«Würde noch keine Champagnerflasche öffnen»
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Thomas Jordan über Zinspause:«Würde noch keine Champagnerflasche öffnen»

SNB-Präsident Thomas Jordan überrascht mit Zinspause
Die Folgen für Mieterinnen, Hausbesitzer und Sparer

Die Schweizerische Nationalbank belässt den Leitzins überraschend bei 1,75 Prozent. Hausbesitzer mit einer Saron-Hypothek können fürs erste aufatmen. Mieterinnen und Mieter erhalten keine Verschnaufpause.
Publiziert: 21.09.2023 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2023 um 10:31 Uhr
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Die Schweizerische Nationalbank hat den Leitzins heute nicht erhöht.
Foto: Zamir Loshi

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) legt eine Zinspause ein. Sie stehe an die Seitenlinie, beobachte aber weiterhin genau, wie sich der Inflationsdruck entwickle, sagt SNB-Präsident Thomas Jordan (60). Der Entscheid, den Leitzins bei 1,75 Prozent zu belassen, anstatt ihn auf 2 Prozent zu erhöhen, erwischt die Mehrheit der Expertinnen und Experten auf dem falschen Fuss. Für viele Haushalte ist die Zinspause dennoch eine gute Nachricht.

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Was spricht gegen eine Erhöhung des Leitzinses?

Der Inflationsdruck in der Schweiz hat abgenommen. Seit der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB im Juni ist die Teuerung in der Schweiz leicht gesunken. Gegen eine Zinserhöhung, die die Wirtschaft bremst, spricht auch die konjunkturelle Abkühlung in der Schweiz. Sie spielt dem SNB-Gremium um Thomas Jordan in die Hände. Im Raum steht, dass sich die Inflation noch stärker als erwartet abkühlen könnte.

Die Nationalbank hat das Zielband für die Teuerung zwischen 0 und 2 Prozent festgesetzt. Die hiesige Inflation lag zuletzt bei 1,6 Prozent. Das oberste Ziel der Nationalbank ist und bleibt eine stabile Geldpolitik. Ob die Inflation unter Kontrolle ist, wird die SNB im Dezember wieder beurteilen. Vorläufig ist der Zinsgipfel mit dem Entscheid aber erreicht.

Was bedeutet der Zinsentscheid für Hausbesitzer?

Wohneigentümer mit einer Saron-Hypothek können aufatmen. Ihre Hypothek wird in den nächsten drei Monaten nicht mehr teurer. Saron-Produkte waren bis anhin die günstigste Variante, um den Eigenheimkauf zu finanzieren. Doch die Zinssätze aller Hypo-Produkte gleichen sich zunehmend an. «Die Festhypotheken dürften nun um einige Basispunkte günstiger werden», sagt Fredy Hasenmaile (56), Chefökonom der Raiffeisen.

Für eine zehnjährige Laufzeit wurde Ende August im Durchschnitt ein Zins von 2,81 Prozent verlangt. Der durchschnittliche Zins für eine zweijährige Hypothek liegt bei 2,72 Prozent, für Fünfjährige bei 2,71 Prozent.

Gute Nachrichten also für Hausbesitzer. Die Gefahr steigender Kosten scheint gebannt. Allerdings warnt die SNB vor zu viel Zuversicht: «Die Verwundbarkeit an diesen Märkten besteht nach wie vor», heisst es in der Mitteilung von Donnerstag.

Wie wirkt sich die Zinspause aufs Haushaltsbudget aus?

Personen, deren Budget knapp bemessen ist, sollten vorerst auf unnötige Ausgaben verzichten. Denn: Krankenkassenprämien, Mieten und Energiekosten werden ab Januar 2024 weiter steigen. Die Teuerung dürfte somit auch im kommenden Jahr Lohnerhöhungen auffressen, bestenfalls stagnieren die Reallöhne. Der Gewerkschaftsbund hält den Entscheid, die Zinsen nicht weiter zu erhöhen, für «sinnvoll». Eine weitere Zinserhöhung könne die Mieten zusätzlich in die Höhe treiben.

Können Mieterinnen und Mieter aufatmen?

Mieterinnen und Mieter müssen wohl trotz der Zinspause mit steigenden Kosten rechnen. Ihre Miete steigt, wenn der dafür massgebende Referenzzinssatz erhöht wird. Dieser orientiert sich am durchschnittlichen Zinssatz der von Banken vergebenen Hypotheken. Der Referenzzinssatz stieg am 1. Juni 2023 zum ersten Mal seit dessen Einführung im Jahr 2008. Für zahlreiche Miethaushalte bedeutete das einen Anstieg der Mieten ab Oktober.

Auch wenn der Leitzins auf gleichem Niveau belassen wird, ist das Hypozins-Niveau aktuell deutlich höher als vor zwei Jahren. Und der durchschnittliche Zinssatz der vergebenen Hypotheken steigt mit jeder neu vergebenen Hypothek. Experten rechnen deshalb am 1. Dezember mit einer erneuten Erhöhung des Referenzzinssatzes. «Dieser Aufwärtstrend dürfte noch länger anhalten», sagt Hasenmaile. Im Dezember wird der Referenzzinssatz voraussichtlich auf 1,75 Prozent steigen. «Ein dritter Anstieg des Referenzzinssatzes auf 2 Prozent dürfte über kurz oder lang nicht zu vermeiden sein», so Hasenmaile. Er rechnet im zweiten Halbjahr 2025 damit.

Was heisst der Entscheid fürs Ersparte auf den Konten?

Die Banken standen zuletzt zunehmend in der Kritik, im Zinsgeschäft den grossen Reibach zu machen. Gleichzeitig verlieren die Ersparnisse der Bankkunden laufend an Wert. Denn die Inflation liegt höher als die Sparzinsen. Dieser Druck auf die Banken nimmt nun etwas ab. Trotzdem geben erste Banken für ihre Kundschaft eine Erhöhung der Sparzinsen bekannt. Schliesslich ist der Zeitpunkt für gute Werbung ideal. Die Bank Valiant, die Zuger Kantonalbank sowie die Online-Bank Yuh haben nach dem SNB-Entscheid bereits Zinserhöhungen angekündigt. Auch Raiffeisen Schweiz empfiehlt den Regionalbanken eine Erhöhung. Gut möglich, dass in den nächsten Tagen noch weitere Banken folgen. Der Spielraum dafür ist vorhanden. Viele Banken verzeichneten im ersten Halbjahr beim Zinsgeschäft massive Gewinnsprünge – bis hin zu Rekordzahlen. Jetzt müssten eigentlich auch die in der Negativzinsphase eingeführten, hohen Kontoführungsgebühren wieder sinken.

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