Strategische Umbaupläne
Aktivistischer Investor Cevian erhöht den Druck auf die Baloise

Cevian fordert die Baloise-Führung zum Strategieschwenk auf. Bisher ohne Erfolg. Mittlerweile gilt der Versicherer als Übernahmekandidat.
Publiziert: 19.09.2024 um 17:06 Uhr
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Vor dem Eingang sitzt ein Drache: Seit dem Einzug des Investors Cevian ins Aktionariat der Baloise ist es am Hauptsitz des Versicherers mit der Ruhe vorbei.
Foto: PD (Pressedienst)

Auf einen Blick

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Holger Alich und Michael Heim
Handelszeitung

Das Verdikt der Börse scheint paradox: Mit dem Strategie-Update vergangene Woche hat Baloise-Chef Michael Müller enttäuscht. Zu wenig, zu mutlos, so das Urteil. Dennoch ist die Baloise von allen Schweizer Versicherern gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis inzwischen am höchsten bewertet. 

Die Märkte wetten: Müllers mutloser Move war nicht das letzte Wort. Denn mittlerweile hält der aktivistische Investor Cevian knapp 10 Prozent an der Baloise – und drängt auf radikalere Veränderungen. Der Investor, der schon beim Industrieriesen ABB einen Grossumbau angestossen hat, hat einen langen Atem und einen klaren Plan. «Mehr Mobiliar wagen», so könnte man ihn umreissen. Das geht aus den Forderungen hervor, die bislang bekannt wurden: Die Baloise solle wie der genossenschaftliche Rivale auf das Schweiz-Geschäft fokussieren und hier die Profitabilität verbessern. 

Sollte Cevians beharrliches Drängen in Basel nicht bald Gehör finden, dürfte der Investor in den Verwaltungsrat einziehen, heisst es in Aktionärskreisen. Cevian selbst kommentiert dies nicht. Die Zeit drängt: «Die Baloise ist eine Übernahmekandidatin, daher ist die Aktie so hoch bewertet», urteilt Simon Fössmeier, Versicherungsanalyst bei der Vontobel. «Die Bewertung gibt dem Management etwas Zeit, die Dinge zu verbessern.»

Die Baloise ist ein Schweizer Versicherer, der zudem in Deutschland, Belgien und Luxemburg aktiv ist. Mit einem Marktanteil von 6,8 Prozent bei Sachpolicen sind die Basler die Nummer sechs in der Schweiz. Als einziger Versicherer hängt die Baloise am Allfinanzmodell und hat mit der früheren Soba eine eigene Bank. Seit Jahren tritt der Konzern auf der Stelle und hat mit verlustreichen Startups wie dem deutschen Onlineversicherer Friday oder Beteiligungen an Agenturen für Reinigungskräfte Millionen verbrannt. 

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Der Schutz der Stimmrechtsbegrenzung ist gefallen

Bis Anfang Jahr konnte die Baloise den kritischen Forderungen noch gelassen entgegenblicken, denn die Stimmrechte im Aktionariat waren auf 2 Prozent beschränkt. Doch dann hob die Generalversammlung – entgegen den Wünschen des Verwaltungsrats – diese Vinkulierung auf, und dies mit einer stolzen Zustimmung von 78 Prozent. Cevian, welche die Baloise seit über zehn Jahren auf dem Schirm hat, witterte ihre Chance und stieg ein. Und baut seither Druck auf.

Cevians Kernforderungen werden von anderen Aktionären und Aktionärinnen geteilt, wie Recherchen zeigen. Auch Analystinnen und Analysten halten viele Ideen für richtig. Forderung eins: Die Baloise soll ihr darbendes Deutschland-Geschäft verkaufen. Der deutsche Versicherungsmarkt ist umkämpft, die Margen sind klein. Und die Baloise spielt mit einem Marktanteil von um die 1 Prozent nur eine Nebenrolle. Die Strategie der Baloise, in Deutschland auf Teilmärkte wie das Flottengeschäft zu fokussieren, überzeugt Cevian nicht. Auch nicht der Verweis auf die steigenden Gewinne aus Deutschland.

Forderung zwei: das Geschäft in Belgien. Hier soll die Baloise mehr aus ihrer guten Marktposition machen, denn auch dank Zukäufen sind die Basler im Nicht-Leben-Geschäft die Nummer vier. Eigentlich sollte die Integration Einsparungen ermöglichen und damit höhere Gewinne. Doch das Gegenteil geschah: Die Gewinne in Belgien gingen zurück.

Die Baloise hängt noch der Allfinanzidee an

«Die Profitabilität des Geschäfts in Belgien ist unbefriedigend», sagt auch Vontobel-Experte Fössmeier. Baloise-Chef Müller will in Belgien die Kosten aber nur im Gleichschritt mit dem Konzern senken, also die Kostenquote um 2 bis 3 Prozentpunkte reduzieren. Das reicht den Kritikerinnen nicht. 

Im Visier haben die Aktivisten auch das Unikum, das sich nur die Baloise leistet: eine eigene Bank. Im Jahr 2000 kaufte sie der UBS die Regionalbank Soba ab, ein Überbleibsel der einst in Konkurs gegangenen Solothurner Kantonalbank. Die Idee: Synergien schaffen zwischen dem Versicherungsgeschäft und dem Banking. So betont die Baloise gerne, dass es ihr dank der Bank gelinge, mehr Geld aus auslaufenden Lebensversicherungen im Haus zu behalten.

Doch die Bank verdient zu wenig. Die Cost-Income-Ratio ist mit 63 Prozent zu hoch. Die Basler Kantonalbank kommt mit 55,2 Prozent aus, die Migros Bank kam 2023 sogar auf 47 Prozent. Entsprechend zu tief ist die Eigenkapitalverzinsung der Baloise Bank mit rund 7 Prozent. Das hat die Baloise selbst auch an der Investorenkonferenz von vergangener Woche anerkannt. 

Die Axa als Vorbild für das Vorsorgegeschäft

Problem vier steckt laut Cevian im Pensionskassenvorsorgegeschäft. Wie auf einen Schlag ganz viel Kapital eingespart werden kann, machte Konkurrentin Axa vor sechs Jahren vor: Verzicht auf die teuren Garantien im Vollversicherungsgeschäft, nur noch teilautonome Vorsorgelösungen, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmende die Anlagerisiken tragen. Dank des radikalen Schritts konnte die Axa rund 2,5 Milliarden Franken Eigenmittel an die Muttergesellschaft auszahlen. 

Vontobel-Analyst Fössmeier hält viele der Ideen von Cevian für gut, aber nicht alle. So sieht er den geforderten Ausstieg aus Deutschland kritisch. Denn dank der internationalen Präsenz könne die Baloise ihre Risiken diversifizieren. «Das senkt den Kapitalbedarf insgesamt um 1,2 Milliarden Franken», rechnet er vor. Dem Verkauf der Bank sowie einer Restrukturierung in Belgien kann er dagegen etwas abgewinnen. Auf jeden Fall müsse etwas passieren.

Baloise-Chef hält eigene Ziele für ambitioniert

Im Gespräch mit der «Handelszeitung» äussert Baloise-CEO Michael Müller seine Zufriedenheit mit dem eingeschlagenen Weg. Das Eigenkapitalrenditeziel von 12 bis 15 Prozent sei eines von drei ambitionierten neuen Finanzzielen. «Wir liegen damit gut im Wettbewerbsvergleich und schaffen verlässlich sowie langfristig Wert für alle unsere Stakeholder». Um das zu erreichen, brauche es alle Teile des Konzerns. So wirke sich beispielsweise das Bankgeschäft auch auf das Versicherungsergebnis aus. 

Zudem verweist Müller auf die Diversifikationseffekte zwischen den Ländern und Geschäftsbereichen. Den Verkauf einzelner Geschäftsbereiche lehnt er ab. «Man kann nicht einfach einen Baustein herausnehmen; dies hätte Negativeffekte auf das grosse Ganze.» So betont Müller, alle kritisierten Geschäftsbereiche seien rentabel und leisteten einen Beitrag zu den Ausschüttungen. 

Nicht zuletzt stellt sich bei einem Ausstieg aus Deutschland die Frage, ob sich die Baloise konsequenterweise nicht voll auf den Heimatmarkt konzentrieren müsste. Ganz nach der Blaupause der Mobiliar, die schon immer nur in der Schweiz tätig war.

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