Skandal um Greensill-Fonds
Wen die Finma im Visier hat – und wen nicht

Beim Skandal um die Greensill-Fonds der Credit Suisse hat die Finma gegen vier Topmanager der Bank ein Enforcementverfahren eröffnet. Um diese Namen geht es.
Publiziert: 10.07.2023 um 10:16 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 15:34 Uhr
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Die Finma ermittelt regelmässig gegen die Credit Suisse.
Foto: Keystone
Stefan Barmettler und Holger Alich
Handelszeitung

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Credit Suisse, das ist eine intensive Beziehung. Regelmässig hat die Finanzpolizei gegen die Grossbank ermittelt und sie oft gerüffelt. Nun geht sie auch gegen Topmanager vor, die allenfalls in ihrer Amtszeit gegen Aufsichtsrecht verstossen haben.

Im Fall des Skandals um die Greensill-Fonds hat die Finma gegen vier Topshots der CS ein Enforcementverfahren eingeleitet, an deren Ende im schlimmsten Fall ein jahrelanges Berufsverbot stehen kann, im besten Fall ein Clearing.

Seit der Ankündigung der Ermittlung wird in der Bankenwelt gerätselt, wer die vier betroffenen Topbanker sind. Eine «Handelszeitung»-Recherche zeigt Hintergründe auf, wer im Visier ist – und wer nicht.

Iqbal Khan

Iqbal Khan leitet heute die Vermögensverwaltung der UBS.
Foto: ZVG

Der frühere Chef der internationalen Vermögensverwaltung der CS, Iqbal Khan (47), wird da und dort genannt, weil ihm formell auch das Asset Management unterstellt war, zumindest bis zu seinem Abgang im Frühling 2019. Allerdings figuriert Kahn nicht auf der Liste der Finma, wie Recherchen zeigen.

Das bestätigt auch ein Sprecher der UBS, wo Khan heute die Vermögensverwaltung leitet: «Die Finma führt kein Enforcementverfahren gegen Iqbal Khan, er wurde auch nie während der zweijährigen Untersuchung der Finma zum Fall Greensill befragt.»

Dass er nie ins Visier der Finma rückte, dürfte einen Hintergrund haben: Das Asset Management war Khan bei der CS zwar formell unterstellt, aber verantwortlich für das Geschäft war er nicht. Uneingeschränkter Chef der Problemdivision war Eric Varvel, Präsident des globalen Asset Managements der Bank. Der langjährige Investmentbanker aus New York hatte die Division abgeschottet und führte sie faktisch als «Firma in der Firma», wie ein Involvierter sagt. Ausgestattet mit eigenem Verwaltungsrat und eigenem Entlohnungssystem.

Thomas Gottstein

Foto: Bloomberg via Getty Images

Gemäss Recherchen der «Handelszeitung» hat die Finma gegen Ex-CS-Chef Thomas Gottstein (59) ein Enforcement-Verfahren eingeleitet. Dies hatte auch der SonntagsBlick berichtet. Gottstein war bis Herbst 2022 Chef der Credit Suisse. Dann trat er zurück, auch aus gesundheitlichen Gründen.

Faktisch wurde er bereits im Frühling 2021 entmachtet, nachdem das Tactical Crises Committee unter dem damaligen Präsident Antonio Horta-Osorio die Macht bei der CS übernahm. Dass Gottstein ein Enforcementverfahren am Hals hat, ist keine Überraschung. Er übernahm das Ruder der Bank 2020, ein Jahr später riss die Pleite des Hedgefonds Archegos und der Zusammenbruch der Greensill-Fonds, die von der CS vertrieben wurden, Löcher in die Kasse. Allerdings sind in seiner Regentschaft, das zeigt die Recherche, keine gröberen Verfehlungen auszumachen. Im Fall Greensill hätte Gottstein womöglich früher und resoluter reagieren sollen - etwa im Sommer 2020. Zudem muss er sich als Minuspunkt anrechnen lassen, dass er mit seinem ersten wichtigen Personalentscheid die damalige Risiko-Chefin Lara Warner auch noch zur Compliance-Chefin beförderte. Dies sind zwar Fehlentscheide. Aber für eine rote Karte, ein Berufsverbot, dürften diese Managementfehler nicht reichen. Allenfalls könnte Gottstein eine Rüge der Finma kassieren, sollte sie auf Versäumnisse des damaligen CS-Chefs stossen.

Das tat sie bereits im Fall von Boris Collardi, dem Ex-Chef von Julius Bär. Weil die Risiko- und Compliance in der von ihm bis 2017 geführten Bank nicht auf dem verlangten Qualitätsstand war, war Julius Bär in zahlreiche Geldwäsche-Skandale verwickelt. Eine persönliche Schuld Collardis konnte die Finma allerdings nicht belegen – und beliess es mit einer «gelben Karte».

Eric Varvel

Eric Varvel war lange einflussreicher Topmanager der Credit Suisse mit besten Beziehungen zu Grossinvestoren vom Persischen Golf. Foto (Credit Suisse/Alberto Venzago)
Foto: Keystone

Der Name von Eric Varvel wird immer wieder genannt, Quellen halten es für sehr plausibel, dass die Finma ihn mit einem Enforcementverfahren unter die Lupe nimmt. Der US-Amerikaner war faktisch der Chef des Asset Managements und liess sich nicht dreinreden. Er vertrieb mit viel Engagement die Greensill-Fonds und versprach der Kundschaft das gelbe vom Ei. Die Supply-Chain-Produkte der CS wären wie Anleihen und würden es Investoren erlauben, «auf kurzfristiger Basis attraktive Renditen» zu erwirtschaften.

Gottstein trennte sich im Herbst 2022 von Varvel, der über Jahrzehnte als graue Eminenz in der Bank wirkte, weil er beste Beziehungen zum CS-Grossaktionär Katar unterhielt. Die «Financial Times» beschrieb Vervel einst so: Er sei zu 95 Prozent der Kundenmann und bloss zu 5 Prozent der Risikomann.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Im Vordergrund steht die Frage, ob Varvel mit seinem ausgeprägten Verkäufertalent die Investoren zu wenig auf die Risiken der Anlagefonds hinwies. Für ihn persönlich ging die Rechnung auf jeden Fall auf. Er dürfte in seinen 30 Jahren bei der CS gegen 80 Millionen Franken verdient haben.

Michel Degen

Er war unter Varvel der Dreh- und Angelpunkt im Asset Management der Credit Suisse und liess sich von Alex Greensill einlullen. Der Australier lieferte die Firmenkredite, verpackte sie zu Wertpapieren und organisierte auch noch den Versicherungsschutz für die Papiere, bevor sie in die CS-Fonds verpackt wurden.

Degen vermarktete die Produkte, die der CS zum Verhängnis wurden. Doch der CS-Mann, der sich als Innovator der ganzen Branche sah, hatte die Risiken völlig unterschätzt. Das Urteil der Finma nach ihrer Greensill-Untersuchung war vernichtend: Das Asset Management habe «wenig Wissen und Kontrolle» gehabt. Insgesamt habe die Bank dabei «in schwerer Weise gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstossen». Daher spricht vieles dafür, dass auch Degen im Visier der Finma ist.

Lara Warner

Lara Warner, die frühere Risikochefin der Credit Suisse.
Foto: Reuters

Der frühere CS-Chef Tidjane Thiam hatte die US-Amerikanerin mit australischen Wurzeln 2015 zur obersten Überwacherin der Bank gemacht und sie bei der Beförderung als «rising star» gelobt. Doch ihr Leistungsausweis ist mager. In ihre Amtszeit fallen die grössten Betriebsunfälle der Bank, darunter der Korruptionsfall in Mozambique sowie die Milliardenverlust mit dem US-Hedgefund Archegos und den Supply-Chain-Fonds mit Lex Greensill. Zudem schmiss sie im Dutzend erfahrene Risikomanager aus der Bank und löste einen Braindrain aus, der verheerend war.

Die Tatsache, dass Warner nicht mehr in der Schweiz lebt, schützt sie nicht vor dem Zugriff der Finma. Bei relevanten Fällen ermitteln die Finanzaufseher auch gegen ausländische Manager, wenn diese in ihrer Schweizer Zeit sich möglicherweise Verfehlungen gegen Aufsichtsrecht zu Schulden haben kommen lassen.

Ein mögliches Berufsverbot in der Schweiz hat zwar keine unmittelbare Bedeutung für andere Länder. Doch die Finanzaufsichten der grossen Plätze arbeiten eng zusammen. Wer im einen Land durchgefallen ist, dürfte auch in anderen Ländern Mühe haben, nochmals einen Spitzenjob zu ergattern.

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