Sergio Ermotti (63) brauchte am Mittwoch Geduld, Nerven – und eine Blase aus Stahl. Viereinhalb Stunden dauerte die erste Generalversammlung der UBS seit der Fusion zur Superbank. Das kommt zwar nicht an die allerletzte Credit-Suisse-GV letztes Jahr mit fünf Stunden heran – aber nahezu.
UBS-Präsident Colm Kelleher (66) zog die GV ohne Unterbruch durch. Während viele Aktionärinnen und Aktionäre zwischendurch den Saal verliessen, um eine Toilettenpause einzulegen oder sich mit Äpfeln und Schokoküssen zu stärken, blieb die UBS-Spitze um Kelleher und Ermotti eisern auf der Bühne sitzen.
Sie mussten Schimpf und Schande von erbosten Kleinaktionären und Klimaaktivisten über sich ergehen lassen und sogar dem selber komponierten Ständchen eines Aktionärs lauschen. Wobei sie gut dafür entschädigt werden: Sergio Ermotti verdiente im vergangenen Jahr 14,4 Millionen Franken. Das ergibt laut Milchbüchleinrechnung einen Stundenlohn von 6700 Franken – oder für die viereinhalbstündige GV einen Lohn von 30'000 Franken. Da lässt man auch fragwürdige Ständchen über sich ergehen.
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Der CEO-Lohn war denn auch das Hauptthema an der GV. «Ermotti ist der bestbezahlte CEO einer europäischen Bank», kritisierte etwa Vincent Kaufmann (43), Direktor der Anlagestiftung Ethos, die Pensionskassen und Einzelaktionäre vertritt. «Da kratze ich mir meine wenigen verbleibenden Haare», sagte der mehrheitlich glatzköpfige Kaufmann und erntete damit Lacher im Saal. Fritz Peter (66), Finanzmarktspezialist von Actares, einem Zusammenschluss von Aktionären, die sich für mehr Konzernverantwortung einsetzen, doppelte an Ermotti gewandt nach: «Sie sollten sich dafür schämen.»
Selbst das Zwingli-Zitat prallt an Ermotti ab
Brigitta Moser-Harder (80), Mitinitiantin der Abzocker-Initiative, bezeichnete die Argumentation, nur mit hohen Löhnen liessen sich die besten Manager anlocken, als «Mega-Flop». Es seien ausgerechnet die hoch bezahlten Manager gewesen, die 2008 die UBS und in den letzten Jahren die Credit Suisse in die Krise geführt hätten. «Die masslosen Vergütungen sind ein Affront gegenüber den Tausenden, die bei der Fusion ihren Job verlieren.» Die UBS orientiere sich «an den obszönen Entschädigungen amerikanischer Banken».
Ein anderer Redner zitierte den Reformator Huldrych Zwingli, forderte Ermotti auf: «Tun Sie bei den Vergütungen um Gottes willen etwas Tapferes!» Von «Missmanagement», «geldgierigen Bankern» und «Bschiss» an den ehemaligen CS-Aktionären war die Rede. Eine ziemliche Packung, die Ermotti sich da anhören musste.
Er nahms gelassen: Hatte den Blick stets auf das Pult vor sich gerichtet. Worauf genau, war aus der Halle nicht ersichtlich.
Die Basler Fasnacht hält Einzug
Verwaltungsratspräsident Kelleher nahm Ermotti und sein Millionensalär in Schutz: «Er hat den schwierigsten Job in der Bankenindustrie weltweit. Und er liefert ab!» Innert weniger Monate habe es Ermotti geschafft, die CS zu stabilisieren – «und damit auch die Schweiz als Finanzzentrum».
Nur um Ermottis Lohn ging es dann aber doch nicht: Auch die Nachhaltigkeitsstrategie der UBS bewegte an der GV – auch ausserhalb der St. Jakobshalle: Klimaaktivisten hatten dort ein überdimensionales Kartenhaus aufgebaut. Es symbolisierte die fragilen Ökosysteme. Zur Krönung setzte sich ein Aktivist mit Ermotti-Maske im Stil einer Basler Fasnachtslarve auf den Turm. Das Kartenhaus hielt.
So unterhaltsam und kreativ die Voten von Aktivisten und Aktionären auch waren, am Ende kam es, wie es an Generalversammlungen praktisch immer kommt: Die UBS-Spitze brachte sämtliche Anträge problemlos durch. Denn auch die Kleinaktionäre wissen, dass sie mit ihren Anträgen gegen die grossen, institutionellen Anleger keinen Stich haben. Der Vergütungsbericht erhielt zwar «nur» 83,5 Prozent Zustimmung. Aber nicht einmal das kann als richtige Ohrfeige für Sergio Ermotti gedeutet werden.
Nach Dutzenden Wortmeldungen und mehr als vier Stunden wurde die Stimmung im Saal merklich unruhiger. Die Mehrheit der Anwesenden war wohl froh, als die Abstimmungen durch waren – auch wenn vielen von ihnen die Ergebnisse missfielen. Dafür gings anschliessend zum Apéro riche: Es gab Kartoffelstock, Fleischbällchen, Risotto – und reichlich Wein.