Was Sergio Ermotti (63) in einem Tag verdient, kriegen andere in einem Jahr. Der Lohn des UBS-Chefs – 14,4 Millionen Franken für neun Monate Arbeit – hat an der Generalversammlung der Grossbank vergangene Woche für erboste Voten gesorgt.
Doch nicht nur Ermotti kann sich die Hände reiben. Die Löhne der Topverdienenden sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das zeigt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) in seinem neusten Bericht zur Lohn- und Vermögensverteilung in der Schweiz auf.
Über 4000 Lohn-Millionäre
Er kritisiert die sich öffnende Lohnschere. Seit 2014 seien die Löhne des bestverdienenden Prozents um fast ein Viertel gestiegen, was über 3000 Franken pro Monat entspricht. Während sich die Normal- und Geringverdiener im Schnitt mit gerade einmal 2,5 Prozent mehr Lohn zufriedengeben mussten – die Teuerung mit einberechnet.
Wie der Gewerkschaftsbund schreibt, gab es 2021 bereits 4120 Personen, die über eine Million pro Jahr verdienten. Dies entspricht einer Zunahme von 12 Prozent innert eines Jahres – und ist fast dreimal mehr als vor 20 Jahren.
Mehr Boni, weniger Steuern
Ein wichtiger Grund für das Abheben der Topsaläre sind laut SGB die Boni und variablen Vergütungen. Diese steigen und steigen. 2022 hat ein Banker im Schnitt fast 150'000 Franken Bonus ausbezahlt bekommen. Auch bei Ermotti machen sie einen Löwenanteil des Lohns aus. Doch das ist nicht die Spitze. In der Tabakindustrie waren die Boni mit durchschnittlich über 290'000 Franken sogar fast doppelt so hoch wie in der Bankenbranche, wie ein Blick in die Lohnstatistik des Bundes zeigt.
Der Gewerkschaftsbund kritisiert, dass durch die Steuer- und Abgabenpolitik von Bund und Kantonen die Schere weiter geöffnet werde. Die Unternehmenssteuer-Reform (STAF), die die Stimmbevölkerung 2019 angenommen hatte, habe zwei Milliarden Franken Steuerausfälle zur Folge, so Daniel Lampart, Chefökonom beim SGB. Auch die Einkommenssteuern seien für Reiche und sehr Reiche in den vergangenen Jahren gesunken. Weitere «völlig unnötige» Steuersenkungsprojekte seien in den Kantonen in Planung. Darüber sei man sehr besorgt, sagte Lampart.
SGB fordert Mindestlohn
Der Gewerkschaftsbund nutzt die Präsentation der Zahlen, um seinen Forderungen nach höheren Gehältern für Geringverdienende Nachdruck zu verleihen. So fordert der SGB unter anderem einen Mindestlohn von 4500 Franken, bei abgeschlossener Lehre sollen es mindestens 5000 Franken sein.
Zudem macht sich der Gewerkschaftsbund für die Prämienentlastungs-Initiative stark, über die die Schweiz am 9. Juni abstimmt. Denn während die Löhne der Normalverdienenden kaum gestiegen sind, haben die Ausgaben unter anderem für die Prämien, aber auch für Miete und Energie, stark zugenommen. Was besonders jene mit bescheidenem Lohn auf dem Konto schmerzlich zu spüren bekommen.
Eine Angestellte im Detailhandel oder der Pflege habe unter dem Strich im Schnitt 120 Franken weniger pro Monat zur Verfügung als 2016, sagte Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia. «Ohne Druck von der Strasse wird es nicht vorwärts gehen.» Im Herbst werde man deshalb eine nationale Demo für mehr Lohn organisieren. (lha)