Auf einen Blick
- Coiffeursalon von Martin Dürrenmatt führt Viertagewoche ein
- Mitarbeiter geniessen mehr Freizeit und höhere Motivation
- 2025 startet Pilotstudie zur Viertagewoche in der Schweiz
Üblicherweise hat ein Coiffeursalon am Samstag geöffnet. Schliesslich haben dann viele Menschen Zeit, sich die Haare schneiden zu lassen. Nicht so im Hair-Atelier von Martin Dürrenmatt (33) in Opfikon ZH. «Wir haben den Samstag gestrichen», sagt der achtfache Coiffeur-Weltmeister beim Besuch von Blick.
Seit August arbeiten Dürrenmatt und sein Team in der Viertagewoche. Der Salon ist von Dienstag bis Freitag geöffnet. Die Wochenarbeitszeit wurde von 43 auf 38 Stunden reduziert – bei gleichbleibendem Lohn. «Meine Angestellten profitieren somit von einer Lohnerhöhung», so Dürrenmatt. Neben seiner Laufkundschaft im Salon im Glattpark frisiert er unter anderem Sängerin Stefanie Heinzmann (35) oder Schlagerstar Beatrice Egli (36).
«Aus Schutz meiner Leute»
Aber warum die Umstellung? «Im Frühling habe ich gemerkt, wie müde und antriebslos ich war», so Dürrenmatt. Im Gespräch mit seinem Management entstand dann die Idee der Viertagewoche. «Nicht nur meinetwegen, sondern auch zum Schutz meiner Leute.»
Gleichzeitig will Dürrenmatt den Beruf des Coiffeurs wieder attraktiver machen. «Die Ausbildungszahlen sind extrem zurückgegangen, Coiffeurschulen werden zusammengelegt oder geschlossen», so Dürrenmatt. Während 2013 noch 3499 Personen eine Ausbildung zum Coiffeur EFZ machen, waren es 2023 gerade mal noch 1851. Viele könnten es sich nicht mehr vorstellen, am Samstag zu arbeiten – vor allem Junge. Deshalb brauche es ein Umdenken.
Das Team von Dürrenmatt scheint jedenfalls begeistert. Blick konnte mit zwei der drei angestellten Coiffeusen sprechen. «Ich finde es schön, am Samstag freizuhaben. Seit der Lehre arbeite ich jeden Samstag. Am Anfang war ich eher skeptisch. Jetzt geniesse ich es mega und will nicht mehr zurück», sagt Fiona Machaz (24), die seit über einem Jahr bei Dürrenmatt arbeitet. Auch Kollegin Sabrina Grossenbacher (25) sieht nur Vorteile: «Mit der Viertagewoche habe ich wieder mehr Zeit für mich und kann mich richtig erholen. Bei der Arbeit kann ich dann alles geben.»
Auch Dürrenmatt merkt bereits nach wenigen Wochen, dass er wieder erholter ist. «Schon zu wissen, es sind nur vier Tage, hilft. Im Kopf ist das ein Stressfaktor weniger.» Denn neben seiner Arbeit im Salon gibt er noch diverse Seminare oder begleitet Shootings. Auch seine Angestellten nimmt er zu solchen Events mit.
Nur Vorteile birgt die Viertagewoche zwar nicht: Der Umsatz geht durch die Umstellung etwas zurück. Dafür steige aber die Qualität und die Motivation der Angestellten. «Wenn die Leute motiviert sind, hat man längerfristig mehr davon als einfach nur den schnellen Verdienst», so Dürrenmatt. Sind die Angestellte dagegen unmotiviert, führe das zu mehr Fluktuation – was Zeit und Geld koste.
Von der Kundschaft habe sich bis jetzt niemand beklagt. «Die Menschen sind flexibler geworden – unter anderem wegen Homeoffice», so Dürrenmatt. Zudem werden in seinem Laden auch mal bis 21 Uhr Haare geschnitten. Die Coiffeusen fangen dann am Morgen einfach später mit der Arbeit an.
Dürrenmatt würde die Viertagewoche jedem anderen Coiffeursalon empfehlen. «Offensichtlich ist der Beruf nicht mehr beliebt. Also müssen wir etwas ändern.»
Pilotprojekt in der Schweiz für 2025 geplant
Die Viertagewoche eignet sich aber nicht nur für Coiffeurbetriebe, sondern kann generell gegen den Fachkräftemangel helfen. Blick besuchte bereits ein Restaurant sowie einen Industriebetrieb, die am neuen Arbeitszeitmodell festhalten. Eine Autowerkstatt hat dagegen weniger gute Erfahrungen gemacht.
2025 startet landesweit eine Pilotstudie zur Viertagewoche, die auch bereits in Deutschland und Frankreich durchgeführt wurde. In der Schweiz läuft aktuell die Anmeldephase. «Wir haben bereits erste Anmeldungen, und es kommen immer wieder Anfragen rein», sagt Projektleiter Veit Hailperin. Darunter sind Firmen aus dem Handwerk und dem Dienstleistungssektor sowie gemeinnützige Organisationen. Ziel der Studie ist es, die Arbeitszeit zu reduzieren – und nicht die gleiche Anzahl Stunden in vier Tagen zu verrichten. So, wie es auch Dürrenmatt und sein Team machen.
Mit der Pilotstudie möchte Hailperin in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule und der Organisation 4 Day Week Global herausfinden, wie die spezifischen Herausforderungen bei der Einführung der Viertagewoche in Schweizer Unternehmen gelöst werden. «Firmen können dadurch das Konzept ohne grosses Risiko ausprobieren und am Schluss implementieren, falls sie das möchten.»