Sechs Kilo pro Person
Wo landen unsere Altkleider?

Ab mit den kaputten und alten Kleidern in die Sammlung und gut ist? Leider nicht immer. Es kann sogar ökologischer sein, Billig-Klamotten hier in den Müll zu werfen. Trotzdem gibt es gute Ideen zur Wiederverwertung.
Publiziert: 16.12.2023 um 09:46 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2023 um 14:54 Uhr
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Textilmüll in der Nähe des Gikomba-Markts in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. «Ja, wir gehen davon aus, dass auch in der Schweiz gesammelte Altkleider in Afrika landen», sagt Barbara Wegmann (38), Fachexpertin Konsum und Kreislaufwirtschaft bei Greenpeace.
Foto: © Kevin McElvaney / Greenpeace
Barbara Ehrensperger

Eigentlich kennen wir alle die Lösung, aber wir bleiben oft lieber das Problem: Wir kaufen viel zu viele neue Kleider, statt sie länger zu tragen. Würden alle Kleider in der Schweiz drei Jahre länger getragen, liessen sich damit jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht den Treibhausgasen einer 7,4 Milliarden Kilometer langen Autofahrt.

Was geschieht mit den alten Klamotten, die man in den Kleidercontainern entsorgt? «Altkleider werden mehrheitlich nach Osteuropa, Ost- und Westafrika exportiert – offiziell zur Wiederverwendung. Der Besuch von Greenpeace Deutschland in Kenia und Tansania zeigt aber, dass das zu einem grossen Teil leere Versprechen sind», zitiert Barbara Wegmann (38), Fachexpertin Konsum und Kreislaufwirtschaft bei Greenpeace Schweiz, eine Studie aus Deutschland. Doch auch Kleider aus der Schweiz können in Afrika landen, ist Wegmann überzeugt: «Ja, wir gehen davon aus, dass auch aus in der Schweiz gesammelte Altkleider in Afrika landen».

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Schlechte Qualität

Eine Nachfrage von Blick bei Texaid, einem der grössten Schweizer Textilsammler, blieb unbeantwortet. Auf ihrer Webseite schreiben sie: «Die Texaid Gruppe sammelt jährlich über 80'000 Tonnen Altkleider und sorgt dafür, dass diese ökologisch sinnvoll wiederverwendet werden. 40 Prozent der gesammelten Textilien sind in zu schlechtem Zustand, um sie als Secondhand-Kleidung weiterzutragen – Tendenz steigend, da der Trend hin zu billiger und billig produzierter Kleidung anhält.»

Neben der unglaublichen und nicht mehr zu bewältigenden Menge von Altkleidern ist vor allem die schlechte Qualität der Kleider ein grosses Problem. Bis zu 69 Prozent der Kleidungsfasern sind synthetisch, bestehen also aus Plastik. Wenn nun unsere Billigkleider in Afrika auf Müllhalden verrotten, gelangen diese Mikroplastikfasern dort ungefiltert in die Umwelt. Oder anders gesagt: Mikroteile unserer Faserpelzjacken und Billigkleider landen im Wasser und verschmutzen das Lebenselixier von Mensch und Tier. 35 Prozent des Mikroplastiks in den Meeren stammt von Textilien, schätzt das Netzwerk Fashion Revolution Schweiz.

Kleider in den Abfall werfen kann besser sein

Soll man also kaputte billige Synthetik-Kleider lieber hier in der Schweiz in den Abfall werfen? «Ja, so schlimm es klingt», rät Wegmann. Denn hier in der Schweiz werde der Abfall wenigstens korrekt verbrannt, somit lande kein Mikroplastik in der Umwelt. «Viel besser wäre es aber, solche Kleider gar nicht erst zu kaufen», stellt sie klar.

Weiter rät sie schlicht: «Weniger kaufen. Hochwertige Qualität kaufen. Möglichst lange nutzen.» Um die Kleider möglichst lange zu nutzen, soll man diese, statt in den Kleidersack zu stopfen, im Freundeskreis verschenken, an Kleidertauschbörsen bringen, auf Online-Plattformen anbieten. «Natürlich ist das mit mehr Aufwand verbunden, aber es ergeben sich dabei oft schöne soziale Kontakte», findet Wegmann. Und wenn die Kleider kaputt sind, könne man immer noch Putzlappen daraus machen. «Oder warum mal nicht in einer Werkstatt nachfragen, ob sie die kaputten Sachen als Lappen nutzen möchten?», fragt sie.

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Auch die Forschung ist für längeres Tragen und Nutzen der Kleider: «Mechanisches Recycling ohne Beimischung von neuem Material ist immer ein Downcycling, auch bei Kleidern. Es entsteht also ein weniger wertvoller Rohstoff», sagt Claudia Som (55), wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Materialforschungsinstitut Empa. Zwar werde bei der Empa an «Ressourcensparendem chemischem Recycling geforscht, das einen neuwertigen Rohstoff ergeben soll», sagt Som. Bis es so weit sei, sei es sinnvoller, Kleidung so lange wie möglich zu nutzen.

Som rät zudem, dass die Produktionsabfälle von Unternehmen besser genutzt und wiederaufbereitet werden, statt nur der Verbraucher-Abfall aus dem PET-Flaschenkreislauf. Denn der Produktionsabfall sei auch qualitativ hochstehend und könnte einfacher und oft weniger energieintensiv recycelt werden.

Sechs Kilo Altkleider pro Person

Greenpeace möchte auch die Mode-Unternehmen in die Pflicht nehmen: «Sie müssen ihren Nachhaltigkeitsversprechen gerecht werden und weniger Kleidung produzieren, die dafür qualitativ besser, langlebiger, reparierbar und wiederverwendbar ist». Fast-Fashion-Ketten bringen in immer kürzeren Abständen neue Kollektionen heraus. Wir kaufen im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr, sagt Fashion Revolution. In der Schweiz landen laut dem Bundesamt für Umwelt jährlich pro Kopf sechs Kilogramm Kleider in der Altkleidersammlung.

Die Bilder und die Studie von den Kleider-Mülldeponien in Tansania und Kenia zeigten laut Greenpeace: «Wir lagern unser Abfallproblem unter falschen Versprechen an Länder aus, die nicht die Infrastruktur haben, diese zu bewältigen».

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