Bezahlbare Designerkleider
Schweizer Designerin (38) schenkt alten Kleidern ein neues Leben

Aus Altkleidern in Indien entstehen neue, bezahlbare Kleider. Die Designerin Laura Weber (38) erklärt, wie das funktioniert – und warum ein Hotelbett wie Secondhand-Mode ist.
Publiziert: 10.06.2021 um 11:10 Uhr
1/10
Die riesige Sortierhalle in Indien, wo die Altkleider für Rework aussortiert werden.
Foto: Rework
Barbara Ehrensperger

«Gerne würde ich ökologisch hergestellte Kleider kaufen, aber ich kann mir keinen Pullover für 139 Franken leisten» - solche Sätze hört man oft.

«Wir bieten nachhaltige Pullover für 39 Franken an», sagt Designerin Laura Weber (38) von Rework dazu. Doch wie kann ein umweltfreundlicher Pullover so günstig zu haben sein? «Weil wir für das Material quasi nichts bezahlen», erklärt Weber. Denn die Rework-Kleider werden aus Altkleidern neu genäht.

In die Sortierhalle rufen

In Indien werden in einer grossen Recycling-Anlage Altkleider aus den USA sortiert und an lokale Märkte in Afrika und Südostasien weiterversendet. Just nebenan steht das kleine Nähatelier von Rework.

Wenn Weber in der Schweiz ein Schnittmuster für einen Kinderpullover aus Sweat-Stoff entwickelt, gehen die Näherinnen in Indien in die Halle und rufen den Sortiererinnen zu, dass Rework Sweat-Stoff sucht.

Die Pullover aus diesem Material werden auf einen Haufen gelegt, den die Näherinnen von Rework abholen, um daraus die Pullover zu nähen.

Direkt aus Indien

«Wir möchten eine Alternative bieten zu den Fast-Fashion-Läden», sagt Weber, die lange als Einkäuferin für das Kleidergeschäft Fizzen tätig war. Sie möchten auch Leute ansprechen, die sonst nicht in Secondhand-Läden einkaufen.

«Und ja, die Sachen in Indien nähen zu lassen, ist billiger», erklärt die Berner Designerin ganz offen. «Es ist uns wichtig, dass sich auch eine junge Kundschaft nachhaltige Teile leisten kann, darum produzieren wir in Indien und nehmen den langen Transportweg in Kauf.»

Die Herstellung der Rework-Sachen ist arbeitsintensiv: Die Altkleider müssen auseinandergeschnitten und dann neu zusammengenäht werden.

Seit 12 Jahren arbeitet sie mit den Näherinnen in Indien zusammen. «Es sind keine anonymen Kleiderfabriken, sondern unsere eigenen Teams, wo wir auch selber in der Verantwortung stehen, was die Löhne und die Arbeitsbedingungen betreffen», erzählt sie.

«Ah, das ist gar nicht neu»

Weber hat in Basel Modedesign studiert und war anschliessend in Berlin tätig. «Ich mag die Modewelt und bin froh, dass wir mit Rework eine Nische gefunden haben, die es mir ermöglicht, Nachhaltigkeit einzubinden und weiterhin mit Freude Mode zu erschaffen», erzählt sie.

«Bei uns steht grundsätzlich die Ästhetik im Vordergrund: Ein Kleidungsstück soll den Kundinnen und Kunden gefallen. Wenn sie dann merken: Ah, das ist gar nicht neu – auch noch toll. Dann ist es perfekt», sagt sie.

Laura Weber muss unter Restriktionen kreativ sein: Um aus einem alten Herrenpullover einen Damenpulli zu machen, der mehr Stoff benötigt, ist nicht leicht. «Das spornt uns an», sagt sie lachend.

Nähateliers direkt in den Läden

Die Rework AG hat dank einer Investorin die Chance bekommen, langsam zu wachsen. «Es wird Zeit brauchen, bis wir es schaffen, das sogenannte Upcycling-Design-Konzept finanziell rentabel zu machen», so Weber. Rework hat nun sein zweites Jahr hinter sich. Es sollte nun mit den schwarzen Zahlen klappen.

Zusammen mit Kaspar Schlaeppi, der für den Aufbau der Produktion im Ausland und die Geschäftsführung zuständig ist, kümmert Weber sich um die Läden. Bisher gibt es deren drei: Einen in Bern, einen in Zürich an der Zollstrasse und einen an der Europaallee, der aus einem Pop-up Projekt entstand.

Ungefähr 20 Leute sind heute für die Firma tätig, viele arbeiten Teilzeit oder machen ein Praktikum. «In jedem Laden stehen es Nähmaschinen, wo wir Muster und kleine Produktionen nähen», sagt Weber.

Dadurch sollen die Kundinnen und Kunden den Upcycling-Design-Prozess direkt miterleben können. Damit haben sie auch kein klassisches Verkaufspersonal mehr, sondern Menschen, die hier Nähideen ausprobieren und die Kunden beraten».

Auch Hotelbetten sind Secondhand

Ideen für die Zukunft gibt es bei Rework viele. Eine davon ist: Die Kundinnen und Kunden die «Roh-Materialien», also die Altkleider, direkt in den die Läden bringen zu lassen, um die Transportwege kleiner machen. «Allgemein möchten wir vermehrt unverkaufte Kleider direkt im Laden umnähen: Aus Sweatshirts werden Kinder-Pullover und aus den Stoffresten entstehen noch ein paar Stoffbälle».

Als Mutter von zwei Kindern, Kian (5) und Oskar (2), weiss Weber, dass es schwierig sein kann, schadstoffarme und angenehm zu tragende Kinderkleider zu finden. «Die Secondhand-Sachen sind schon so oft gewaschen worden, dass ich mir wegen bedenklicher Chemie keine Gedanken machen muss. Zudem werden alle Kleider bei Rework gereinigt, bevor sie in den Verkauf kommen.»

«Secondhand ist eindeutig im Trend und wird immer breiter akzeptiert», betont Weber. An alle, die finden, es sei ein bisschen unappetitlich, dass diese Kleider schon mal getragen wurden, hat sie diesen Einwand: «In einem Hotel schlafen Sie ja immer in quasi Secondhand-Bettwäsche und finden das nicht gruusig, oder?».

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?