Vor dem Notfall des Universitätsspitals Zürich (USZ) steht ein grosses blaues Schild, darauf abgebildet eine Überwachungskamera. Die Nachricht ist klar: Wer ausfällig wird, ist auf Kamera. Bis zu viermal täglich wird der Sicherheitsdienst gerufen, um das Gesundheitspersonal vor Aggressionen zu schützen. «Wir sahen in den letzten Jahren eine stetige Zunahme von Aggressionsereignissen, schon vor Corona», sagt Ariane Kaufmann (42), Kaderärztin Notfall am USZ.
Inzwischen gibt der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) einen eigenen Leitfaden zum Thema Gewalt heraus. Auf über fünfzig Seiten wird vermittelt, wie man mit heiklen Situationen umgeht, sich schützen kann oder wo man Hilfe findet. «Pflegende sind mit allen notwendigen Massnahmen durch die Betriebe und Institutionen vor diesen physischen und verbalen Angriffen zu schützen», so die Forderung.
Sicherheitspersonal am Wochenende
In den letzten Jahren ergriffen mehr Spitäler Gegenmassnahmen. Am USZ zum Beispiel läuft ein Pilotprojekt: Ab zwei Uhr nachts steht ständig ein Sicherheitsmitarbeiter im Notfall. Dass schweizweit immer mehr Spitäler abends und an Wochenenden Sicherheitspersonal aufstellen, bestätigt auch der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH.
Das Sicherheitspersonal soll deeskalieren. Am USZ wurde vor einigen Jahren angesichts der zunehmenden Übergriffe eine Kadergruppe zum Thema gegründet. Sie organisiert Trainings zu Deeskalation und Aggressionsmanagement. «Die Schulung war für mich sehr wichtig. So habe ich gelernt, die Emotion hinter der Aggression besser zu verstehen, um dann gezielt darauf einzugehen», sagt Carmen Vonmont (43), Notfallpflegerin am USZ.
Auch der Sicherheitsdienst des Spitals nimmt an den Workshops teil. «Nach Ereignissen führen wir Debriefings mit dem Team durch, um aus den Vorfällen zu lernen», sagt Maximilian Grob (26), stellvertretender Abteilungsleiter der Sicherheit am USZ.
Farbige Wände und Naturbilder
Eine weitere Möglichkeit, um Aggressionen zu vermeiden, sind gezielte bauliche Veränderungen. Die Fachhochschule Bern forscht an einer Innenraumgestaltung, die sich positiv auf das Wohlbefinden der Patientinnen auswirkt. Unter anderem spielen Farbkonzepte, Naturbezogenheit, Licht, Raumaufteilung oder Bodenbeschaffenheit eine Rolle. Zum Beispiel kann ein grauer Notfallraum farbig angestrichen, mit einem Naturbild verziert werden.
«Bei uns am Unispital ist die Notfallstation eng und laut, was sich auch negativ auf das Verhalten auswirken kann», sagt USZ-Pflegerin Vonmont. Derzeit befindet sich das Spital allerdings im Umbau. Danach soll die Notaufnahme moderner daherkommen – und ruhiger. Das Kameraschild vor der Tür wird wohl trotzdem bleiben.