Steuerranking 2023 – welche Firmen am meisten bezahlen, welcher Kanton abkassiert
Das sind die grössten Steuerzahler der Schweiz

Weltkonzerne wie Novartis, Nestlé, oder UBS liefern Milliarden an Unternehmenssteuern ab. Einige Kantone profitieren mehr als andere. Der globale Kampf um den Steuerkuchen wird immer härter.
Publiziert: 02.05.2024 um 12:28 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2024 um 14:42 Uhr
Vas Narasimhan, Mark Schneider und Sergio Ermotti sind die CEOs der drei Top-Steuerzahler der Schweiz. Mehr dazu im Artikel.
Foto: KEYSTONE/Bloomberg/PD
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Stefan Barmettler und Tina Fischer
Handelszeitung

Die einfachsten Jobs in der Schweizer Politik haben Ernst Stocker (SVP), Tanja Soland (SP) und Valérie Dittli (Die Mitte). Sie sind Vorsteher und Vorsteherinnen der Finanzdirektion in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt und der Waadt – und sie bekommen Ende Jahr regelmässig ein richtig fettes Geschenk. Absender sind die grössten Steuerzahler der Schweiz, Konzerne also, die in diesen drei Kantonen ihr Hauptsteuerdomizil haben.

Am meisten Geld lieferte 2023 die Basler Pharmafirma Novartis dem Schweizer Fiskus ab, nämlich 1100 Millionen Franken. Nestlé überwies den Steuerämtern 1000 Millionen, die UBS 742 Millionen und Roche 600 Millionen. Ein Grossteil des Big-Pharma-Steuersegens bleibt in Basel, in der Kasse von SP-Frau Soland hängen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Es sind die Ertragsteuern, die Millionen und Milliarden einschenken, in der Schweiz, aber auch weltweit. Die fünf grössten Steuerzahler im Land – Novartis, Nestlé, Gunvor, Glencore und Roche – liefern rund um den Globus 10,5 Milliarden dem Fiskus ab, davon bleiben 3,1 Milliarden in der Schweiz. Also fast ein Drittel, obwohl diese Firmen jeweils nur einen Bruchteil ihrer Belegschaft in der Schweiz beschäftigen. Bei Nestlé sind es keine fünf Prozent des weltweiten Personals.

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Beliebte Jagd nach Steuern

Das «Handelszeitung»-Steuerranking 2023 basiert auf Geschäftsberichten, auf Erfahrungswerten der letzten Jahre und auf Hintergrundgesprächen mit Firmenvertretern. Im Vergleich zu den Vorjahren werden die Zahlen für die Schweiz immer weniger extensiv publiziert, denn der globale Kampf um das Steuersubstrat spitzt sich zu.

Die Einführung der OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent und die gähnend leeren Kassen der meisten Staaten haben das Gezänk ums Steuersubstrat der internationalen Grosskonzerne enorm angeheizt. Und die Schweiz mit Dutzenden erfolgreichen Firmen blinkt erst recht auf den Radarschirmen der Steuerämter und Finanzpolitiker in Washington, Paris oder Kinshasa.

Es gibt viel zu holen, denn bei den meisten Schweizer Firmen überquellen die Gewinne – und damit die Steuern. Novartis hat letztes Jahr weltweit 2,47 Milliarden Franken an Einkommensteuern abgedrückt, bei Nestlé waren es 2,3 Milliarden, bei Glencore 1,84, bei Zurich 1,4 und bei der UBS exakt 1,316 Milliarden.

Eindrücklich ist der Aufstieg der UBS. Vor zehn Jahren bezahlte sie weltweit noch 700 Millionen, heute ist es das Doppelte. Zuvorderst profitiert die Schweiz: Die Grossbank hat das Steuersubstrat im Domizilland in dieser Zeit mehr als versiebenfacht. 2008 folgte ein Einbruch aufgrund der Finanzkrise. Das wirkte sich wegen Steuergutschriften über mehrere Jahre auf das Steuersubstrat aus. Nach 2014 stieg die Summe jedoch sprunghaft an, stagnierte 2018 und 2019, bevor sich das Substrat erneut fast verdoppelte. Doch statt Blumen gibt es eine nationale Empörung über Sergio Ermottis Lohn.

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Steuerreiche Finanzindustrie

Neben Platzhirsch UBS liefern weitere Firmen aus der Finanzindustrie stattliche Summen ab. Freude bereiten dem Zürcher Finanzchef Stocker Zurich Insurance, die in der Schweiz 350 Millionen zahlt, oder Swiss Re (300 Mio.). Ein vom SVP-Mann geschätzter Steuerzahler war in der Vergangenheit auch die Privatbank Julius Bär. War, denn mit dem 600-Millionen-Abschreiber aus dem René-Benko-Kreditdesaster brach der Gewinn massiv ein – und damit das Steuersubstrat. Statt wie früher 120 Millionen gabs letztes Jahr nur noch die Hälfte, nämlich 60,3 Millionen.

Speziell ist das Bild bei der Credit Suisse. Noch 2022 strich der Schweizer Fiskus 314 Millionen von der Bank ein. Im Ausland aber, wo die CS Milliardenverluste anhäufte, war es ganz anders: Da erhielt die Bank wegen all den miesen Jahresresultaten Steuern von 76 Millionen zurückbezahlt. Es ist das Abschiedsgeschenk ans Topmanagement der Bank, das komplett versagt hat.

Nun ist es vorbei mit dem Steuercheck der Credit Suisse. Mit der Übernahme durch die UBS fliessen die Einnahmen in die konsolidierte Erfolgsrechnung von Sergio Ermotti ein. Auch rein steuerlich zog der UBS-Chef mit der Übernahme der Credit Suisse den Jackpot, denn der Take-over löste trotz Milliardengewinnen keine zusätzlichen Steueransprüche aus. Weil der Fiskus nicht zugriff, sank der Steuersatz der Grossbank voriges Jahr auf homöopathische 3 Prozent. Im Vorjahr waren es mindestens 20 Prozent gewesen.

Gleichwohl sind die Banken und Versicherungen ein Segen für Bund, Kantone und Gemeinden. Die Finanzbranche deckt nämlich gegen 40 Prozent der Unternehmenssteuern in der Schweiz ab, der Rest stammt von der Industrie und vom Handel. Denn es sind die Grossen (ABB, Swisscom, Holcim) und Mittelgrossen (Stadler Rail, Clariant), die zur Äufnung der Staatskassen beitragen; die rund 500’000 Kleinfirmen tragen dagegen wenig bis nichts zum Steuersubstrat des Landes bei, weil sie schlicht zu wenig steuerbaren Reingewinn ausweisen.

Doch Corporate Switzerland bietet mehr als Ertragsverbindlichkeiten. Denn neben diesen berappen die Firmen auch Grundstück-, Quellen-, Mehrwert- oder Energiesteuern. Und vor allem zahlen die Mitarbeitenden, die in den Konzernen ihr Auskommen verdienen, auch noch Vermögens- und Einkommenssteuern. Und zwar – dank der Steuerprogression – nicht zu knapp, denn die Durchschnittslöhne im Finanzsektor liegen zwischen 140’000 bis 240’000 Franken. Aus dieser Quelle landeten allein von UBS und CS nochmals 2 bis 2,5 Milliarden beim Fiskus. Der grosse Profiteur ist auch hier Zürichs Finanzvorstand Ernst Stocker, der auch die Finanzdirektorenkonferenz präsidiert.

Im Kreuzfeuer ausländischer Steuerbehörden

All dieser Geldsegen weckt Begehrlichkeiten im Ausland, wie die Geschäftsberichte offenbaren. Im Vergleich zu früher nehmen die «Tax Disputes», die Streitereien mit Steuerbehörden, laufend zu. Es wird auf allen Kontinenten gerangelt: Mal wehrt sich die vornehme EFG Bank aus Zürich mit den Steuerbehörden in Mexiko City über 24 Millionen aus einem Aktienkauf. Hoch zu und her geht es auch in der Rohstoffbranche. So zankt die Zuger Glencore seit Jahren mit den Steuerbehörden Grossbritanniens über die Kleinigkeit von 850 Millionen Nachsteuern, doch weil man mit den Briten keinen Kompromiss fand, haben die Zuger Rohstoffhändler die Schweizer Steuerbehörden auf den Plan gerufen.

Unzimperlich wird auch im afrikanischen Problemstaat Demokratische Republik Kongo gestritten. Das Land, in dem Glencore seit 20 Jahren Kobald und Kupfer abbaut, kassierte voriges Jahr 469,5 Millionen allein an Unternehmenssteuern ein, doch der Finanzminister will mehr und schraubt die Gewinnsteuern laufend nach oben oder erfindet neue Steuern wie die Super Profit Tax oder eine Provinzstrassen-Steuer. Nicht nur Glencore ist im Dauerzwist mit Kongo, nun sind es auch die Chinesen, die den Kobalt-Abbau dominieren und als Platzhirsche lieber Lokalpolitiker mit Dollars schmieren, als Steuerrechnungen zu begleichen.

Dank Finanzausgleich profitieren alle

Auch die Schweizer Glencore-Konkurrenten Trafigura und Mercuria sind übers Kreuz mit den Steuerbehörden. Weil die Südafrikaner nach der Sperrung des Suezkanals die Treibstoffsteuern für Öltanker erhöhten und nicht von ihren Maximalforderungen abrückten, weichen ihre Tanker nun für einen Zwischenhalt ins steuergünstigere Mauritius aus. All diese Streitereien werden in den Reports ausgewiesen, um das Aktionariat oder Investorinnen und Investoren auf künftige Steuerrisiken hinzuweisen. Denn diese sind mittlerweile sehr relevant fürs Geschäft.

Ohnehin sind die Rohstofffirmen aus Zug und Genf unter Druck. Denn sie schätzen es immer weniger, wenn sie von NGOs als Steuermaximierer mit Vorliebe für abenteuerliche Steuerkonstrukte an den Pranger gestellt werden. So haben sie zur Imageverbesserung ihre Offshore-Firmen in karibischen Steuerparadiesen aussortiert und auf das Country-by-Country-Prinzip umgeschaltet, das dort Steuern zahlt, wo das physische Geschäft wirklich stattfindet. Zum Leidwesen der Schweiz, denn damit schmilzt das Steuersubstrat in Zug oder Genf, jenes in Brasilien, Australien oder Südafrika aber wächst.

Der Superstandort Schweiz kann es verkraften, denn die Milliarden sprudelten auch letztes Jahr. Nicht nur in den Domizilkantonen Basel-Stadt, Waadt, Zug oder Zürich. Nein, es profitieren auch die Habenichtse – durch den nationalen Finanzausgleich.

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