Es klingt wie ein kleines Weihnachtswunder: Nestlé baut im Westen der Ukraine eine Nudelfabrik. «Das neue Werk in der Region Wolyn wird zusammen mit der bestehenden Fabrik in Torchyn zum regionalen Hub für Food und kulinarische Produkte von Nestlé in Europa», teilte der Nahrungsmittelkonzern diese Woche mit. Mit rund 1500 Beschäftigten werde es sowohl die Ukraine beliefern als auch weitere europäische Märkte. Die Investitionen beliefen sich auf 40 Millionen Franken.
Endlich wieder positive Nachrichten aus dem kriegsgeplagten Land. Leider täuscht die Ankündigung darüber hinweg, dass die ukrainische Wirtschaft noch immer stark unter den Folgen des russischen Angriffs leidet – vor allem im Osten des Landes.
«Situation ist schwierig»
«Die Situation ist weiterhin sehr schwierig», weiss Franziska Tschudi Sauber (62), Geschäftsführerin der Weidmann-Gruppe mit Sitz in Rapperswil SG. Das Familienunternehmen hat einen Standort in Malyn, rund 100 Kilometer nordwestlich von Kiew. Dort produziert Weidmann Materialien und Komponenten für die Isolation von Transformatoren. «Der Ort ist vom Krieg leider nicht verschont geblieben», sagt Tschudi Sauber. So seien eine Brücke und ein Kindergarten zerstört worden. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer tun aber alles, um die Infrastruktur möglichst rasch wieder instand zu setzen.»
Weidmann konnte die Produktion ab Mai wieder aufnehmen. Die Zahl der Mitarbeitenden ging jedoch von 630 auf etwa 550 zurück. «Grösstenteils ist das darauf zurückzuführen, dass Männer eingezogen wurden», so die Unternehmerin. Man tue jedoch alles, um die Arbeitsplätze der ukrainischen Kolleginnen und Kollegen zu sichern. Aus wirtschaftlicher Sicht sei das aber nicht ganz einfach: «Das Problem ist, dass einige grosse westeuropäische Kunden keine Produkte aus der Ukraine wünschen. Sie befürchten, dass wir je nach Entwicklung des Krieges unsere Produktion einstellen müssen und dann nicht liefern können.»
Ungewissheit beschäftigt
Aus Sicht der Kunden, die absolute Planungssicherheit verlangten, kann Tschudi Sauber die Zurückhaltung nachvollziehen. Zugleich vermisst sie bei vielen die Solidarität mit der Ukraine. «Ich kann deshalb nicht sagen, ob wir für alle unsere ukrainischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in einem Jahr noch genügend Arbeit haben werden.»
Auch bei anderen Schweizer Firmen, die in der Ukraine aktiv sind, herrscht grosse Ungewissheit. Der Pharmariese Novartis mit rund 500 Beschäftigten in dem umkämpften Land hat begonnen, den Geschäftsbetrieb aus der Ferne wiederaufzunehmen. Eine schwere Herausforderung seien jedoch häufige Unterbrechungen der Energieversorgung.
Der Agrarchemiekonzern Syngenta wiederum, der in der Ukraine bis Kriegsbeginn rund 600 Mitarbeitende hatte, kann nicht einmal genau angeben, ob sich noch alle vor Ort befinden. «Unsere Informationen sind nicht ganz aktuell, da die Menschen in den vergangenen Tagen unter schwerem Beschuss standen und in Notunterkünften ohne Strom- und Mobilfunkverbindung sind», sagt ein Sprecher. Russische Truppen hätten zudem ein Labor in der Hafenstadt Cherson geplündert und zerstört. «Wir möchten dennoch in der Ukraine bleiben, so gut es geht», betont Syngenta.
Vetropack will Standort Ukraine nicht aufgeben
Auch der Glasverpackungshersteller Vetropack bekräftigt, dass man den Standort in der Ukraine nicht aufgeben wolle. Das Unternehmen mit Sitz in Bülach ZH musste jedoch in den vergangenen Monaten Hunderte ukrainischer Beschäftigter entlassen. «In unserem Werk Hostomel haben Untersuchungen vor Ort ergeben, dass eine Wiederaufnahme der Produktion nicht vollumfänglich möglich ist», so eine Sprecherin.
Noch düsterer präsentiert sich die Lage bei Clariant. Der Baselbieter Chemiekonzern hatte seine Produktion von Katalysatoren in der stark umkämpften Donbass-Region bereits im Februar 2022 ausgesetzt. Nun musste das Unternehmen entscheiden, den Standort für immer zu schliessen. «Die Arbeitsverträge der betroffenen Arbeitnehmenden in der Ukraine enden daher zum Ende des Jahres», teilt eine Unternehmenssprecherin mit.
Weitere Schweizer Firmen mit grösseren Niederlassungen in der Ukraine wollen sich gar nicht erst zur aktuellen Situation äussern.
Beim Sanitärtechnikkonzern Geberit und bei Glas Trösch mit Sitz in Nidwalden lautet die Botschaft nur: No comment.