Saudis wollten Credit Suisse retten
Doch die Finma sagte Nein!

Die Saudi National Bank wollte ihren Anteil an der Credit Suisse auf 40 Prozent erhöhen. Der Bund hatte etwas dagegen.
Publiziert: 09.07.2023 um 00:03 Uhr
|
Aktualisiert: 09.07.2023 um 14:09 Uhr
1/6
Ammar al-Khudairy, Präsident der Saudi National Bank, löste mit einem Interview ein Beben aus auf den Finanzmärkten. Kurz darauf musste er zurücktreten.
Foto: Getty Images
Beat Schmid*

Wie Recherchen ergeben haben, gab es vor der Übernahme durch die UBS einen anderen Plan, um die Credit Suisse vor dem Untergang zu retten. Wie zwei unabhängige Quellen bestätigen, wollte die Saudi National Bank (SNB) ihren Anteil von knapp zehn Prozent deutlich aufstocken. Insgesamt hätten die Investoren fünf Milliarden Dollar in die Bank gepumpt.

Damit wären die Saudis auf einen Anteil von rund 40 Prozent gekommen und hätten die Credit Suisse kontrolliert, sagt eine Quelle. Das «Wall Street Journal» hatte kurz nach dem CS-Verkauf erstmals über eine saudische Investorengruppe berichtet, die ein Investment in dieser Grössenordnung vorgeschlagen hatte.

1/6
Ammar al-Khudairy, Präsident der Saudi National Bank, löste mit einem Interview ein Beben aus auf den Finanzmärkten. Kurz darauf musste er zurücktreten.
Foto: Getty Images

Doch die dringend benötigten Milliarden flossen nicht. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) soll ihr Veto eingelegt haben. Warum, bleibt das Geheimnis der Aufsichtsbehörde. Ein Sprecher lehnte eine Stellungnahme auf Anfrage ab. Die Gesetze sehen vor, dass der Regulator sein Okay geben muss, wenn ein ausländischer Grossaktionär mehr als zehn Prozent an einer Schweizer Grossbank besitzen will.

Erklärung für ein bizarres Interview?

Im Rahmen der Kapitalerhöhung vom letzten November stieg die Saudi National Bank gross bei der Credit Suisse ein und baute einen Anteil von knapp zehn Prozent auf. Jede weitere Erhöhung hätte die Zustimmung der Finma erfordert. Als sich die Lage nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank zuspitzte, war das saudische Finanzinstitut bereit, der Schweizer Grossbank unter die Arme zu greifen.

Axel Lehmann (64), der damalige Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, reiste in jener Woche an eine Konferenz in die Golfregion, wo er betonte, dass die CS keine staatliche Hilfe brauche. Es ist anzunehmen, dass er dort mit einer saudischen Delegation über die Möglichkeiten einer Kapitalspritze gesprochen hat.

Die SNB wird vom saudischen Herrscherhaus kontrolliert. Eine Anfrage beim staatlichen Investmentfonds Public Investment Fund, der die Saudi National Bank kontrolliert, blieb unbeantwortet. Axel Lehmann war nicht zu erreichen. Die CS-Medienstelle lehnte eine Stellungnahme ab.

Im Wüstenstaat dürfte das Nein der Schweizer Finanzbehörden zum Rettungsplan nicht gut angekommen sein. Möglicherweise ist dies eine Erklärung dafür, dass SNB-Präsident Ammar al-Khudairy (60) in einem Bloomberg-Interview mit irritierend klaren Worten eine weitere Kapitalerhöhung ausschloss. Auf die konkrete Frage, ob die Bank für weitere Liquiditätsspritzen offen sei, falls es einen weiteren Bedarf an zusätzlicher Liquidität gebe, sagte al-Khudairy: «Die Antwort lautet: absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, abgesehen vom einfachsten Grund, nämlich dem regulatorischen und gesetzlichen.»

Die deutlichen Worte von al-Khudairy lösten ein Beben an den Aktien- und Kreditmärkten aus. Die Titel der Credit Suisse stürzten um 24 Prozent ab. Auch andere Bankaktien gerieten unter Druck. Die Versicherungsprämien für den Ausfallschutz von CS-Anleihen stiegen auf neue Rekordwerte. Am selben Tag, als al-Khudairy die CS in den Abgrund stürzte, trafen sich die Spitzen des Bundes bereits mit Colm Kelleher (64), dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS. Am späten Mittwochabend verschickten die Finma und die Schweizerische Nationalbank eine gemeinsame Erklärung, wonach sie der Credit Suisse «im Bedarfsfall» Liquidität zur Verfügung stellen würden – was in der Nacht auf Donnerstag auch geschah.

Worst Case für die Saudis

Der Rest ist Geschichte. Vier Tage später, am Sonntag, dem 19. März, wurde die Credit Suisse für drei Milliarden Franken an die UBS verkauft. Teil des Deals war die Abschreibung von AT1-Bonds in Höhe von 17 Milliarden Dollar. Brisant ist: Der Plan der Saudis hätte kein sogenanntes Viability Event ausgelöst. Die speziellen Anleihen, die eine Klagelawine losgetreten haben, wären also nicht für ungültig erklärt worden.

Für die Saudis war es der Worst Case. Das Kurz-Engagement bei der Credit Suisse kostete sie über eine Milliarde Dollar. Statt zehn Prozent an der Credit Suisse besitzen sie jetzt noch 0,5 Prozent an der UBS. Offenbar war es der Herrscher, Prinz Mohammed bin Salman höchstpersönlich, der sich ursprünglich dafür eingesetzt hatte, dass die Saudi National Bank überhaupt die Zehn-Prozent-Beteiligung an der Credit Suisse aufbaute.

Gut möglich natürlich, dass die Rettungsaktion der Saudis zu spät gekommen wäre, dass sie nichts genutzt hätte. Gleichzeitig zeigt es aber auch, dass die Rettung der Credit Suisse möglicherweise viel chaotischer verlaufen ist als bisher angenommen. Es ist jetzt Aufgabe der Parlamentarischen Untersuchungskommission, Klarheit zu schaffen

*Der Journalist Beat Schmid schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.