von 21 und 14 Prozent. Ein Teil dieser Differenz dürfte sich durch Unterschiede in der Lage, im Zustand und in der Qualität der typischerweise gehaltenen Objekte erklären.
Auch bei den Neubauwohnungen gibt es deutliche Preisunterschiede zwischen staatlichen und genossenschaftlichen Mietobjekten und den privaten. Eine städtische Wohnung, die in den letzten fünf Jahren erstellt wurde, kostet in einer Genossenschaft im Mittel 1800 Franken. Bei der öffentlichen Hand sind es 1900 Franken. Im Gegensatz zu den wesentlich teureren Wohnungen von privaten Eigentümern entspricht das einem Rabatt von 19 und 17 Prozent. Die Preisunterschiede zwischen den Privathaushalten und den am Wohnungsmarkt tätigen Unternehmen halten sich derweil in Grenzen.
Unterstützungsmassnahmen kosten Geld
Werden die mittleren Mietzinsen für eine typische Stadtwohnung zu verschiedenen Zeitpunkten verglichen, zeigt sich, dass bei sämtlichen Eigentümertypen die Mieten über die Jahre gestiegen sind – sowohl bei Alt- als auch Neubauten. Die Preisanstiege fallen bei privaten Eigentümern und institutionellen Investoren allerdings deutlich höher aus.
Einkommensschwache Haushalte profitieren vom günstigen Wohnraum. Doch jede Medaille hat auch eine Kehrseite. «Es darf nicht vergessen werden, dass die gemeinnützige Wohnbauförderung nicht einfach gratis ist», sagt Fredy Hasenmaile (56), Chefökonom der Raiffeisen. «Unterstützungsmassnahmen und Subventionen, in welcher Form auch immer, kosten den Steuerzahler schlussendlich Geld.» Fast jeder, der also nicht von einer solchen vergünstigten Wohnung profitieren könne, finanziere die Vergünstigungen anderer Mieter indirekt mit.
Nicht alle erhalten Subventionen
Zwar gibt es Wohngenossenschaften, die ganz ohne Subventionen auskommen – allerdings längst nicht alle. Die genauen Verhältnisse sind allerdings oft unklar, weil es an Transparenz mangelt. Das Problem: Auch wenn keine staatlichen Gelder fliessen, ist es möglich, dass Wohnbaugenossenschaften beispielsweise das Bauland günstiger erhalten.
«Solange das bedürftigen Haushalten zugutekommt, ist dagegen wenig einzuwenden», so Hasenmaile. Doch das ist längst nicht immer der Fall. Rund die Hälfte der Mieter von Genossenschaftswohnungen entstammt laut der Studie den mittleren und oberen Einkommensklassen. Sie wären also nicht auf Vergünstigungen angewiesen. Man müsse sich deshalb fragen, ob gemeinnützige Bauträger möglicherweise nur auf den ersten Blick die besseren Vermieter seien.
Rebecca Omoregie (50) vom Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz wehrt sich gegen diese Darstellung. «Genossenschaftswohnungen richten sich an alle Bevölkerungsgruppen», sagt sie zu Blick. Man strebe eine Durchmischung an. «Es ist nicht die Aufgabe der Genossenschaften, Wohnraum nur für sozial Schwache zur Verfügung zu stellen», sagt Omoregie. Das wäre sozialpolitisch auch nicht sinnvoll, sondern würde die Segregation fördern. Wohnbaugenossenschaften streben durchmischte Siedlungen an, in denen das Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Hintergründen gefördert wird.
Das Argument, dass Steuerzahler den genossenschaftlichen Wohnungsbau indirekt mitfinanzieren, greift laut Omoregie zu kurz. «Erstens fliessen kaum staatliche Gelder in den genossenschaftlichen Wohnungsbau, und zweitens profitieren von den Genossenschaftssiedlungen nicht nur diejenigen Personen, die in den Wohnungen leben, sondern ganze Quartiere und in einem gewissen Sinne die ganze Gesellschaft».
Dazu komme, dass die Nachfrage nach gemeinnützigen Wohnungen viel höher ist als das Angebot. Deshalb braucht es laut dem Verband mehr gemeinnützigen Wohnungsbau. Und zusätzliche Massnahmen, den gemeinnützigen Bauträgern Zugang zu geeigneten Arealen verschaffen.