Die Sommermonate sind für viele Eigenheimbesitzer nicht nur eitel Sonnenschein: Immer häufiger werden Grundstücke und Häuser von Starkregen, Windböen oder Hagel zerstört. Unwetter können innert weniger Minuten enorme Schäden anrichten. Allein die Unwetter von Mitte Juni bis Anfang Juli 2024 haben in der Schweiz Schäden von 160 bis 200 Millionen Franken verursacht. Und auch der August hat vielerorts mit starken Gewittern und Hagelschauern begonnen.
Als Eigenheimbesitzer ist es deshalb wichtig, zu wissen, ob sich das eigene Haus in einer Gefahrenzone befindet. Und welche vorbeugenden Massnahmen Sinn machen. Blick gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.
Befindet sich mein Haus in einer Gefahrenzone?
Eine Auswertung des Forschungsteams des Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern zeigt, dass 62 Prozent der Gebäude in der Schweiz durch Oberflächenabfluss gefährdet sind. Oberflächenabfluss entsteht, wenn das Regenwasser nicht mehr versickert und über offenes Gelände abfliesst. Mindestens 50 Prozent der Überschwemmungsschäden sind gemäss neuen Forschungsergebnissen darauf zurückzuführen. Ob sich ein Eigenheim in einem Gefahrengebiet befindet, können Hausbesitzer auf schutz-vor-naturgefahren.ch herausfinden.
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Dieselbe Karte gibt auch über die Gefahr für Hagel- und Sturmschäden sowie Erdbeben Auskunft. Wobei Hagel das Versickern von Wasser ebenfalls beeinträchtige und so zu reissenden Bächen auf der Oberfläche führen kann. Starke Erdbeben, die Gebäudeschäden auslösen, kommen in der Schweiz dagegen selten vor. Das Schadenspotenzial ist in einigen wenigen Regionen aber immens.
Welche Gemeinden sind besonders gefährdet?
Ein sehr hohes Schadenpotenzial herrscht beispielsweise in Städten. In Zürich, Bellinzona, Winterthur, Lugano, St. Gallen und Bern stehen mengenmässig die meisten gefährdeten Gebäude. In Zürich etwa sind 18'000 Gebäude betroffen – von insgesamt 24'750.
Berechnung der Wahrscheinlichkeit
«Seltene Naturgefahren dürfen nicht unterschätzt werden», sagt Dörte Aller (54), Verantwortliche für Klimaanpassung und Naturgefahren beim Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA. Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen Wetterereignisses tatsächlich? Die Grundlage für die Gefährdungskarte ist ein sogenannt 300-jährliches Wetterereignis. Wie gross ist die Chance, dass dieser Fall tatsächlich eintritt? Statistisch gesehen tritt ein solches Ereignis innerhalb von einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,3 Prozent ein. Das tönt erst mal nach wenig. Doch ein Gebäude hat eine typische Lebensdauer von 50 Jahren. Über diesen Betrachtungszeitraum beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein 300-jährliches Ereignis mindestens einmal eintritt, bereits 15 Prozent. Zum Vergleich: Das entspricht der Wahrscheinlichkeit, mit einem einzigen Würfelwurf eine 6 zu würfeln. Und: «Die generelle Wahrscheinlichkeit für Wetterschäden wird in den kommenden Jahren steigen», sagt Aller.
Welche baulichen Massnahmen können ergriffen werden?
Befindet sich das eigene Haus gemäss der Gefahrenkarte in einem violett eingefärbten Gebiet, macht es Sinn, mögliche Massnahmen zu prüfen. Dabei ist es laut der Expertin egal, ob der Bereich hellviolett oder dunkelviolett eingefärbt ist. Der Farbton sagt lediglich etwas darüber aus, wie hoch das Wasser steigen würde. Ob es also weniger als zehn oder mehr als 25 Zentimeter wären – das ist zwar gut zu wissen, Massnahmen können aber in jedem Fall Sinn machen.
Eigenheimbesitzer in der Gefahrenzone sollten sich laut Aller von einem Experten beraten lassen. «Gebäudeversicherungen bieten meist eine kostenfreie Erstberatung an», so die Meteorologin. Je nachdem mache es Sinn, Vorkehrungen zu treffen. Es gibt beispielsweise mobile Schutzelemente wie das Nidwaldner Tor. Es kann bei Unwetter in wenigen Sekunden geschlossen werden und schützt Parkgaragen oder Keller vor Hochwasser. Auch bei den Sonnenstoren gibt es Ausführungen, die starken Windböen standhalten. Solche Massnahmen sind aber auch eine Kostenfrage. «Es ist immer ein Abwägen – wir wollen Sicherheit, aber nicht in Bunkern leben», sagt Aller.
Welche Sofortmassnahmen gibt es?
Es gibt auch günstige Massnahmen, die sofort ergriffen werden können. Beispielsweise Sachen im Kellerabteil in der Höhe lagern, damit sie bei Hochwasser nicht beschädigt werden. Dasselbe gilt für den Waschturm oder die Gefriertruhe im Keller – auch sie können mit einem Sockel erhöht und vor einer Überschwemmung geschützt werden.
Sonnenstoren sollten bei starkem Wind, Regen und Hagel eingefahren werden. Dasselbe gilt für Lamellenstoren. Schon bei Hagelkörnern ab einer Grösse von zwei Zentimetern können sie sonst beschädigt werden. Fensterglas dagegen hält bis zu fünf Zentimeter grosse Hagelkörner aus.
Darf in der Gefahrenzone noch gebaut werden?
Auf den Naturgefahrenkarten der einzelnen Kantone gibt es verschiedene Gefahrenzonen. Die Gefahrenzone 1 (rot) kommt einem Bauverbot gleich, in der Gefahrenzone 2 (blau) ist Bauen mit Auflagen möglich. «Wenn in einem Gefahrengebiet gebaut wird, sollte bereits in der Planung an die Naturgefahren gedacht werden», sagt Aller. Dabei sollten die Baunormen SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke» und SIA 261/1 «Einwirkungen auf Tragwerke – ergänzende Festlegungen» berücksichtigt werden. Diese setzen bezüglich Naturgefahren Mindestanforderungen für den Gebäudeschutz. «Die Baunormen sind nicht Pflicht, weshalb Bauherren selbst veranlassen müssen, dass die Fachleute sie beim Hausbau berücksichtigen», so Aller.
Wer kommt für den Schaden auf?
In 19 Kantonen der Schweiz sind es kantonale Gebäudeversicherungen, die Häuser gegen Feuer- und Elementarschäden versichern. In den Kantonen Genf, Uri, Schwyz, Tessin, Appenzell Innerrhoden, Wallis, Obwalden und im Fürstentum Liechtenstein sind Liegenschaften privat versichert. Zu den Elementarschäden gehören Schäden durch Hagel, Überflutung, Sturm, Schneedruck und Erdrutsche. Für Liegenschaften, die in Gebieten mit erhöhter Gefahr liegen, ist es teilweise notwendig, bestimmte Präventionsmassnahmen zu erfüllen, um einen Versicherungsschutz zu erhalten.
Gibt es in der Schweiz ein Warnsystem?
Die App Meteoswiss warnt vor Wettergefahren. Der Bund hat zudem die App Alertswiss entwickelt. Wer diese App installiert, erhält bei Unwettergefahr eine Meldung. Aktuell erreichen die Behörden damit nur ein Viertel der Bevölkerung – alle anderen haben die App noch nicht auf ihrem Smartphone.