Seit der Pandemie geht die Kaufkraft bei vielen Angestellten zurück – sprich: Sie können sich von ihrem Lohn weniger leisten. Im letzten Jahr sank der Reallohn im Schnitt um 0,4 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BfS) am Donnerstag mitteilte. Beim Reallohn handelt es sich um das inflationsbereinigte Salär.
Konkret für 2023: Nominal sind die Löhne zwar um 1,7 Prozent gestiegen. Weil die Inflation über das ganze Jahr gesehen aber 2,1 Prozent betragen hat, bleibt unter dem Strich ein realer Lohnrückgang von eben 0,4 Prozent. Schon 2022 gab es einen Kaufkraftverlust – und zwar gleich um 1,9 Prozent. Im Jahr zuvor waren die Löhne real um 0,8 Prozent zurückgegangen.
Staatsangestellte sind die grossen Gewinner
Ein vertiefter Blick auf die Entwicklung des Reallohns im 2023 zeigt: Die Wirtschaftszweige entwickeln sich sehr unterschiedlich. Der Industriesektor kann dank eines nominalen Lohnanstiegs von 2,1 Prozent im Mittel die Kaufkraft stabil halten. In vereinzelten Branchen des Sekundärsektors gab es auch Zugewinne bei der Kaufkraft – etwa in der «Herstellung von Metallerzeugnissen» (+0,8 Prozent) und in der Uhrenindustrie (+0,7 Prozent).
Die Gewinner sind jedoch die Staatsangestellten: In der öffentlichen Verwaltung sind die Löhne inflationsbereinigt um 1,5 Prozent geklettert. Sonst ist der Reallohn im Dienstleistungssektor durchschnittlich um 0,5 Prozent zurückgegangen. Hart trifft es das Gesundheits- und Sozialwesen, wo die Löhne real ganze 2 Prozent eingebüsst haben. Noch stärkere Rückgänge verzeichnen die Freiberufler sowie Mitarbeitende mit wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten (-2,7 Prozent).
Reallohn ist tiefer als 2015
Dass der Reallohn zum dritten Mal in Folge zurückgegangen ist, stösst den Gewerkschaften sauer auf. «Die Arbeitgeber haben ihren Arbeitnehmenden die verdienten Lohnerhöhungen vorenthalten», heisst es in einer Mitteilung des Schweizerischen Gewerkschaftbundes (SGB).
Die negative Tendenz zeigt der Blick auf die Entwicklung von 2000 bis 2023. Zwar hat der Reallohn seit der Jahrtausendwende um 12,2 Prozent zugenommen, bei einem gleichzeitigen Produktivitätsanstieg von 13 Prozent laut einer Studie von Economiesuisse. Jedoch ist die Reallohnentwicklung vor einigen Jahren ins Stocken geraten. Der reale Lohn von 2023 liegt unter dem Wert von 2015.
Interessant ist auch der Geschlechtervergleich. Während der Reallohn der Männer seit 2000 um 11,4 Prozent zugelegt hat, ist jener der Frauen um 15,1 Prozent geklettert. Dennoch besteht hierzulande noch eine geschlechterspezifische Lohnungleichheit: Laut dem BfS verdienen Frauen in der Schweiz 18 Prozent weniger als Männer.
Für dieses Jahr siehts besser aus
Mit Blick auf dieses Jahr sieht es wieder besser aus. Die Konjukturforschungsstelle KOF der ETH Zürich rechnet für 2024 mit einem Reallohnanstieg von 0,4 Prozent. «Während der Anstieg der Nominallöhne mit 2 Prozent etwas stärker erwartet wird als im Vorjahr, wirkt sich vor allem der Rückgang der Inflationsrate positiv auf die Kaufkraft der Arbeitnehmer aus», sagt KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm (54) gegenüber Blick.