So zapft die Schweiz die Sonne an
Was du zum Solarstrom und Ausbau wissen musst

Wie viel Solarenergie können wir gewinnen? Welche Gemeinden sind Spitzenreiter? Die Fakten zur aktuellen Debatte.
Publiziert: 26.02.2024 um 09:03 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2024 um 11:55 Uhr
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Auf Dächern ist das Potenzial am grössten: SBB-Reparaturcenter in Zürich-Altstetten.
Foto: Gaetan Bally/Keystone
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Tina Berg
Beobachter

Wie viel Sonnenenergie kann die Schweiz nutzen?

Sehr viel. Solaranlagen auf Hausdächern und an Fassaden könnten jährlich etwa 67 Terawattstunden Solarstrom produzieren, schätzt das Bundesamt für Energie. Zum Vergleich: 2022 hat die Schweiz insgesamt 57 Terawattstunden Strom verbraucht. Das grösste Potenzial liegt auf Hausdächern (50 Terawattstunden), weil Anlagen dort in der Regel einfach und günstig zu realisieren sind.

Mit Solaranlagen in den Alpen, in der Landwirtschaft oder auf Infrastrukturen liesse sich ebenfalls viel Strom produzieren. Sie sind jedoch schwieriger umzusetzen, etwa weil es Konflikte mit dem Natur- und Landschaftsschutz gibt oder weil man die Standorte überhaupt erst mit Strassen und Stromnetzen erschliessen muss.

Gemäss groben Schätzungen könnte man in den Alpen etwa fünf Terawattstunden Solarstrom produzieren. Entlang von Autobahnen und Bahnlinien, auf Parkplätzen oder auch auf Staudämmen und ehemaligen Steinbrüchen sind etwa zehn Terawattstunden möglich. Weitere fünf könnte man laut Bundesamt für Energie auf Landwirtschaftsflächen produzieren.

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Wie viel Solarstrom braucht es überhaupt?

Der Bund hat vor ein paar Jahren Szenarien für eine klimaneutrale Schweiz 2050 erstellt. Demzufolge würde der Solarstromanteil 2050 bei 34 Terawattstunden liegen.

Das neue Stromgesetz – vom Parlament letzten Herbst verabschiedet –, über das wir im Juni 2024 abstimmen, sieht noch ehrgeizigere Ziele für erneuerbare Energien vor. Bis 2035 sollen erneuerbare Energien (ohne Wasserkraft) bereits 35 Terawattstunden Strom pro Jahr liefern – und bis 2050 sogar 45. Wie viel davon aus Solarenergie kommen soll, steht in der Vorlage nicht.

Wie viel Strom liefert die Sonne bereits heute in der Schweiz?

Solarenergie boomt. Besonders auf den Dächern wurden in den letzten Jahren viele neue Anlagen gebaut. Für das Jahr 2024 erwarten der Bund und der Branchenverband Swissolar eine Produktion von sechs Terawattstunden, vor allem auf Gebäuden. Das bedeutet, dass rund zwölf Prozent des Potenzials der Dachflächen genutzt werden. Damit könnte die Solarenergie etwa zehn Prozent des Schweizer Stromverbrauchs liefern.

Wieso wollen Politik und Stromkonzerne unbedingt in den Alpen Solarparks bauen?

Im Sommer produziert die Schweiz mehr Strom, als sie verbraucht. Im Winter aber zu wenig, deshalb muss sie Strom importieren. In Zukunft wird der Strombedarf noch höher sein, besonders im Winter, weil viele Öl- und Gasheizungen durch strombetriebene Wärmepumpen ersetzt werden. Zudem sind immer mehr Elektroautos auf den Strassen unterwegs.

Um im Winter weniger auf Importe angewiesen zu sein, könnte man in den Bergen Solarenergie produzieren. Dort liefern Anlagen in der kalten Jahreszeit besonders viel Strom, weil sie über dem Nebel liegen, die Sonneneinstrahlung hoch ist und die vom Schnee reflektierten Strahlen dazukommen. Gemäss Bundesamt für Energie braucht es in den Alpen nur halb so viel Solarmodule wie im Flachland, um im Winter die gleiche Menge Strom zu erzeugen. Es gibt aber kein Entweder-oder, es wird beides gebraucht.

Wie nutzen die Gemeinden ihr Solarpotenzial aus?

Felsberg GR ist top, Andermatt UR ein Flop: Auf einer Website des Bundesamts für Energie werden die Fortschritte in der Energiewende transparent gemacht. Dort kann man auf einer Karte nachsehen, wie viel Solarpotenzial jede Gemeinde hat und wie viel sie davon schon effektiv nutzt.

Zum Beispiel nutzt Felsberg im Kanton Graubünden fast 26 Prozent seines Solarenergiepotenzials, Andermatt im Kanton Uri hingegen erst 0,05 Prozent. Gar keine Solarenergie gibt es in den Gemeinden Bedretto, Bosco, Linescio und Zwischbergen. Von den 2131 Gemeinden schöpfen 1780 weniger als 10 Prozent ihres Solarpotenzials aus. Nur 17 Gemeinden nutzen mehr als 20 Prozent davon.

Die grossen Städte gehören nicht zu den Spitzenreitern. St. Gallen schneidet mit 7,9 Prozent noch am besten ab. Zürich, Bern, Basel, Luzern und Lausanne nutzen alle zwischen 4 und 6 Prozent ihres Potenzials. Lugano ist knapp darunter mit 3,7, während Genf abgeschlagen bei 2 Prozent liegt.

Die Zahlen erzählen jedoch nicht die ganze Geschichte. Verschiedene Faktoren beeinflussen das Tempo beim Solarausbau, etwa die Platzverhältnisse, das Alter der Häuser und ob mehr Mieterinnen oder mehr Hausbesitzer vor Ort leben. Die Umstände können auch für spektakuläre Ausreisser sorgen: Die 500-Seelen-Gemeinde Onnens im Kanton Waadt führt mit sagenhaften 59,5 Prozent ausgenutztem Solarpotenzial die Liste an. Dort steht auf einer ehemaligen Zigarettenfabrik die grösste Solaranlage der Schweiz – 31’000 Panels, sieben Fussballfelder gross.

Was sind Hürden für den Solarausbau in der Schweiz?

Das Bundesamt für Energie sieht vor allem die Installateure unter Druck. Weil die Kosten für Fotovoltaik sinken und die Strompreise steigen, werden Solaranlagen immer attraktiver. Deshalb ist es wichtig, Arbeitskräfte auszubilden. Ab nächstem Sommer werden zwei neue Berufsausbildungen angeboten: EBA-Solarmonteur/-in (zweijährig) und EFZ-Solarinstallateur/-in (dreijährig).

Hinzu kommen administrative Hürden, die den Solarausbau hemmen. Einige soll das neue Stromgesetz, über das im Juni 2024 abgestimmt wird, aus dem Weg räumen. Zu den wichtigsten Neuerungen gehöre, dass mit dem Gesetz lokale Elektrizitätsgemeinschaften gefördert würden, sagt David Stickelberger vom Fachverband Swissolar. So kann der produzierte Strom vor Ort genutzt werden. Ausserdem soll es einen Minimaltarif für überschüssigen Strom geben. Damit wird einheitlich geregelt, zu welchem Preis man ihn verkaufen kann.

Was tut die Forschung?

Bei der Solarenergieforschung ist die Schweiz international vorn mit dabei. Getüftelt wird daran, die Effizienz von Solarzellen zu verbessern, also den Wirkungsgrad, damit sie mehr Sonnenenergie verwerten und in Strom umwandeln können. Je besser das funktioniert, desto weniger Fläche ist nötig, um Strom zu produzieren.

Ein grosses Thema ist zudem die Speicherung von Solarstrom. «Batterien für die kurzfristige Speicherung über Stunden und Tage machen derzeit gewaltige Fortschritte – die Kosten reduzieren sich, die Leistung nimmt zu», sagt Michel Haller, Forschungsleiter am Institut für Solartechnik der Ostschweizer Fachhochschule. «Die grössten Anstrengungen in Forschung und Entwicklung unternehmen wir allerdings momentan dabei, die langfristige Speicherung von Solarenergie über Monate zu verbessern – also vom Sommer in den Winter.»

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